Leylands Elend

„Das einfachste wäre ja“, seufzt Michael Edwardes, 47, frischgebackener Chef des englischen Automobil-Konzerns British Leyland, „wenn wir die Produktion einstellen würden.“

Zum Aufgeben scheint der Krisen-Spezialist Edwardes dennoch nicht geneigt zu sein: Mit einem einschneidenden Erneuerungsprogramm will der neue Mann an der Spitze des kaum noch lebensfähigen Zusammenschlusses der meisten wichtigen Autohersteller der drohenden Riesen-Pleite entgegenwirken.

Die Lage ist ernst genug: Jedes zweite im Vereinigten Königreich zugelassene Auto war Ende letzten Jahres ein Ausländer. Die Leyland-Marktführerschaft schwand dahin - inzwischen deckt die Briten-Firma nur noch knapp 22 Prozent des englischen Auto-Bedarfs.

Die Ursachen sind vielschichtig. Zum einen verhindern Eigeninteressen der insgesamt sechs durch staatlich gelenkte Fusionen zusammengewachsenen Hersteller-Firmen ein einheitliches Konzern-Denken. In quer über das Königreich verstreuten Produktionsanlagen - 29 allein für den Personenwagen-Sektor - bauen streiklustige Arbeiter meist technisch veraltete Autos.

Folge der Arbeitsunlust: 250.000 Autos konnten im letzten Jahr wegen Streiks nicht fertiggestellt werden (Jahresproduktion: 740.000). Während jeder Arbeiter bei VW im Durchschnitt 13,7 Autos im Jahr baut, schafft sein Kollege bei British Leyland nur 5,7. Und das Schlimmste: Die wenigen wirklichen Renner im Leyland-Programm, die moderne Limousine Rover 3500 etwa, oder die weltweit gefragten Allrad-Autos Range Rover und Land Rover, sind derzeit nur nach langer Lieferzeit zu bekommen.

Der kleine (165 Zentimeter) Top-Manager Edwardes plant, mit einem großen Schnitt die Gesundung des kränkelnden Auto-Riesen herbeizuführen. 12.500 der 130.000 Leyland-Arbeiter sollen sofort, bis zu 40.000 später entlassen oder nicht mehr ersetzt werden. Der künstlich geballte Konzern soll entflechtet und durch drei selbständige Firmen abgelöst werden. Eine „Austin-Morris Ltd.“ soll sich um die Massenautos kümmern, die „Jaguar Rover Triumph Ltd.“ wird sich der Luxus-Limousinen und Sportwagen annehmen. Eine dritte Leyland-Ablegerin schließlich wird für Ersatzteile und Sonderfahrzeuge sowie Lastwagen sorgen.

Im Modellprogramm streicht Edwardes ebenso kräftig herum wie seinerzeit Rudolf Leiding bei VW. Der betagte Dauer-Läufer Mini soll hauseigene Konkurrenz in Form einer vergrößerten und technisch aufgewerteten Version des längst fertigen Versuchs-Projekts Ado 88 bekommen. Die Mittelklasse-Veteranen Austin Allegro und Morris Marina werden bis Mitte des nächsten Jahrzehnts abgelöst.

Inzwischen sollen eilig Verbesserungen an allen übrigen Leyland-Modellen vorgenommen und zusätzliche Bänder zur Produktion des Land Rover und Range Rover aufgebaut werden.

Beifall findet der ehrgeizige Schrumpfungs-Experte bei Premierminister James Callaghan, empörten Protest bei den allmächtigen Gewerkschaften. Arbeitnehmer-Vertreter Eddie McGarry: „Dieser Verrückte an der Konzernspitze muss weg.“

Schon sprechen die Gewerkschaftler von einer „Abwehrschlacht“. Aber die großen Worte sind wohl eher dazu gedacht, sich selbst Mut zu machen. Intern beschlossen 350 Funktionäre einen Tag nach Bekanntgabe der Edwardesianischen Sanierungsvorschläge, ihre Mitglieder zu sorgfältigerer Arbeit und verminderter Streiklust zu bewegen.

auto motor und sport 4/1978

 

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