Rover 2000 TC

Spitzenfahrzeug seiner Klasse 

Es gibt Autos, die nicht unbedingt als besonders „sportlich“ zu bezeichnen sind und deren Leistungen nicht besonderes Aufsehen erregen, die aber von den oft zitierten „Leuten vom Bau“ – Rennfahrern, Journalisten, Konstrukteuren usw. – privat besonders gern gefahren werden und in diesem Kreis als ein Optimum dessen betrachtet werden, das in einer bestimmten Wagenklasse erhältlich ist. Zu diesen Autos zählt zweifellos der Rover 2000 TC, ein Grund, uns mit diesem Reisewagen der gehobenen Mittelklasse zu befassen.

Um es gleich vorweg zu nehmen: die „Leute vom Bau“ haben sich nicht getäuscht (sofern wir überhaupt in der Lage sind, den Beweggründen und Gedankengängen dieser automobilweltlichen Elite zu folgen). Die Eindrücke, die wir mit einem von der Schweizer Generalvertretung zur Verfügung gestellten Rover 2000 TC sammelten, waren im wahrsten Sinne des Wortes „eindrücklich“ und zeigen, dass den Technikern von Solihull auf weiten Strecken die Ausführung des Vorhabens gelang, in der mittleren bis höheren Preisklasse einen aussergewöhnlichen Serienwagen zu schaffen, der in punkto Fahreigenschaften, Fahrkomfort und Fahrsicherheit wegweisend ist und all jenen ein Optimum bietet, die schnell, sicher und entspannt durch die Gegend kommen möchten. Da wir andererseits ja nie ganz genug haben und das vollkommene Auto noch nicht gebaut wurde, hat der 2000 TC für den sportlichen Fahrer insofern auch seinen Nachteil, als das hohe Eigengewicht und die begrenzte Motorleistung die schlechthin hervorragenden Fahreigenschaften nicht völlig zur Geltung kommen lassen und bei schneller Fahrt „drehzahlbewusstes“ Pilotieren im Idealbereich des Motors voraussetzen. Doch der Schönheitsfehler ist nicht gravierend – der 2000 TC hat im Feld schnellerer Reiselimousinen einen neuen Standard festgesetzt!

Die Konstruktion des „neuen“ Rover ist seit seiner Einführung im Herbst 1963 bekannt und Grundlegendes wurde an der vor einem Jahr erschienenen Version 2000 TC (twin carburettor) nicht geändert. Die viertürige und zurückhaltend elegante, halbselbsttragende Karosserie wurde zu einem Vorbild ruhiger, unaufdringlicher Linienführung. Zusammen mit Daimler-Benz und Volvo zählt Rover zu den Vorkämpfern auf dem Gebiet erhöhter Karosseriesicherheit, was im steifen Mittelteil und der verformbaren Front- und Heckpartie zum Ausdruck kommt.

Auf eine andere Art der Sicherheit, nämlich auf optimales Fahrverhalten, ist die Aufhängung ausgerichtet. Sie ist in jeder Hinsicht durchdacht, man strebte bei ihrer Konstruktion ohne Rücksicht auf den Aufwand ein Maximum an Effekt an. Vorne finden wir untere Querlenker und Streben und nach oben verlängerte Achsschenkel („uprights“), die über Winkel mit den horizontal liegenden Schraubenfedern verbunden sind, dazu Teleskopstoßdämpfer und einen Stabilisator.

Die Hinterachse ist nach dem System De Dion aufgebaut, wobei das zusammenschiebbare Achsrohr die ausgleichende Funktion sonstiger Halbachs-Schiebemuffen oder –Gummigelenke übernimmt. Längsstreben, Wattgestänge und Panhardstab vervollkommnen das Konzept und – wie vorn – werden Schraubenfedern und Teleskopstoßdämpfer verwendet. Die Halbachsen verfügen natürlich über Doppelgelenke. Alle vier Räder werden mit Dunlop-Scheibenbremsen bestrichen. Um neben diesem aufwändigen Fahrwerk ein weiteres zur Erzielung wirklich optimaler Fahreigenschaften zu tun, bereift Rover den 2000 TC ausschließlich mit dem Pirelli Cinturato. Diese Reifen waren auch auf dem Testwagen montiert und bewährten sich vollauf.

Bei einem fahrbereiten Gewicht von gegen 1300 Kilo nehmen sich die 110 DIN-PS natürlich nicht besonders sensationell aus, die der fünffach gelagerte Vierzylinder-Motor bei 5500 U/min abgibt. Immerhin beträgt die Leistungssteigerung des in TC-Version mit zwei großen SU-Vergasern vom Typ HD8 bestückten und mit im Kolbenboden eingelassenem Verbrennungsraum versehenen Triebwerks 19 PS. Das Leistungsgewicht senkt sich mithin von rund 13 auf rund 11,5 kg/PS. Das mit einem extrem kurzen Mittelstock geschaltete Vierganggetriebe ist im direkten Gang auf extrem schnelle Autobahnfahrt ausgelegt und somit recht lang übersetzt. Schade eigentlich, denn bei einem 17.000 Franken-Auto wünschte man sich zu diesem Zweck gerne einen Overdrive oder noch besser einen echten fünften Gang, was eine bessere Anpassung der unteren Gänge ermöglichen würde.

Die Innenausstattung konnte unverändert vom Typ 2000 übernommen werden und erfüllt fast alle Wünsche. Sie ist gepflegt und man sieht ihr das Bestreben nach „innerer Sicherheit“ ebenso an wie die Liebe zum Detail, die sich in zweifach verstellbarem Lenkrad, stufenlos verstellbaren Sitzlehnen und feiner Lederauflage der Sitze ausdrückt. Fahrer und Beifahrer sitzen wie Könige und fühlen sich auch nach langer Fahrt hervorragend, während die Fondpassagiere ihre Beine etwas anziehen müssen, wenn vorn lange Gestalten und Leute sitzen, die mit ausgestreckten Armen lenken wollen.

Die Instrumentierung erfährt beim TC eine Vervollständigung durch die Montage eines Drehzahlmessers. Die Anordnung und Ausführung der Bedienungshebel ist gut und übersichtlich. Als besondere Draufgabe besitzt die Heckscheibe elektrische Heizdrähte, eine Einrichtung, die wir während der kalten Dezembertage zu schätzen wussten. Der Kofferraum ist nicht riesig, wohl aber recht tief und dürfte in den meisten Fällen genügen.

Unsere Fahrten vollzogen sich im strengsten Hochwinter auf trockener, nasser, vereister und verschneiter Bahn. Wir fanden also jene Verhältnisse vor, bei denen sich die Fahrer sportlicher Wagen zu ihrem Leidwesen in der Regel am wenigsten auf ihre Untersätze verlassen können. Ohne jetzt von den Fahreigenschaften zu sprechen, auf die wir später zurückkommen, muss hier gesagt werden, dass der 2000 TC seine Vorteile unter diesen Umständen besonders augenfällig offenbarte – Heizung und Defroster vorzüglich, kein Ärger mit Anlasser und Batterie.

Am Lenkrad ist man bald einmal zuhause und hat den Wagen im Griff. Hoher Sitz- und Lenkkomfort lassen einen auch auf längeren Strecken kaum ermüden, während der ultrakurze Schaltstock schon eher eine Spielerei ist und ausserdem – vor allem, wenn man mit halbwegs gestreckten Armen fahren will – etwas zu weit vorn plaziert wurde. Das Lenkrad ist dafür vielleicht etwas groß geraten, ausserdem muss mit über 3 ½ Umdrehungen ziemlich intensiv gekurbelt werden. Vordere Achslast und Lenkkonstruktion haben hier wohl Grenzen gesetzt.

Das frontlastige Layout und die Konzeption der Aufhängung machen den 2000 TC zum leichten Untersteurer. Das Überraschende am Untersteuerungseffekt des Wagens ist aber, dass er jene einmalige Vollkommenheit besitzt, die man sonst nur an gut abgestimmten Rennfahrzeugen findet. Optimale Bodenhaftung und leichte Untersteuerungstendenz machen den 2000 TC zu einem der fahrsichersten Wagen, die wir überhaupt kennen und dieser Hinweis gilt ohne Einschränkung bei allen Verhältnissen: trockene Straße, guter und schlechter Belag, Regen, Glatteis, Schnee. Der 2000 TC zählt zu den wenigen Fahrzeugen, die selbst krasse Fahrfehler verzeigen – harte Bremsungen in Kurven, die man zu schnell anfuhr, unbeherrschte Lenkkorrekturen und Kurven-Übergeschwindigkeit, die sonst mit Sicherheit zum Geländeausflug führt. Die Vierrad-Scheibenbremse steht den Kurveneigenschaften nicht nach und arbeitet auch bei harter Beanspruchung spurtreu und zuverlässig. Die relativ weiche Federung ergänzt dieses Konzert vorzüglicher Fahrgestellleistungen, sie wirkt keineswegs „schwammig“ und bietet aussergewöhnlichen Komfort.

Wir gingen während unseres Tests so weit, uns über gefährliche Witterungs- und Straßenverhältnisse geradezu zu freuen, denn die Schnitte, die sich mit dem 2000 TC unter diesen Umständen auf kurvenreichen und schwierigen Strecken bei Wahrung einer hohen Sicherheitsmarge und wirklich unbeschwertem Fahrgefühl erzielen ließen, machten Spaß.

Das eher hohe Eigengewicht bildet in Verbindung mit dem Zweilitermotor für den 2000 TC ein Handicap – zumindest wenn der sportliche Fahrer den naheliegenden Vergleich zu Konkurrenzprodukten zieht. In den Beschleunigungsmessungen liegt der 2000 TC durchwegs etwas ungünstiger als die preisgünstigeren BMW und Alfa. Wir maßen:

0 bis   80 km/h    8,9 Sekunden

0 bis 100 km/h  13,4 Sekunden

0 bis 120 km/h  20,1 Sekunden

0 bis 160 km/h  42,0 Sekunden

stehender km    34,8 Sekunden

Höchstgeschwindigkeit (Mittel) 172 km/h

Dabei wurden die Gänge jeweils bis gegen 6000 U/min ausgedreht, wobei sich zeigte, dass die Maschine bei über 5000 U/min recht laut wird – zu laut für einen sonst bewundernswert geräuschlosen und vorzüglich schallisolierten Wagen. Will man motorisch nun das halten, was das hochentwickelte Fahrwerk verspricht, so sollte die Nadel des Drehzahlmessers nicht unter 4000 U/min fallen. Das bedingt sehr häufiges Schalten und einige Unempfindlichkeit für das Dröhnen, das den Komfort eben doch herabmindert. Dies kommt besonders bei konstant hohen Autobahngeschwindigkeiten zum Ausdruck, die der Wagen mühelos schafft und durchsteht und in denen er den oben erwähnten Konkurrenten kaum nachsteht. Ein Fünfganggetriebe mit entsprechend reduzierter Autobahndrehzahl und ein etwas flacherer Drehmomentverlauf könnten hier Abhilfe schaffen – noch eher aber ein auf 2500 ccm vergrößerter Motor, der dem 2000 TC wohl das letzte Tüpfchen auf dem i geben würde.

Bei schneller Fahrweise steigt natürlich auch der Durst der großen SU-Vergaser. Wir verbrauchten bei gedrosselter Fahrt rund 12, bei schneller Fahrweise aber um die 16 Liter. Die Abstufungen der einzelnen Gänge, die man in Kurven und bei Steigungen häufiger durchschaltet als bei anderen Wagen, liegen übrigens recht gut: rund 50 km/h für den ersten, 85 für den zweiten und gut 130 km/h für den dritten Gang.

Fahreigenschaften, Komfort, Sicherheit wiegen die nicht ganz befriedigende Motorisierung des 2000 TC auf, die ja ohnehin nur notorisch schnelle Leute als solche empfinden. Und im übrigen lassen sich für Unentwegte dem Motor ohne viele Probleme beim Friseur noch einige PS entlocken, die diese robuste und autobahnfeste Mechanik zweifellos auch klaglos erträgt. Sicher ist aber, dass der Rover 2000 TC bei zuvor kaum erlebter Sicherheit und bei wirklichem Fahrkomfort Landstraßenschnitte ermöglicht, die sonst Autos anderer Klassen vorbehalten sind. Er ist ein Allround-Wagen im besten Sinne und das mag der Grund dafür sein, dass berufene Häupter dem Werk von Solihull soviel Respekt zollen.

Powerslide / Schweiz 1967

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