In die Offensive

Englands größter Automobilkonzern, British Leyland, will mit drastischen Preissenkungen den westdeutschen Markt erobern

 

Mit einem wendigen Jagdflugzeug namens „Spitfire“ gewannen die Briten 1941 die Schlacht um England. Mit einem flotten Sportzweisitzer „Spitfire Mk 4“ wollen sie nun in der Schlacht um Europas Automärkte reüssieren.

„In die Offensive“, so Englands größter Automobilkonzern British Leyland Motor Corporation in einer Anzeigenserie westdeutscher Tageszeitungen, gehen die Briten „mit dramatischen Preissenkungen“:

um 800 Mark senkten sie den Preis für den „Spitfire Mk 4“ (64 PS, 156 km/h), der nun für 8.950 Mark angeboten wird

um 1.850 Mark billiger wurde die Familienlimousine „Rover 2000 TC“ (110 PS, 177 km/h), die damit 13.900 Mark kostet;

um 1.430 Mark wurde der Preis der Luxuslimousine „Rover 3500 V8“ (150 PS, 188 km/h) gesenkt, die nun von 17.900 Mark an aufwärts zu haben ist.

„Wir tun jetzt“, so John Smerdon, Europa-Direktor bei Leyland, „was wir längst hätten tun sollen - Verkaufsangriff auf den deutschen Markt.“

Den Angriff gaben die Briten vorletzte Woche ihren westdeutschen Händlern im Frankfurter Airport-Hotel bekannt. Ein Leyland-Sprecher über die Reaktion ihrer deutschen Vertreter: „Die Händler waren begeistert, denn dies hatten sie nicht erwartet.“

Tatsächlich senkten die Briten die Preise für ihre Automobile zu einer Zeit, in der sonst alle anderen Produzenten ihre Autos verteuerten. So setzte etwa das Volkswagenwerk seine Preise seit Dezember gleich zweimal herauf - um insgesamt 6,8 Prozent. Italiens Fiat, mit einem Produktionsanteil von 23 Prozent Europas größter Hersteller, schlug erst in der vorletzten Woche durchschnittlich drei Prozent auf seine deutschen Verkaufspreise auf.

Frankreichs Renault langte mit Preiserhöhungen bis zu sechs Prozent zu. Auch die Ableger der Detroiter Automobilgiganten in der Bundesrepublik, Opel und Ford, beteiligten sich an dem Wettlauf (jeweils plus drei Prozent).

Die Preissenkungen bei Leyland überraschte die Branche vor allem deshalb, weil British Leyland (fast 200.000 Beschäftigte, 8,4 Milliarden Mark Jahresumsatz) seit Jahren nur mäßige Gewinne erwirtschaftet.

Die unterschiedliche Preispolitik der großen Konzerne entspringt einer unterschiedlichen Marktstrategie: Während die kontinentalen Hersteller, wie VW, Renault, Fiat, Ford und Opel die Preise erhöhten, um nicht in die Verlustzone zu fahren, wollen die Briten sich über niedrigere Preise zunächst einmal höhere Marktanteile sichern. Später, so ihr Kalkül, soll ihnen die stärkere Marktposition helfen, wieder mehr Geld zu verdienen. Schon jetzt gesteht Smerdon ein: „Die neuen deutschen Preise gelten nicht unbegrenzt.“

Die Leyland-Manager in ihrer holzgetäfelten Vorstandsetage an Londons Berkeley Square setzten dabei vor allem auf den gemeinsamen Markt. „Als Englands größte Exportfirma“, so Lord Stokes, Chairman bei British Leyland, „begrüßen wir einen Beitritt Englands zur EWG. Wir sind sicher, dass dieser Beitritt gut für uns sein wird.“

Neidvoll hatte der Auto-Lord jahrelang beobachtet, wie viele seiner Branchenkollegen auf dem Kontinent immer neue Verkaufsrekorde meldeten, während der Autoabsatz in Britannien stagnierte. Nun rechnet er damit, dass sich seine Verkäufe in Europa bis 1975 verdoppeln werden.

Schon im nächsten Jahr will Stokes 30.000 Wagen in der Bundesrepublik absetzen (1970: 10.609 Autos). Damit würde Westdeutschland zum größten Leyland-Markt innerhalb der EWG werden (bisher war es Italien).

Um dieses Ziel zu erreichen, strafften die Briten noch vor der letzten Preissenkung ihre Absatzorganisation. Unlängst gründeten sie in Bergen-Enkheim bei Frankfurt die British Leyland Deutschland GmbH. Unter dem Dach dieser Niederlassung (vormals Deutsche Rover) fassten sie den verzettelten Verkaufsapparat für einzelne Leyland-Marken zusammen.

Bis dahin hatten sich Westdeutschlands Händler an verschiedene Importeure wenden müssen, für Triumph-Wagen beispielsweise an die Firma Hagen in Krefeld, für Jaguar an Lindner in Frankfurt und für Rover an die Deutsche Rover in Bergen-Enkheim.

Freilich sind gerade die Verkaufsschlager Leylands, die Mini-, Midi- und Maxi-Modelle der Austin/Morris-Division von der zentralen Absatzorganisation ausgenommen. Sie werden nach wie vor von der Düsseldorfer Firma A. Brüggemann + Co. GmbH exklusiv eingeführt. Der Allein-Importeur hatte auf seine Verträge mit den Engländern gepocht.

An der jüngsten Preissenkungsaktion war Brüggemann denn auch nicht beteiligt. Er hatte die Austin/Morris-Modelle 1100 und 1300 schon Ende September um 281 bis 465 Mark verbilligt - und damit seine niedrigeren Einkaufspreise, die ihm Karl Schillers floatende Mark (Aufwertung der Mark gegenüber dem Pfund: etwa sechs Prozent) eingebracht hatte, an den Verbraucher weitergegeben.

Bis dahin galten Briten-Autos in Westdeutschland - gemessen an dem unzureichenden Servicenetz und langen Wartezeiten für Ersatzteillieferungen - als zu teuer. „Mit unserem neuesten Schritt“, so ein Manager der Deutschen Leyland, „haben wir unsere Fahrzeuge dem deutschen Preisniveau angepasst.“

Über seine Zukunftsabsichten verriet der Leyland-Mann: „Wir machen jetzt erst mal eine Image-Aufpolierung, und dann muss der Service erheblich verbessert werden.“

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