Rover 3500 V8
Zweifellos
ist die auf sinnvolle englische Tradition gesetzte Arbeit in der englischen
Rover-Fabrik durch eine leichte Unruhe gestört gewesen, als vor einigen Jahren
bekannt wurde, dass künftig ein Modell 3500 V8 produziert werden sollte.
Sicherlich sind in den Planungsabteilungen ein paar harte Nüsse zu knacken
gewesen, bevor der Entschluss feststand. Aber hinterher konnte jeder Rover-Fan
– ob er nun zu den Produzenten oder zu den Käufern gehört – sehr froh
sein, dass die 3500-Version in das Lieferprogramm aufgenommen wurde.
Mit seinem in
Amerika konstruierten Motor, in Kombination mit einer gut angepassten Automatik,
konnte ein auffallend harmonischer Wagen auf den Markt gebracht werden. Das
Fahren mit diesem Rover 3,5 Liter kann somit auch als eine weiterentwickelte
Stufe der Erfahrung, die das Lenken der vertrauten 2000-Modelle verschafft,
bezeichnet werden. Der Wagen reagiert müheloser, direkter als sein mit weniger
ccm – und Zylindern! – ausgerüsteter Bruder, wobei der vortrefflich
abgestimmten Automatik ein Extra-Lob zukommt. Das immer mehr an Einfluss
gewinnende Zugeständnis an das amerikanische Wort „Big engine for big
performance" tut dem großen Rover zweifellos gut, obwohl selbst
anspruchsvolle Besitzer von 2000-Modellen wenig zu entbehren haben.
Umgeben mit
einer modern gestylten Karosserie, mit der die „kleineren" Modelle schon
geliefert werden, ausgerüstet mit hervorragenden Fahreigenschaften und dem
unverkennbaren englischen Charakter ist der Rover 3,5 Liter V8 ein vollwertiger
Klassewagen, der mit seinem Preis konkurrierend im Bereich der allerhöchsten
Besitzerklasse plaziert ist.
Motor
Die
Kraftquelle des 3500 ist eine alte Bekannte. Sie ist von General Motors
entwickelt und in den Oldsmobile und Buick-„Compacts" eingebaut worden.
In Amerika hat man 750.000 gebaut, die Öffentlichkeit begann aber, nach größeren
Motoren zu fragen und die schöne Leichtmetallmaschine wurde beiseite
geschoben. Die Rover Company Limited hat den guten Einfall gehabt, den Motor zu
übernehmen, der nun in England (um genauer zu sein, in Solihull) gebaut wird.
Dieser Motor war die Basis zum Formel 1-Motor, mit dem der Brabham-Rennwagen
1966 die Weltmeisterschaft gewann.
An
diesem 3,5-Liter-Leichtmetall-V8-Motor brauchte Rover aber nur wenig zu verändern.
Der Rochester-Vergaser wurde durch zwei SU-Vergaser ersetzt und die Zündung
wurde ein wenig verändert. Und es musste natürlich etwas an der Motoraufhängung
gemacht werden. Es ist eine wunderbare Maschine (3528 ccm, 184 SAE-PS), die den
Rover schnell zu gewaltigen Leistungen verhelfen kann, derweil sich der
Benzinverbrauch in jeder Hinsicht in Grenzen hält. Der Motor ist vollkommen geräusch-
und vibrationsfrei, der Drehzahlmesser ist vor allem dazu da, um zu wissen, ob
der Motor vor der Ampel noch läuft. Nur bei hohen Drehzahlen machen sich die
Vergaser ein wenig bemerkbar, aber das ist dann auch das einzige Geräusch, das
in den Innenraum vordringt. Das Starten mit kaltem als auch warmem Motor ist
problemlos, der Choke muss allerdings lange genug eingeschaltet sein.
Getriebe
Der
3500 wird serienmäßig mit einem automatischen Borg Warner 35-Getriebe ausgerüstet.
Wir sind davon überzeugt, dass nur sehr wenige Menschen lieber eine
Handschaltung in diesem Wagen sehen würden. Die Automatik passt sehr gut zu
diesem elastischen und vor allem geräuschlosen Motor. Sie besitzt 3 Gänge,
wovon der erste und der zweite Gang arretiert werden können. In der D-Stellung
hat man alle drei Fahrstufen zur Verfügung, ohne selbst schalten zu müssen.
Bei vorsichtigem Gasgeben schaltet das Getriebe bei ungefähr 2500 U/min hoch,
bei einer Vollgas-Beschleunigung geschieht das bei etwa 4700 U/min.
Es
macht nichts aus, ob das Getriebe nun von Hand geschaltet oder alles der
Drive-Stellung überlassen wird. Das manuelle Schalten ergibt nur einen kleinen
Gewinn, was natürlich der sehr elastischen und in jeder Hinsicht sehr kräftigen
Maschine zu verdanken ist. Es ist ein gewohntes Übel, dass das Getriebe etwas
nachdrücklich und dadurch ein bißchen ruckartig schaltet, während man sich
daran gewöhnen muss, dass der Wagen im Stillstand noch weiterkriechen will.
Diesem steht die problemlose Bedienung und die gute Abstufung der Gänge gegenüber.
Bremsen
Die
Bremsen sind vorzüglich, sie sind gut zu dosieren und im Ganzen nicht
feuchtempfindlich. Der Wagen besitzt kräftige Scheibenbremsen rundum, wobei die
Scheiben sehr groß bemessen sind. Es ist daher auch kein Wunder, dass die
Bremsen kein Fading zeigen, auch nach wiederholten Vollbremsungen bleibt der
Wagen sauber in der Spur. Die Handbremse ist gut für ihre Arbeit ausgerüstet,
schade nur, dass sie nur mühsam zu bedienen ist.
Fahreigenschaften
Die
beiden Hauptgründe, warum der 2000 und der 2000 TC so wunderbar auf der Straße
liegen, sind die De-Dion-Hinterachse und die sehr gut ausgewogene
Gewichtsverteilung. Der 3500 liegt noch ein bisschen besser auf der Straße, aus
dem einfachen Grund, weil nun sehr viel Leistung vorhanden ist. Der Motor des
3500 V8 ist aus Aluminium und kaum schwerer als der des 2000. Und eine
De-Dion-Hinterachse besitzt dieser hübsche Rover natürlich auch.
Bei
verhaltener Fahrt untersteuert der Wagen ziemlich stark, bei flotter Kurvenfahrt
sehr neutral und bei starkem Gasgeben verändert sich diese Neutralität in
einen gemächlichen Übersteuer-Charakter. Bei nassem Wetter heisst es
aufpassen, um die vielen PS genau unter Kontrolle zu haben, obwohl es freilich
lange dauert, bevor der Reifen-/Straße-Kontakt droht verloren zu gehen. Das ist
hauptsächlich den breiten 185 SR 13-Reifen zu danken.
Der
Rover ist ein bisschen seitenwindempfindlich und für seine Richtungsstabilität
konnten wir nur ein „ausreichend" geben. Auf der Autobahn ist der Wagen
bei hohen Geschwindigkeiten ein bisschen seitenwindempfindlich, eigentlich eine
Beleidigung für die gelungene Gewichtsverteilung. Aber für uns mag ein Auto
ruhig etwas seitenwindempfindlich sein, wenn es sich in Kurven so gut und
problemlos verhält wie dieser Rover. Sein Verhalten auf schlechter Wegstrecke
ist besonders gut; das kann er ja auch mit seiner zwar teuren, aber guten
De-Dion-Hinterachse.
Lenkung
Die
Lenkung ist nicht servounterstützt. In Bezug auf den 2000 hat man die Zahl der
Lenkradumdrehungen etwas vergrößert, so dass man nun 4 ½ Umdrehungen braucht,
um das Lenkrad von ganz links nach ganz rechts zu drehen (beim 2000 sind es 3 ¾).
Die Lenkung ist dadurch natürlich etwas indirekter geworden, sehr störend aber
nicht. Die benötigte Kraft beim Parken bleibt daher sehr gering und dürfte für
niemanden ein Problem sein. Die vielen Umdrehungen verdecken aber bei schneller
Kurvenfahrt die vortrefflichen Fahreigenschaften dieses Autos. Das Lenkrad ist
vertikal verstellbar, eine sehr willkommene Neuheit. Das Lenkrad ist aus Holz
und hat eine Form, von der wir finden, dass sie so nicht in dieses Auto passt.
Geschmäcker können aber verschieden sein...
Federung
Der
Wagen ist genau richtig gefedert, nicht zu weich und auch nicht zu hart. Das
Schluckvermögen ist gut; kurze, heftige Stöße werden aber etwas schwer
abgefangen und kommen deutlich zum Innenraum durch. Es ist auch weniger
angenehm, dass das Auto beim Bremsen etwas stark eintaucht, überhaupt macht dem
schweren Wagen in Kurven die Seitenneigung auch ziemlich viel zu schaffen.
Sitzposition
Der
Sitz hinterm hölzernen verstellbaren Lenkrad ist gut. Die Sitze sind
ausreichend verstellbar, die Rückenlehne ist stufenlos verstellbar und
obendrein können Sie Liegesitze davon machen. Die Sessel geben ausreichenden
Seitenhalt und ermüden auch während einer langen Fahrt nicht. Die
verschiedenen Schalter sind ausgezeichnet plaziert und verursachen keine
Fehlbedienungen. Die beiden Hebel am Lenkrad muten etwas schwach an, sind aber
im Gebrauch doch ausreichend stabil.
Sitzkomfort
Auch
Ihre Passagiere sitzen vorzüglich, was den Seitenhalt und die Verstellbarkeit
der Sitze betrifft. Der Beinraum ist vorn ausreichend, hinten nur mäßig. Wenn
Sie Ihre Vordersitze zu weit nach hinten verstellen, sitzen Ihre
Hinterpassagiere nicht komfortabel, wie durchdacht die Rücksitze auch sind.
Innenraum
Im
Innenraum sieht es schlicht, aber sauber verarbeitet aus. Die Sitze sind der größte
Kontrast zum Innenraum: echt Leder. Über die Armaturenbrettgestaltung sind wir
ziemlich einer Meinung gewesen; besonders hübsch konnten wir die
Instrumententafel nicht finden, obwohl sie praktisch und gut ablesbar ist.
Ablagemöglichkeiten sind genug vorhanden, die großen schrägen Klappfächer
unterm Armaturenbrett sind ein Resultat. Die Heizung ist gut dosierbar und
bringt das Wageninnere schnell auf Temperatur, das Gebläse ist kräftig und
ziemlich geräuschlos, aber die elektrische Heckscheibenheizung ist nicht
beeindruckend; es dauert geraume Zeit, bis die Scheibe frei von Beschlag ist.
Die
Scheibenwischer arbeiten bis 160 km/h einwandfrei; wenn Sie noch schneller
fahren, heben sie langsam aber sicher von der Scheibe ab. Der Scheibenwascher
ist sehr wirkungsvoll, die Strahlen kräftig und das Reservoir groß. Der Innenrückspiegel
ist ein Unding. Er ist klein und verkleinert das Bild obendrein auf eine gefährliche
Art und Weise. Wenn Sie sich solch einen 3500 anschaffen, müssen Sie das Ding
sofort erneuern und durch eine normale Ausführung ersetzen. Der Kofferraum des
Rover ist für einen Wagen mit einem derart langen Radstand sicherlich zu klein.
Viel Platz nimmt die 5 ½ Zoll-Felge mit dem breiten Reifen ein; es ist daher
vollkommen verständlich, dass bei Rover ein Reserveradträger für die Montage
auf dem Kofferraumdeckel erhältlich ist...
Zusammenfassung
Für
manche Wagen kommt das Ende ihres Aufenthaltes in der Redaktion viel zu schnell.
Der Rover 3500 V8 kann sich nach einem Test von gut zwei Wochen triumphartig
wieder in seine exklusive Gesellschaft einreihen. Es ist nicht so sehr die
wohltuende Erfahrung von Luxus oder der für teures Geld erkaufte „Stil",
die zu dieser schmeichelnden Beurteilung geführt haben, sondern eher der etwas
überraschende Widerspruch zwischen der Klasse, in die er gehört, und den voll
ausreichenden Fahreigenschaften in Verbindung mit höchst beeindruckenden
Leistungen. Dieser Rover hat deutlich vor Augen geführt, dass das Image eines
als nicht sportlich angesehenen Autos oberhalb von 20.000 Gulden bei kleinem
klar revidiert werden muss, was übrigens auch aus diesem Testbericht
geschlossen werden kann. In puncto Prestige hat die BLMC-Marke Rover mit dem
3500 V8 bezüglich Fahrleistungen und Fahreigenschaften besonders viel zu
bieten.
0-100 km/h 11,4 Sek.
Höchstgeschwindigkeit 187 km/h
Testverbrauch 14,5 l/100 km
Auto Visie / Niederlande 23/1969
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