Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage...

British Leyland 1979

Einigkeit macht stark. Nach diesem Motto schlossen sich im Jahr 1952 sechs traditionsreiche englische Automobilfirmen zur British Motor Corporation (BMC) zusammen: Wolseley, Riley, Morris, MG, Austin und Vanden Plas. Acht Jahre später gesellten sich Jaguar, Daimler und Lanchester hinzu, und der mittlerweile sehr voluminöse Verein wurde in British Motor Holding (BMH) umgetauft. Dieser Krake griff sich dann 1968 nochmals vier weitere Firmen: Rover, Alvis, Standard und Triumph. Der nahezu unüberschaubar gewordene Konzern nannte sich fortan British Leyland Motor Corporation (BLMC)

Aber viele Köche verderben nun einmal den Brei. Das bekam auch die BLMC zu spüren. Ständige Streiks in den einzelnen Fabriken und der permanente Abstieg des englischen Pfundes brachten das aufgeblähte Unternehmen an den Rand des Ruins. Fast schon zu spät entschloss sich der Staat zum Eingreifen. Er kaufte 1975 die todkranke BLMC auf, schloss die Werkstore von fünf unrentablen Herstellern für immer und fasste die verbliebenen Firmen unter der Bezeichnung Leyland Cars zusammen. Als neues Emblem wählte man ein Turbinensymbol, in dessen Mitte ein großes L prangte. Dieses Zeichen sollte nach dem Willen der Leyland-Manager zu einem festen Begriff für die Produkte der Firma werden.

Nach drei Jahren hatte sich das neue Firmenzeichen mehr schlecht als recht durchgesetzt. Dem Konzern selbst ging es dagegen weiterhin miserabel. Denn in nur sechs Jahren (von 1972 bis 1978) verringerte sich die Jahresproduktion um fast 300.000 Einheiten.

Die Leyland-Manager starteten Anfang ´78 einen weiteren Rettungsversuch. Sie fassten die einigermaßen rentablen Werke in der Jaguar Rover Triumph Ltd. zusammen. Deren Produkte tragen seitdem die Bezeichnung „Specialist Cars“ (Luxus- und Spezialfahrzeuge). Die restlichen Marken - Volume Cars (Großserienfahrzeuge) genannt - wurden der Austin Morris Ltd. einverleibt. Dass dieser Schritt richtig war, beweisen die 78er-Verkaufszahlen der Leyland Deutschland GmbH: Sie erwirtschaftete zwar ein kleines Umsatzplus gegenüber dem Vorjahr, verkaufte aber acht Prozent weniger Fahrzeuge. Schuld daran sind die Volume Cars. Der Absatz des Mini ging um fast 40 und der des Allegro um 56 Prozent zurück. Die rühmliche Ausnahme bildet im Volume Car-Bereich nur der Italo-Engländer Innocenti. Der machte nämlich ein Plus von 51 Prozent!

Erfreulicher sieht es dagegen bei den Specialist Cars aus: Spitzenreiter ist der Rover 3500. Er verzeichnete 1978 eine Steigerung der Zulassungen von 93 Prozent. Auch der Range Rover erfreut sich wachsender Beliebtheit; plus 32 Prozent. Die edlen Jaguar buchten ebenfalls einen Zuwachs von fast 14 Prozent. Der Trend geht also eindeutig zu den luxuriösen Limousinen und den Spezialfahrzeugen. Denn lag das Verhältnis Volume Cars zu Specialist Cars 1977 noch bei 2:1, so stand es 1978 schon 1:1. Der Leyland-Konzern beginnt nun, aus diesem Trend die Konsequenzen zu ziehen. Er forciert die Investitionen für die Jaguar Rover Triumph Ltd. und strafft das Austin-Morris-Programm immer mehr. So wird der neue Jaguar der Serie III schon im Herbst auf den hiesigen Markt kommen, der Mini-Nachfolger dagegen erst 1981. Auf Dauer gesehen werden bei Austin-Morris wohl nur die Minis überleben. Ob der inzwischen wieder einmal umgetaufte englische Konzern - BL Limited statt Leyland Cars - durch diesen Schrumpfungsprozess gesunden wird, das steht in den Sternen. Denn die streikfreudigen Arbeiter werden da ein gewichtiges Wort mitreden.

Über diese Probleme und die künftige Modellpolitik sprach AUTO ZEITUNG mit dem neuen Leyland-Manager Michael Edwardes (48).

Wo liegen die Gründe für die schlechte Beschäftigungslage in der englischen Autoindustrie?

„Die Gewerkschaften sind nicht stark genug. im Namen ihrer Mitglieder vereinbarte Abkommen auch einzuhalten. Wenn die Gewerkschaften keine Mittel zur Durchsetzung der mit uns geschlossenen Abkommen finden, dann wird es mit der Automobilindustrie in England bergab gehen. Bis sie nicht mehr existiert.“

Gibt es eine Kur für die jetzige Misere?

„Ja. Wenn die Gewerkschaften auf die Forderungen ihrer eher militanten Mitglieder nicht eingehen, sondern selbst die Führung übernehmen - dann wird die Automobilindustrie blühen und British Leyland überleben.“

Leyland-Fahrzeuge eilt der Ruf schlechter Qualität voraus. Das betrifft nicht so sehr die Technik als vielmehr die Verarbeitung und Fertigung.

„Unsere Verbesserungen auf diesem Gebiet waren im Jahre ´78 enorm. Qualität ist eine wichtige Priorität. Sie ist unsere größte Chance gegenüber Japan. Japanische Autos sind langweilig, aber von hoher Qualität. Wenn wir bessere Qualität anbieten, werden wir gewinnen.“

Es gibt wahrscheinlich für Jaguar Rover Triumph Ltd. eine Zukunft. Was aber geschieht mit Austin-Morris?

„Ich bin in bezug auf Austin-Morris optimistisch. Im September ´78 hatte diese Firmengruppe hierzulande noch einen Marktanteil von fast 20 Prozent. Unser Mighty (mächtiger) Mini wird eines der besten Automobile sein, die je produziert wurden. Und unser LC-10-Projekt ist genau das, was wir in der Mittelklasse brauchen.“

Wird es den Ur-Mini weiter geben?

„Natürlich. Solange es eine Nachfrage gibt. Und die scheint beim Mini nicht nachzulassen. Der Mighty Mini wird auf die Verkaufszahlen des jetzigen Mini keinen Einfluss haben, sondern auf die der Konkurrenten. Der Mini ist eine Art Weltanschauung. Wir müssen ihn nur leiser machen und die Radaufhängung verbessern. Die Austin-Morris-Baureihe hat Zukunft, wenn wir ein wenig phantasievoll sind. Unsere Automobile sind heute kaum noch bemerkenswert. Deshalb werden wir künftig nur noch bemerkenswerte Fahrzeuge bauen.“

Bei einer Produktionszahl von rund 800.000 Autos im Jahr sind Sie, weltweit gesehen, heute ein kleiner Hersteller, der sehr isoliert zu sein scheint. Suchen Sie nach Partnern?

„Ja, das tun wir. BL ist eine der wenigen Firmen, die keine Bande zu anderen geknüpft haben. Das war ein schwerer Fehler. Mittlerweile existiert zwischen allen wichtigen Firmen der Welt ein regelrechtes Spinngewebe. BL gehört nicht dazu. 

Was hat Ihnen in Ihrem ersten Leyland-Jahr nicht gefallen?

„Dass die 99 Prozent der Belegschaft, die arbeiten wollen, immer noch keinen Weg gefunden haben, das eine Prozent zu neutralisieren, das uns paralysieren will!“

„Auto-Zeitung“ 6/1979

 

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