Rover 3500 S
Für den feinen Herrn eine
Erholung
Ein Genuss. Leise, sanft, knapp
in den Abmessungen, kleiner Drehkreis, leicht zu parken, bestes und angenehmstes
Reisetempo bei 140 bis 160 km/h, ein innen und außen sicheres
„Clubsessel-Auto" mit erstklassigen Bremsen (vier Scheiben), guter
Lenkung mit verstellbarem Lenkrad (Servolenkung Aufpreis 850 Mark), viel
Ablageplatz, große, gegen die Knie der vorn Sitzenden abgepolsterte Taschen
unter den vornehm wirkenden Armaturen.
Der Typ S hat im Gegensatz zum
normalen 3500 ein Schaltgetriebe, das, typisch englisch, etwas hakelig ist und
vom Fahrer beim Schalten winzige Pausen verlangt.
Der kalte Motor muß mit Choke
gefahren werden. Ein nach einiger Zeit aufleuchtendes Warnlicht erinnert, dass
der Choke nun zurückgeschoben werden darf. Vorn und hinten gibt es kleine
Dreieckausstellfenster, die Windrauschen verursachen können. An heißen Tagen hätten
wir uns noch bessere Belüftungsmöglichkeit gewünscht, zumal Motor und
Getriebe trotz dicker Teppichisolierung nach innen heizen.
Die Getriebesynchronisation für
den Rückwärtsgang war nicht sauber genug. Bei sehr schneller Fahrt vibrierte
die Motorhaube. Tankwarte klagten über „spuckenden" Tankeinfüllstutzen.
Mancher Fahrer wird sich an das Drei-Schlüssel-System nur ungern gewöhnen. Am
geprüften Auto sprangen die Blinker nach nur mittlerem Lenkradeinschlag häufig
nicht zurück.
Im Rover gibt es noch einen
Reservehahn, fast ein Relikt aus guter alter Autozeit.
Ähnlich wie beim Jaguar drängt
sich beim Rover-Fahren der Vergleich zu einer auf leisen Pfoten sprungbereit
pirschenden Wildkatze auf. Kraft aus dem Motor (145 PS beim Schaltgetriebe, 140
PS mit Borg-Warner-Automatik) ist reichlich vorhanden. Blitzschnell kann man
sich, ohne schalten zu müssen, aus der Meute der anderen Fahrzeuge lösen und
davonsprinten zum Überholen.
In elf Sekunden fährt man 100
km/h schnell. Die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 190 bis 195 km/h.
Verbraucht wurden bei unseren Testfahrten zwischen 12 und 15 Liter Super. Die
Straßenlage des Rover 3500 S ist untadelig, wenn man keinen harten
Sportwagen verlangt. Hinten gibt es eine gepflegt geführte De-Dion-Achse, die
die Vorteile der geteilten und der starren Achse miteinander verbindet. In hart
gefahrenen Kurven ist der Rover - gewollt - etwas weich, die Seitenneigung ist
bemerkenswert.
Der Rover (den es auch als
Vierzylinder 2000 TC mit Zwei-Liter-Motor und 98 PS gibt) strahlt auf seinen
Fahrer und auf die Mitfahrer etwas von britischer Gelassenheit aus. Er ist, im
besten Sinne, ein Leisetreter, einer, der niemals plump poltert.
Zwei Nachteile seien nicht
verschwiegen: innen auf den hinteren Ledersesseln nicht viel Beinraum, wenn vorn
Menschen mit teutonischen Maßen sitzen. Relativ kleiner Gepäckraum, in dem das
Reserverad (das man auf der Kofferraumhaube fahren kann) eine beherrschende
Rolle spielt.
Wer
es nicht wissen sollte: Einem Rover-Auto fordert der feine Herr nur selten volle
Leistung ab. Damit der Sohn das Auto erben kann... (sagt man in merry old
England).
DIE WELT / Deutschland 27.10.1972
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