Rover 3500 V8
Die Unruhe, die vor einigen
Jahren vor allem in England entstand, als bekannt wurde, dass die traditionelle
Marke Rover künftig einen ursprünglich amerikanischen V8-Motor verwenden wird,
hat sich inzwischen doch etwas gelegt. Der Rover 3500 V8 ist bei denjenigen eine
bekannte und gewohnte Erscheinung geworden, die einen typischen britischen
Charakter bevorzugen, und der Motor... ach, der kann so allmählich als
„akzeptiert" bezeichnet werden. Obwohl seit der Einführung dieses Typs
wenig Aufsehenerregendes verändert worden ist, ist er doch ausreichend mit der
Zeit mitgegangen, um in keiner Hinsicht zu veraltern; die anfänglich als
fortschrittlich bezeichnete Karosserie mutet für so einen stattlichen Wagen übrigens
noch immer modern an. Vergessen Sie aber bei der Stattlichkeit nicht, dass der
3500 V8 ein sehr kräftiges Automobil ist, was auch in der automatischen
Standardausführung noch gut zur Geltung kommt. Allerdings ist auf der Londoner
Motor Show für den sehr sportlichen Fahrer eine handgeschaltete Version angekündigt
worden, die bestimmt eine eindrucksvolle Leistung liefern muss. Ob das nun so
sehr nötig ist, ist zu bezweifeln; während des Tests ist das Fehlen eines
„sportlichen Knüppels" keineswegs als Mangel betrachtet worden...
Motor
Die Herkunft des schönen
leichtmetallenen Rover V8 mag als bekannt vorausgesetzt werden: General Motors
bemerkte, dass der vor einigen Jahren entstandene Entwurf doch nicht so ideal für
die „Compacts" war, in denen dieses „leichte Maschinchen" anfangs
eingebaut worden ist. Um so mehr Nutzen hat Rover vom sehr modern konzipierten
V8 gehabt. Es spricht für die Progressivität des Entwurfs, dass auch die
Anpassung an die letzten Sicherheitsbestimmungen keine große Probleme
verursacht hat. Eine hohe Leistung von 184 SAE-PS und ein imponierendes
Drehmoment von 31 mkg bei einer bescheidenen Drehzahl von 3000 U/min
charakterisieren diesen elastischen Motor, der dank seiner Leichtmetallbauweise
nicht besonders viele mechanische Geräusche produziert. Hinter dem ziemlich
viel Leistung schluckenden automatischen Getriebe kommen noch immer 114 PS an
die Antriebsräder, die den 1300 kg schweren Wagen ohne viel Mühe zu erwähnenswerte
Leistungen verhelfen.
Vor allem die Beschleunigung:
in Vergleich mit dem Testwagen vor einigen Jahren zeigt die Grafik selbst eine
auffällige Verbesserung. Merkwürdigerweise bleibt die 1971-Ausführung in der
Höchstgeschwindigkeit ziemlich hinter seinem älteren Bruder zurück, was um so
unerklärlicher ist, weil der Drehzahlmesser während der Messungen deutlich
„im Roten" stand. Obwohl die technischen Angaben keinen Hinweis über
eine mögliche Veränderung der Kraftübertragung geben, muss doch ein
derartiger Eingriff stattgefunden haben: bei einer Geschwindigkeit von 173 km/h
zeigt der Drehzahlmesser nämlich 5300 U/min an, und das ist mehr als das Werk
anhand des roten Bereichs des Zifferblattes als gesund erachtet...
Wie gesagt, der geschmeidig
rundlaufende Achtzylinder ist nicht auffallend laut, nur an einer gewissen
Unruhe, einer leichten Rauhheit im höchsten Drehzahlbereich ist zu merken, dass
er es lieber etwas ruhiger angeht. Der ganze Wagen ist übrigens darauf
ausgerichtet: es kann wohl hart mit ihm umgegangen werden, aber bis ungefähr
160 km/h verhält er sich stabiler als bei höheren Geschwindigkeiten.
Mit Hilfe eines vorwitzigen,
aber zweckmäßig geformten Choke-Hebels springt der V8 morgens flott an, aber
der Motor hat eine „mürrische Morgenlaune", wenn ihm die Starthilfe zu
schnell entzogen wird. Das hat zur Folge, dass der Choke ziemlich lange
eingeschaltet bleiben muss, was wiederum – durch die erhöhte Standdrehzahl
– leichte Kriechneigungen der Automatik verursacht.
Kraftübertragung
Ein automatisches Getriebe
bietet große Fahrvorteile, wenn es in Verbindung mit einem großen Motor
eingesetzt wird, das haben die Amerikaner übrigens schon ungezählte Jahre lang
bewiesen. Bedingung ist aber, dass die Dimensionen solch eines Getriebes dem
Motor angepasst sind; insbesondere muss der Drehmomentwandler selbst über etwas
Kraftüberschuss verfügen, um unter allen Bedingungen unbemerkt arbeiten zu können.
Und in diesem Punkt gibt es bei diesem Rover doch etwas zu bemängeln: aus den
Bewegungen von Drehzahlmesser und Tachometer wird deutlich, dass bis in sehr
hohe Drehzahlen hinein etwas Schlupf zwischen Antriebsachse und Getriebe
vorhanden ist, und das Schalten geschieht immer fühlbar und ziemlich unwillig.
Bei 90 km/h weigert sich die Automatik selbst bei Kickdown in den zweiten Gang
zu schalten (wobei Handschaltung bei dieser Übersetzung fast 140 km/h auf die
Tachoanzeige bringen kann), was darauf hindeutet, dass die Konstrukteure etwas
umsichtig gewesen sind, um bei schnellen Leistungsentwicklungen noch eine
handgeschaltete Version hinzufügen zu können. Zwar beschleunigt der Rover auch
in Stufe 3 vollkommen ausreichend, aber eine etwas bessere Reaktion des
Getriebes wäre doch zu wünschen. Eine Verzögerung war auch zu spüren, wenn
beim Parken oft vom Vorwärts- in den Rückwärtsgang geschaltet wurde: auch
dann lässt die Automatik auf sich warten, was ein ungeduldiger Fahrer an einem
kräftigen Schaltstoß in der Kraftübertragung merkt. Der Testwagen hatte übrigens
(dadurch?) etwas Spiel zwischen Getriebe und Hinterachse, ein Mangel, den auch
andere Rover-Fahrer bestätigen können
Bremsen
Die rundum montierten
Scheibenbremsen sind hervorragend auf ihre Aufgabe ausgelegt, was die Verzögerungsleistung
betrifft, aber der schwere Wagen belastet sie bei mehrmaligem Betätigen doch
bis aufs Äusserste. Im – servounterstützten – Bremspedal ist davon nicht
viel zu merken, aber Scheiben und Material kriegen es bei schnell
aufeinanderfolgenden Bremsvorgängen schnell zu spüren, ein Zeichen dafür ist
die kräftige Rauchentwicklung unter den Kotflügeln, wenn der Wagen zum
wiederholten Mal kursstabil und sehr kurz zum Stillstand gekommen ist... Die
Charakteristik der Bremsanlage sollte etwas feinfühliger ausgelegt werden; vor
allem auf nasser Fahrbahn blockieren die Bremsen, bevor der Fahrer dies merkt.
Fahrverhalten
Eine hervorragende
De-Dion-Hinterachse ist größtenteils für eine zuverlässige Straßenlage auf
unterschiedlichen Straßenarten verantwortlich. Das Fahrverhalten neigt überraschend
stark zum „Neutralen", und mit Hilfe des erreichbaren Leistungsvermögens
ist der Rover ziemlich leicht in eine Übersteuertendenz zu bringen. Beim Wedeln
auf dem Schleuderkurs konnte man dies gut beobachten: bis hin zu hohen
Geschwindigkeiten benötigte der Wagen kaum Korrekturen, und wenn die Vorderräder
anfingen zu rutschen, war das Untersteuern mittels Gaspedal allmählich in ein
besser zu kontrollierendes Übersteuern zu bringen. Auf großer Fahrt sollte der
Rover übrigens etwas mehr Kursstabilität zeigen: vor allem bei hohen
Geschwindigkeiten und in langgezogenen Kurven ist das Fahrverhalten etwas
instabil. Dieser Eigenschaft folgend war der Wagen auch nicht unanfällig gegen
Seitenwind: während des Herbstwetters der vergangenen Wochen musste im offenen
Gelände oft recht schnell am großen Lenkrad gedreht werden.
Lenkung und Sitzposition
Ja, in der Tat, das Lenkrad –
mit seinem Holzkranz in diesem Wagen etwas unpassend sportlich – hat große
Abmessungen. Demgegenüber lässt es sich auch ohne Servounterstützung
bemerkenswert leicht bedienen. Auch im Stand oder beim Parken auf engem Raum
dreht das Lenkrad leicht in jede gewünschte Richtung. Die Übersetzung ist aber
mit 4 ½ Umdrehungen links/rechts ziemlich indirekt, aber besonders durch den
lobenswert kleinen Wendekreis von nicht mehr als 9 ½ Metern fällt das kaum
auf. Auch schnelle Manöver sind mit dieser Lenkung exakt und ohne große
Anstrengung durchzuführen; wirklich eine der besten nicht-servounterstützten
Lenkungen, die in dieser Klasse angeboten werden.
In den lederbezogenen, sehr gut
verstellbaren und sorgfältig ausgeformten Sitzen kann man eine hervorragende
Sitzposition einnehmen, vor allem, weil das Lenkrad individuell verstellbar ist.
Ausserdem ist ein Lob für die Sitzverstellung angebracht, die durch einen
breiten Hebel unter dem Vordersitz bedient wird und die stufenlose
Lehnenverstellung, deren großer Handgriff vorbildlich zu erreichen ist.
Fahr- und Sitzkomfort
Sowohl die Vorder- als auch die
Rücksitze sind ausreichend profiliert und gepolstert, so dass zum Sitzkomfort
an sich wenig gesagt werden kann. Es ist nur befremdend, dass die Vordersitze in
diesem doch ziemlich großen Viertürer ein Stück aus ihrer Idealposition nach
vorne geschoben werden müssen, um den Passagieren auf den Rücksitzen
ausreichend Beinraum zu gewähren. Etwas weniger dicke Rückenlehnen sollten
eine Lösung für dieses Problem sein, ohne dass der Komfort darunter ernsthaft
zu leiden hätte. Während der Fahrt kann festgestellt werden, dass der
Fahrtwind bei hohen Geschwindigkeiten zu großes Spiel in den Tür- und
Fensterdichtungen hat, wodurch eine Unterhaltung in diesem noblen Auto eine
ziemlich kräftige Stimme benötigt. Wiederum sind Abrollgeräusche kaum
wahrnehmbar. Einige Kritik, den Komfort betreffend, erfordern die Stoßdämpfer:
am Testwagen schienen die Exemplare an den Vorderrädern ihrer Aufgabe nicht
ganz gewachsen zu sein, so dass die Karosserie etwas zu viel unnötige
Seitenneigung und Tauchneigung zeigte.
Innenraum und Ausstattung
Der Rover 3500 V8 ist typisch
englisch und ausserdem sorgfältig ausgestattet und verarbeitet. Über die
Lederverkleidung wurde bereits gesprochen, das Armaturenbrett ist in einem
„beruhigenden" Schwarz gehalten, und die etwas eigenwillig anmutenden
Bedienungsknöpfe und -hebel sind geschickt und obendrein an guten Plätzen
montiert. Das Heizungs- und Lüftungssystem entspricht einer hohen Erwartung,
die Lösung, zwei Handschuhfächer unter dem Armaturenbrett anzubringen, ist
sehr zu begrüßen, eine Kartenleselampe vor dem Beifahrer wird sehr bewundert,
und das Layout der Anzeigen ist für einen englischen Wagen als bemerkenswert
funktionell zu bezeichnen.
Die Bewunderung reicht übrigens
weiter bis zur Scheibenwisch-/waschanlage, die durch einen Knopf bedient wird
und deren Intervallschalter von 0 bis 14 Sekunden einstellbar ist, derweil zum
Beispiel aparte Ausstellfenster für die Passagiere auf dem Rücksitz dem Wagen
einen passenden luxuriösen Akzent verleihen.
Sehr zu bedauern ist aber, dass
das Werk nach all den Jahren noch immer einen lebensgefährlich-verkleinernden
Innenrückspiegel montiert und dass das breite Reserverad dummerweise aufrecht
im Kofferraum steht, so dass für einen großen Koffer nicht viel Platz ist.
Kleine Schönheitsfehler sind zum Schluß noch die breiten vorderen
Scheibenrahmen, die die Sicht schräg zur Seite etwas behindern, die
Konstruktion und Anordnung der Aschenbecher, die eine Garantie für
Verschmutzung sind und die teilweise nachlässige Detailverarbeitung, die sich
in einem undichten Vorderfenster und einem abgerissenen Türgriff bemerkbar
macht.
Alles in allem verdient der
3500 V8 in diesem Zusammenhang doch eine gute Wertung: darum zum Schluss eine
ehrenvolle Bemerkung zu den kleinen Plastikhütchen auf den Stadtlichtern, die
den Fahrer darüber informieren, ob die Lampen wirklich brennen, und ein
lobendes Wort zur Bequemlichkeit und Übersichtlichkeit, wodurch dieser nicht
kleine Wagen in kleinen Parkbuchten zu rangieren ist.
Zusammenfassung
In
seiner Preisklasse ist dieser immer noch ziemlich exklusive 3500 V8 gegenüber
seinen Mitbewerbern konkurrierend plaziert, der Gegenwert an Auto, den man für
sein Geld bekommt, ist nicht gering. Dieser Rover bietet neben seinem
mechanischen Potential obendrein eine Menge an Annehmlichkeiten, die bei anderen
Marken gewöhnlich nicht zu finden sind, wodurch sich dieser Wagen deutlich von
seiner Umgebung unterscheidet. Das kann für eine Reihe von Automobilisten mit
Leib und Seele viel wert sein; mehr als die 23.000 Gulden, für die der 3500 V8 zu
kaufen ist.
0-100 km/h 10,6 Sek.
Höchstgeschwindigkeit 173 km/h
Verbrauch 8,0 bis 20,9 l/100 km
Auto Visie / Niederlande 47/1971
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