Rover V8 - Motor (seziert)

Einer für Alle 

Anfang der Sechziger machten sich die Rover-Verantwortlichen vermehrt Gedanken über die Nachfolge ihres reichlich vorgestrigen und bleischweren ioe-Sechszylinders. Eine eigene Neuentwicklung würde viel Geld und Zeit kosten, das war allen Beteiligten klar - ebenso wie die Tatsache, dass man eigentlich viel zu spät dran war... Und dann stolperte einer der Manager bei einem USA-Besuch buchstäblich über ein Exemplar des bei General Motors ausgemusterten Buick-215-V8. Das könnte passen, befand er, und zwar nicht nur in den Motorraum des angejahrten "großen" P5, sondern auch in den moderneren, kleineren P6...

Tatsächlich ist die Kompaktheit des Triebwerks auch heute, rund 50 Jahre später, das erste, was ins Auge sticht. Und leicht ist es: Zwei Mann, zwei Ecken, und das 3,5-Liter-Alu-Aggregat lässt sich ohne übermenschliche Anstrengungen fürs Aufmacherfoto auf den weißen Hintergrund-Karton hieven. Dieselbe Aktion mit einem gusseisernen MGB-Motor praktisch halben Hubraums wäre anstrengender geraten! Kein Wunder, dass es sich dieses Triebwerk jahrzehntelang in Motorräumen gemütlich machte, in denen ursprünglich Vierzylinder zu Hause waren.

Eigentlich ein biederer ohv-V8

Maße, Material, Gewicht - wer diese erstaunlichen Merkmale des Triebwerks ausblendet, steht vor einem beinahe bieder konstruierten V8 mit zentraler untenliegender Nockenwelle samt Stößelstangen-Ventiltrieb und einer Literleistung von ursprünglich weniger als 40 PS. Auf bis zu 4,6 Liter Hubraum wuchs der Motor im Lauf seiner Karriere. Das Aggregat, an dem wir heute Hand anlegen, stammt allerdings aus einem Schweizer Ur-Range Rover, hat die ursprünglichen 3500 Kubik und war bislang wohl unberührt. Die Laufleistung des V8 taxiert man angesichts des Verschleißbildes auf weniger als 150.000 Kilometer - des Zustands der Nockenwelle wegen, aber dazu später mehr.

 

Der Kurbeltrieb...

...des Leichtmetallmotors ist V8-typisch fünffach gelagert, das Axialspiel der Welle wird über das mittlere Hauptlager mit seinen seitlichen Anlaufflächen ausdistanziert. Sowohl die Flächen der Haupt- wie auch die der Pleuellagerschalen sind nicht übermäßig üppig geraten und insbesondere die Hauptlagerschalen unseres Beispielmotors zeigen ein klares Verschleißbild. Die Schalen in den eingeschraubten Lagerböcken sind bei der Abwärtsbewegung der Kolben durch den Verbrennungsdruck deutlich höher belastet. Die äußerste Schicht der Dreistofflager ist hier fast verschwunden! Die in den Aufnahmen im Gehäuse eingelegten Halbschalen präsentieren sich dagegen deutlich besser. Trotz dieses Bilds präsentiert sich die Welle (auch an ihren Hubzapfen) völlig intakt - nach Erklärung von Velar-Geschäftsführer Gerhard Bergler keine Ausnahme: "Es gibt Haupt- und Pleuellager in mehreren Untermaßen. Zumindest nach unserer Erfahrung muss aber kaum mal eine Welle geschliffen werden. Meistens ist es mit einem Läppen der Zapfen und neuen Lagern im Originalmaß getan. Dass die Welle selbst kaum Schaden nimmt, liegt wohl daran, dass die Motoren aus anderen Gründen beizeiten geöffnet werden müssen und dabei die Lagerschalen gleich mit getauscht werden."

 

Das Motorgehäuse...

... ist, wie bereits gesagt, komplett aus Alu gefertigt. Die Kolben laufen in recht dünnwandigen Stahlbuchsen - und zwar ab Werk mit einem sehr geringen Laufspiel von nur gut zwei Hunderstel. Zwischen den beiden Zylinderreihen ist der Block nicht etwa geschlossen, sondern weist eine ganze Reihe von Durchbrüchen auf. Die Abdichtung übernimmt hier eine große "Plattendichtung", die vorn und hinten durch kleine Schienen und an den Längsseiten durch die Verschraubung der Ansaugspinne geklemmt wird. Das verschraubte Steuergehäuse vorn am Block ist (wie auch die Köpfe) ebenfalls aus Leichtmetall gegossen und hat sich im Lauf der V8-Bauzeit deutlich verändert, um unterschiedlich gestaltete und angetriebene Ölpumpen aufzunehmen. Insgesamt gilt für den gesamten Motorblock, dass er über die ewig lange Bauzeit hinweg in diversen Punkten weiterentwickelt wurde. Zusätzliche Verstärkungen machten ihn steifer. Bei späten Varianten waren schließlich die Lagerbrücken der Hauptlager nicht mehr nur von unten in den Block geschraubt, sondern zusätzlich noch von beiden Seiten aus durch eingeschraubte Bolzen fixiert, was das Gehäuse weiter versteifte - die Rover V8-Gemeinde spricht hier von den "Crossbolted-Motoren".

 

Die Weiterentwicklung der Motorgehäuse bedeutet nicht etwa, dass sie im Lauf der Jahre geradezu unverwüstlich geworden wären, im Gegenteil! Ein häufiges Problem der Motoren mit Einspritzung und größerem Hubraum sind gerissene Laufbuchsen und Risse in den Aufnahmen der Buchsen im Block selbst - aufgrund hoher thermischer Belastung und nur mittelmäßiger Gussqualität. Die hohen Temperaturen gehen auch auf eine aus Verbrauchsgründen vor allem im Teillastbereich sehr mager programmierten Einspritzung zurück.

 

Problemzone Ventiltrieb

Eine kurze Steuerkette treibt die zentrale Nockenwelle an, die nach Erfahrung von Bergler und Söllner als erstes Teil des Motors verschleißt. Ab Werk war sie ursprünglich aus viel zu weichem Guss gefertigt und nur unzureichend oberflächengehärtet. Unsere Experten haben bereits Wellen gesehen, an denen einzelne Nocken bis auf den Grundkreis abgeschliffen waren!

 

Im Fall unseres Schweizer Motors ist die Härtschicht der Nockenwelle praktisch abgelaufen und massives Pitting sichtbar, was wiederum Auswirkungen auf die Laufflächen der Hydrostößel hat - ein sich gegenseitig verstärkendes Problem.

 

Zwar war die Nockenwellen-Qualität bei späteren Motoren besser, doch auch hier gilt, dass die Wellen nach etwa 200.000 Kilometern Austauschkandidaten sind. Außerdem brechen hier die Kipphebelwellen schon mal - ein beim 3,5er Motor praktisch unbekanntes Thema. Die Nockenwelle dreht sich nicht direkt im Block, sondern ist fünffach in Lagerbuchsen gleitgelagert. Insbesondere das vordere, dem Nockenwellenzahnrad am nächsten gelegene Lager unterliegt einem gewissen Verschleiß. Und, der Vollständigkeit halber: Die Steuerkettenzahnräder sind nicht für die Ewigkeit gebaut, ebensowenig wie der Antrieb von Verteiler und Ölpumpe, der hier "abzweigt". Aber es gibt auch gute Nachrichten von "ganz weit oben". Die Ventile selbst und auch ihre Führungen sind ausgesprochen robust. Auch die Köpfe selbst nehmen kaum einmal Schaden, an gerissene Exemplare können sich unsere Experten praktisch nicht erinnern.

 

Augenfällig ist, dass die Durchmesser der Ventile relativ klein gewählt sind, und tatsächlich verbergen sich hier große Leistungsreserven, weiß Gerhard Bergler: "Der V8 hat einen fantastischen Drehmomentverlauf, gemessen an seinem Hubraum aber recht wenig Leistung. Wenn man hier spürbar nachbessern will, kommt man an größeren Ventilen und optimierten Kanälen nicht vorbei. Erst anschließend sind Änderungen bei Vergaseranlage und Nockenwelle wirklich zielführend. Deutlich über 200 PS sind mit überschaubarem Aufwand zu erzielen. Selbst ein 4,6-Liter-MGB ist realisierbar, eben weil der Rover V8 so herrlich kompakt und leicht ist, das ist nun mal sein größter Trumpf. Und glauben Sie mir: In einer solchen Konfiguration wird die Sache richtig unterhaltsam."

Deutschland 2015

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