Das Testfahrzeug

 

Ungewöhnlicher Test eines P6 2000

Jeden Tag fuhr ein Testfahrer der Versuchsabteilung von Rover mit einem Rover 2000-Dauertestwagen durch die englische Landschaft. Dabei handelte es sich um einen Testwagen, mit dem in kürzest möglicher Zeit eine möglichst hohe Kilometerzahl erreicht werden sollte. Diese Art einer Prüfung auf öffentlichen Straßen simulierte den normalen Verschleiß, nimmt einen beträchtlichen Teil der Arbeit der Abteilung ein und ist die Basis für die Suche nach Schwachpunkten im Design. Praxisnah wird der Innenraum mit Sandsäcken beladen (um das Gewicht von 3 Passagieren zu simulieren), ebenso der Kofferraum (Gepäck von 4 Personen).

Das Arbeitspensum des Testfahrers beeinhaltete auch weitere Fahrten auf dem MIRA (Motor Institute Research Association)-Testgelände und weil dies länger dauerte als seine normale Dienstzeit, fuhr er mit dem Testwagen geradewegs nach Hause, was ihm durchaus erlaubt war.

Es scheint jedoch so, dass er – selbst nach einer ganztäglichen Fahrt im 2000 – noch genug Energie hatte. Nach einer Mahlzeit holte er einen Freund ab und zusammen starteten sie zu einem Trip durch die Landschaft, wobei dieses Vorgehen nicht unbedingt mit seiner Arbeitsplatzbeschreibung übereinstimmte.

Spätere Ereignisse machen es schwierig, den wahren Grund für diese letzte Fahrt zu finden, vielleicht sah er in seinem Freund einen zukünftigen Käufer eines der Rover-Fahrzeuge, vielleicht wollten sie irgendwo hinfahren, um spazieren zu gehen.

Wie auch immer, um 22.05 Uhr an einem angenehmen Juni-Abend sah man sie sich der kleinen Stadt Redditch nähern, die einige Meilen westlich von Birmingham liegt. Sie fuhren auf einer gut befestigten, wenn auch schmalen Straße. Der Fahrer war mit der Straße vertraut und so ist die Tatsache überraschend, dass er eine schmale bucklige Brücke vergessen hatte, ähnlich einer Sprungschanze, die geradewegs über einen örtlichen Kanal führte.

Später schätzte unser Testfahrer seine Geschwindigkeit an diesem Punkt auf 80 km/h, aber da eine geeignete Messausrüstung nicht an Bord war, wird vermutet, dass er sich in aller Bescheidenheit geirrt hat und die Geschwindigkeit vermutlich doppelt so hoch war wie angenommen. Mag sein, dass er – trotz seiner zweifelsfreien Erfahrung als Testfahrer – durch die hervorragenden Fahreigenschaften des 2000 getäuscht wurde und dies zu seiner Fehleinschätzung beitrug.

Wie dem auch sei, als das Auto die Brücke emporfuhr, stieg es auf und berührte den Boden erst wieder nach ca. 50 Metern. Es überraschte nicht, dass dieses Manöver mit einem Verlust der Richtungsstabilität einher ging, eine Situation, die durch das ausgeprägte Absinken der Frontpartie während des Fluges nicht verbessert wurde.

Die Landung muss ein wenig heikel gewesen sein, weil sie einige Reifenspuren in Spurbreite des Auto auf der Straße hinterließ und außerdem eine eindeutige Markierung, die besagte, dass ein Reifen offenbar so zusammengepresst wurde, dass die Radkappe Kontakt zur Straße hatte.

Ein paar Meter weiter wurden die Kontrollprobleme durch die Tatsache erhöht, dass das linke Vorderrad in ein kurzes tiefes Abflussloch am Rand der Straße geriet.

Es ist schwierig zu sagen, wie weit unser Testfahrer das Auto zu diesem Zeitpunkt unter Kontrolle hatte, aber die Reifenspuren zeigen, dass der Wagen einen abrupten Richtungswechsel zur gegenüber liegenden Straßenseite machte und wieder zurück (gesamte Strecke: ca. 100 Meter), wo er an einem relativ hoch stehenden Pfosten an der Ecke zu einer Garageneinfahrt anschlug und diesen zerstörte. Diese Stelle der Straße wurde auch durch einen fest stehenden Pfosten zur Markierung einer öffentlichen Bushaltestelle sowie einer dort wartenden Frau blockiert.

Glücklicherweise wurden beide umfahren, obwohl die Enge des Seitenraumes durch die Tatsache verdeutlicht wird, dass die Frau - die Absichten des sich nähernden und sich von einem Bus unterscheidenden Fahrzeuges erkennend - Schutz im Straßengraben hinter ihr suchte. Die Zeugenaussage, die sie später dem Gericht gab, kann man am besten damit beschreiben, dass erst zwei Wochen vergingen, bevor sie wieder ein Wort sprechen konnte, obwohl sie ziemlich unverletzt war.

Ca. 30 Meter weiter traf unser 2000 – noch intakt und mit zwei sehr verängstigten, aber noch für den Augenblick hoffenden Insassen – einen hölzernen Pfosten. Dieses Mal gab es jedoch keinen Seitenraum und der Pfosten wurde von der linken hinteren Seite des Fahrzeugs aus dem Boden heraus gerissen und flog ca. 18 Meter weit in ein anliegendes Feld.

Auf die Straße zurück schleudernd, fuhr das Auto weitere 20 Meter, bevor es auf ein kräftigeres Objekt traf – einen Baum.

Wieder passierte der Zusammenstoß auf der linken Seite, dieses Mal genau vor der Hinterachse, die Karosserie wurde tief eingedrückt und beide Türen weggerissen Dieses war das erste Mal, dass das Auto Teile verloren hatte. Es überschlug sich mehrmals und dabei löste sich die komplette linke Vorderradaufhängung.

Kurz danach kam es zum Stehen, auf dem Dach mitten auf der Straße, nach einer Strecke von ca. 230 Metern nach dem „Take off“ an der Brücke.

Der Testfahrer und sein einstiger Freund blieben an ihren Plätzen bis zum Schluß. Doch schafften sie es herauszuwanken, durchgerüttelt aber unversehrt. Sie bemerkten, dass sie für ihre Landung zufällig genau das Straßenstück direkt vor der Polizeistation von Redditch gewählt hatten. So wurde so wenig Zeit wie möglich bei der Protokollierung dieses ausserplanmäßigen, wenn nicht gar spektakulären Tests vergeudet.

Der Testfahrer ist immer noch ein geschätzter Angesteller der Rover Car Company, allerdings ist er von der Versuchs- zur Kontrollabteilung versetzt worden.

USA (1966)

- frei übersetzt -

 

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