Rover 3500 V8
Viele denken beim Namen
„Rover" immer noch an den schon lange existierenden Ausdruck „Rolls
Royce für den armen Mann". Das gilt in der Tat noch immer für die großen
und stattlichen 3,5 Liter-Modelle, aber schon seit Jahren produziert die
englische Firma aus Solihull ein kleineres Modell, den 2000.
Obwohl er bestimmt nicht ein
richtiges „Botschafts-Fahrzeug" ist, gehört dieser Rover eher zur europäischen
Mittelklasse. Aber im besten Sinne, denn Verarbeitung, Styling und Klasse sind
bei diesem Typ ganz apart. Nach der Einführung des Typs im Jahr 1963
bereicherte die Firma diese Reihe schon bald mit einem TC und vor einigen Jahren
mit dem 3500, eine Kombination des 2000 mit einem auf amerikanische Verhältnisse
zugeschnittenen V8-Motor.
Die billigste und zahmste
Version der kleinen Rover-Reihe, der 2000, hat als Antrieb einen
Vierzylinder-Reihenmotor mit obenliegender Nockenwelle und 2 Liter Hubraum.
Denselben Motor, jetzt aber mit zwei Vergasern, finden wir im 2000 TC, eine
sportliche Variante. Die stets höheren Anforderungen, vor allem in Exportländern,
führten jedoch zu noch höheren Leistungen als die ohnehin schon respektablen
175 km/h des TC. Hubraumerweiterung oder Verwendung von (bei Rover im Regal
stehenden) Sechszylindermotoren waren mögliche Lösungen, aber Ende 1967 kam
Rover bereits mit einem neuen V8-Motor für das damalige 3 Liter-Modell auf den
Markt. Es war also keine Überraschung, kurz danach diesen V8 auch im 2000 mit
seinen fortschrittlichen Eigenschaften zu finden.
Ursprünglich stammt der Rover
V8 aus Amerika, um genau zu sein, aus dem Buick Special von 1962. Nach
amerikanischen Maßstäben war diese Leichtmetallmaschine etwas zu klein, und
nach einigen Jahren verschwand der Motor. Verhandlungen mit Rover führten dazu,
dass die englische Firma den ganzen Entwurf übernahm, aber vor dem
Produktionsstart des 3500 ccm großen Achtzylinders nahmen die Rover-Ingenieure
die Sache in ihre Hände. Die Leistung wurde von 193 auf 184 SAE-PS reduziert,
nur durch ein anderes Ein- und Auslass-System hat die Rover-Version eine eher
„europäische" Drehzahl von 5200 U/min gegenüber 4800 in der
amerikanischen Ausführung. Auch der Vergaser – zwei typisch englische
SU-Vergaser gegenüber einem amerikanischen Registervergaser – ist daran
beteiligt. Weiterhin sind diverse Dinge dem englischen Markt angepasst worden.
Alle Komponenten wie Anlasser, Lichtmaschine und Benzinpumpe kommen nun von
Lucas bzw. AC.
Übrigens fällt auf, wie
sauber alles an dieser Maschine verarbeitet ist. Die gegossenen Ventildeckel
beispielsweise oder der hübsch lackierte Luftfilter und die glänzenden
Vergaser sind eine Freude fürs Auge. Trotz des nach amerikanischen Maßstäben
bestimmt nicht großen Motorraumes paßt der voluminöse V8 gut in den
Vorderbau, und die Zugänglichkeit der verschiedenen Teile gefällt.
Vom Start an läuft der Rover
schön rund, auch wenn der Choke eingeschaltet wird. Der ist freilich immer –
auch bei sommerlichen Verhältnissen – nötig, aber nach den ersten
Anlasserumdrehungen läuft der V8 auch sofort. Konstant bleibt die Drehzahl bei
600 U/min, ein niedriger Wert. Am meisten überrascht aber der Drehzahlbereich
und die Geräuscharmut. Ob man bei 1000 oder 4000 Touren Gas gibt, stets hört
man dasselbe murmelnde V8-Geräusch unter der Motorhaube. Auch die
Beschleunigung ist – ohne dass man ihn besonders fordern muß – sehr gut,
und auch bei einer Geschwindigkeit von 140 km/h reagiert der 3500 sofort und
beschleunigt bis auf 175 km/h. Dann dauert es doch schon etwas länger, bis man
die Höchstgeschwindigkeit von 185 km/h erreicht hat. Dass der V8 seine Arbeit
in aller Ruhe und ohne Vibrationen verrichtet, ist beinahe selbstverständlich,
aber der relativ geringe Benzinverbrauch ist für eine Maschine amerikanischen
Ursprungs doch eine Überraschung.
Die einzige Kritik am Motor
betrifft die Zündkerzen, die bei längerem Stadtverkehr manchmal etwas feucht
werden.
Weniger sensationell, aber
deswegen nicht weniger gut in ihrem Verhalten ist die Borg Warner 35-Automatik,
die bei diesem V8 besonders gut zur Geltung kommt. Die Schaltpunkte sind günstig
gewählt (Hochschalten bei 4800 U/min), der Kickdown reagiert sofort, und die
Gangwechsel finden beinahe unbemerkt statt. Will man sportlich fahren, kann die
Gangstufe 2 eingeschaltet werden, die das Getriebe im ersten und zweiten Gang
festhält. Man kann dadurch bis 130 km/h und 5200 Umdrehungen beschleunigen und
dann den Schalthebel auf D stellen. Alle Gangwechsel sind nur durch das Drücken
eines kleinen Knopfes möglich, ausser zwischen D und 2. Dann sind immer
schnelle Schaltvorgänge nötig. Für Wohnwagenfahrer hat Rover serienmäßig
einen Ölkühler am Getriebe montiert.
Daß ein derart schneller Wagen
nach einem Satz erstklassiger Bremsen verlangt, ist klar, und die vier Scheiben
am Rover arbeiten prima. Die Scheiben sind hinten – für eine bessere Bremskühlung
– am Differential angebracht. Die Servounterstützung ist besonders effektiv,
ohne dass das Gefühl aus dem Pedal verloren geht, und der Wagen bleibt
richtungsstabil und taucht nur wenig ein. Dennoch tritt geringes Fading auf,
wenn man einige brutale Vollbremsungen aus 160 km/h gemacht hat, aber auch dann
liegt die Bremsleistung noch oberhalb des Durchschnitts.
Für Liebhaber hübsch
konstruierter Radaufhängungen hat der 3500 einiges zu bieten.
Vorne sehen wir unabhängig
voneinander gefederte Räder, wobei die Schraubenfedern nicht, wie üblich,
vertikal, sondern horizontal unterm Kotflügel montiert sind. Der Grund für
diese einmalige Konstruktion ist die bei einem Unfall energieabsorbierende
Vorderseite der Karosserie. Die Feder muss sich darum gegen die verstärkte
Passagierzelle abstützen.
Hinten finden wir ebenfalls ein
schönes Stück Technik in Form einer gut geführten De-Dion-Achse. Die Achse
wird durch zwei große Träger und zwei Führungsstäbe an ihrem Platz gehalten,
und Schraubenfedern sorgen für die Verbindung mit der Karosserie. Nehmen wir
hierzu die groß bemessenen 185 HR 14-Reifen, dann haben wir eine hervorragende
Basis für eine gute Straßenlage. Was während der Fahrt zuerst auffällt, ist
die große Stabilität des Wagens bei hohen Geschwindigkeiten und vor allem in
schnellen Kurven.
Der Ausdruck „wie auf
Schienen" passt sehr gut zu diesem Rover. In Kurven mit kleinem Radius
tritt starkes Untersteuern auf. Ausbrechen tut der 3500 nicht, oder aber man
muss auf sehr glatten oder schlechten Straßen fahren, und auch dann liegen die
Grenzen noch sehr hoch. Die indirekte Lenkung (4 ½ Umdrehungen von links nach
rechts) verhindert in diesem Fall allerdings ein schnelleres Eingreifen wie
sonst üblich.
Die indirekte und etwas
sensible Lenkung übt übrigens einen etwas nervösen Einfluss auf die Straßenlage
aus. So tritt eine geringe Seitenwindempfindlichkeit auf, und mit dem großen
Lenkrad fällt es einigen doch schwer, richtig gegenzulenken. Aber in der Stadt
gibt es dafür wieder einen Vorteil beim Parken.
Der Komfort ist, mit der erwähnten
Radaufhängung, selbstverständlich auch gut. Große Unebenheiten sind für den
3500 kein Problem, und die 1350 kg schwere Karosserie gleitet unauffällig darüber
hinweg. Die gut plazierte De-Dion-Achse nimmt aber auch bei hohen
Geschwindigkeiten die kleinen Unebenheiten wunderbar auf, nur wenn man langsamer
fährt, sind die Unebenheiten manchmal fühlbar und hörbar. Die Reifen unterm
3500 sind nicht ganz ruhig.
Das Konzept des
„kleinen" Rover ist seit 1963 – dem Jahr der Einführung – nicht verändert
worden, und das ist angesichts der Leistungen und der Fahreigenschaften auch
verständlich. Die Rover-Leute haben aber versucht, dem Käuferpublikum mehr
Interesse für die Produkte aus Solihull beizubringen. Darum sind verschiedene
Stylingmaßnahmen durchgeführt worden, die nach unserer Meinung das Ansehen der
Marke "Rover" nicht vergrößert haben.
Der massive Grill, die nicht
funktionelle Gestaltung der Motorhaube und die fast billig anmutenden
Radzierkappen passen schlecht zur ursprünglich straffen und charakteristischen
Karosserie. Der Innenraum hat noch immer Atmosphäre dank der echten Ledersitze
und des Teppichs am Boden, Mitteltunnel und Türen. Die vor dem Fahrer
angebrachten Anzeigen sind deutlich ablesbar und haben einen guten Platz im
modernen, sehr brauchbaren Armaturenbrett, auf dem man eine Menge an
Kleinigkeiten ablegen kann.
Extra Stauraum findet man in
zwei (!) Handschuhkästen unterm Armaturenbrett. In Armaturenbrettmitte sind
eine Anzahl gut erreichbare und einfach zu bedienende Schalter angebracht, die
bei eingeschaltetem Licht grün beleuchtet werden, so dass eine Fehlbedienung
nicht möglich ist. Eine ideale Sitzposition ist wegen der stufenlosen Rückenlehnenverstellung
und des in der Höhe verstellbaren Lenkrades gut zu finden.
Man sitzt ausgezeichnet, und
durch die seitliche Ausformung der Sitze wird man nicht schnell müde in diesem
Rover. Das gilt übrigens auch für die Passagiere auf dem Rücksitz, die nicht,
wie üblich, auf einer Bank sitzen, sondern ebenfalls in getrennten,
vorgeformten „Fauteuils". Das Sitzen ist dort gut, obwohl die Vordersitze
wegen der verfügbaren Beinfreiheit nicht in die hinterste Position geschoben
werden dürfen. Durch die sehr hohe Gürtellinie sitzt man im 3500 etwas tief,
aber dank der hohen Windschutzscheibe hat man trotzdem eine hervorragende Sicht
auf die Umwelt.
Weiterhin ist der 3500 mit
allen Accessoires ausgestattet, die man von einem derartigen Wagen erwartet
kann: elektrische Heckscheibenheizung, Intervallschalter für die
Scheibenwischer, Warnblinkanlage, eine Kartenleselampe und gute
Dreipunkt-Sicherheitsgurte.
Doch würden wir gerne sehen,
dass die Lüftung ohne Gebläse mehr Kapazität hat und dass der Panorama-Rückspiegel
durch einen abblendbaren Spiegel ersetzt wird.
Das Windgeräusch ist bei hohen
Geschwindigkeiten deutlich hörbar, aber nicht störend. Natürlich wird dies
noch durch den besonders leisen Motor unterstrichen.
Ein echter Minuspunkt für
solch einen Typ von Auto – der 3500 ist ein echter Reisewagen – ist der sehr
kleine Kofferraum. Indem man das Reserverad – das viel Platz wegnimmt – auf
dem Kofferraumdeckel montiert, gewinnt man etwas Platz, aber das verschönert
die Linie des Rover bestimmt nicht.
Der
Rover 3500 ist ein äußerst komfortabler Reisewagen im besten Sinne des Wortes.
Die Motorreserven sind groß, die Straßenlage und Stabilität präzise, so wie
man es für eine lange Reise über schnelle Straßen erwartet, der Komfort für
vier Personen auf sehr hohem Niveau, und die Bremsen meistern jede Situation.
Hinzu kommen noch andere Pluspunkte wie die gute Verarbeitung, der nicht sehr
hohe Benzinverbrauch und die relativ kompakten Abmessungen, demgegenüber stehen
ein paar Nachteile. Daher ist der anfangs als hoch eingeschätzte Preis von f 22.990,-
nicht zu viel für diesen besonders feinen Rover.
0-100 km/h 11,4 Sek.
Höchstgeschwindigkeit 185 km/h
Testverbrauch 13,8 l/100 km
autorevue / Niederlande 23/1971
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