Rover
3500 V8
Pro
Kopf zwei Zylinder
Die Briten haben es schon immer
verstanden, originelle Autos zu bauen. Zumindest waren ihre Autos für uns
Kontinental-Europäer oft originell, manchmal reichlich originell, häufig nur
originell und nichts weiter. Diese Autos mögen für die Briten ganz normale
Autos gewesen sein - jenseits des Kanals beginnt eine etwas andere Welt. Die
Briten sind ein Inselvolk von echtem Schrot und Korn. Und sie warten noch heute
darauf, dass wir uns ihnen anpassen. Aber, stur wie wir sind, führen wir ihnen
zuliebe nicht einmal den Linksverkehr auf dem Kontinent ein.
Dennoch kommen uns die
britischen Konstrukteure ab und zu entgegen. Es gibt britische Autos, denen man
seinen Respekt nicht versagen kann. Der Rover 2000 gehört zu ihnen, der nun
einen größeren Bruder bekam, den 3500 V8. Aus der Typenbezeichnung darf man Rückschlüsse
auf sein Triebwerk ziehen: Ein Dreieinhalbliter-Achtzylinder in kompakter V-Form
sitzt unter seiner Haube. Er ist nicht auf britischem Dung gewachsen, sondern
auf diesem nur veredelt worden. Ursprünglich trieb er jenseits des großen
Teiches einen für amerikanischen Begriffe kleinen Buick an. Und er nannte sich
auch drüben schon „Aluminiummotor". Aber eben mit diesem Aluminium
(Aluminium-Zylinderblock mit Stahllaufbuchsen, Aluminium-Zylinderköpfe) kamen
die Amerikaner nicht ganz zurecht, hatten thermische und andere Schwierigkeiten
und boten den Motor feil. Rover kaufte ihn und entwickelte ihn weiter. Nun macht
er mit seinen zwei SU-Vergasern, seinen hydraulischen Ventilstößeln mit
automatischer Nachstellung und seinem Kurbelwellen-Schwingungsdämpfer eine
recht gute Figur.
Er arbeitet leise, geschmeidig
und kraftvoll. Aus genau 3528 ccm Hubraum holt er sehr gelassen bei nur 5200
Umdrehungen 153 PS und er bringt es auf den erfreulich bulligen Drehmomentwert
von 28 Meterkilogramm bei 2600 Umdrehungen pro Minute. Das klingt alles nach
nervenschonender Kraftentfaltung und schöner Langlebigkeit. Überzüchtet ist
dieser Motor bestimmt nicht. Und das freut mich. Ich wünsche Deutschlands
Autofahrern gelassen arbeitende Motoren, weil ich weiß und es auch hier wieder
deutlich fühlte, dass ein solcher Motor auch seinen Fahrer gelassen macht und
dessen Fahrstil zum Guten hin beeinflußt.
„Greife lieber zum Hubraum,
dann geht alles wie von selbst", möchte ich den Autokäufern zurufen. Die
Konstrukteure wissen es längst, aber sie kapitulieren gemeinsam mit den Käufern
vor der Hubraumsteuer, obwohl ein ganzer Liter Hubraum mehr pro Jahr nur 144
Mark mehr an Steuern kostet. Manchmal wäre es mit einem halben schon getan.
Die Typen Rover 2000, 2000 TC
und 3500 V8 sind Autos, bei deren Erschaffung den Konstrukteuren die Sicherheit
der Insassen besonders am Herzen lag. Sie konstruierten eine steife
Fahrgastzelle, an die sie die Fahrwerks-Aggregate dranhängen und die sie vorn
und hinten durch eine verformbare Blechpartie (Bug und Heck) schützen konnten.
Das sieht alles recht überzeugend und einleuchtend aus, dennoch soll es in der
rauhen Auffahrpraxis nicht der Weisheit allerletzter Schluss sein, wie ich von
Leuten, die von Berufs wegen Autos gegen Betonmauern setzten, hören konnte.
Aber es fehlt uns ohnehin noch immer am vollkommenen Überlebens-Auto und da
ist uns die Stubenfliege von Alters her überlegen, die mit voller Fahrt gegen
die Fensterscheibe knallt, ohne auch nur zu erschrecken, geschweige denn
auseinanderzufallen.
Ich habe den Rover-Achtzylinder
auch nicht auf derartige Überlebenschancen hin geprüft, sondern ihn wie jeden
anderen Testwagen bewegt und schikaniert und ausgemessen. Ein Messwert überzeugte
mich besonders - der Wendekreis beträgt nur 9,60 m und damit ist der Wagen,
dessen Lenkung erfreulich leichtgängig ist, besonders handlich. Das Lenkrad läßt
sich ein klein wenig verstellen, und zwar nach oben und unten, was nicht viel
Sinn haben dürfte, zumal es in der Mittelstellung für jedermann richtig
plaziert wäre. Aber diese kleine Spielerei gehört wohl zum Gesamtkonzept, das
sich durch sorgfältige Detailarbeit im Hinblick auf optimalen Insassenkomfort
auszeichnet.
In diesem Rover sitzt man vorn
auf den Einzelsitzen wahrhaft königlich (sportwagenmäßig und doch erster
Klasse) und hinten auf der aus zwei Einzelsitzen vorgetäuschten Bank ebenso
gut, vorausgesetzt, dass man hineinpasst. Man sollte ein wenig kleiner sein, als
man es heutzutage gemeinhin ist. Denn Kopf- und Beinraum sind beschränkt, wenn
die Vornsitzenden den ganzen Sitzkomfort genießen möchten. Dieser Achtzylinder
ist ein knapper Viersitzer und ausserdem einer für Leute, die es gelernt haben,
sich hinsichtlich der Mitnahme von Reisegepäck im Zaum zu halten. Umsteiger,
die aus britischen Roadstern kommen, werden keinerlei Schwierigkeiten haben. Der
Kofferraum ist erschreckend knapp, zumal das Reserverad drohend in ihm
herumsteht und sich in einer breiten Seitenkonsole die Batterie breitmacht.
Bei Rover weiß man, daß
Kontinental-Europäer gern etwas mehr als nur den Teekessel mitnehmen und man
liefert ihnen geistesgegenwärtig etwas ganz Unmögliches mit. Es nennt sich
„Reserveradhalterung auf dem Kofferraumdeckel" und kostet keinen Pfennig
Aufpreis. Ich habe das Reserverad obendrauf gewuchtet und festgeschraubt und mit
der guten alten Reifenschutzhülle umspannt, wie einst im Mai. Die einen fanden
das toll und schick und „old fashioned", aber die anderen hatten Recht:
Soviel Gewicht im ersten Stock des Wagenhecks drängt aus der Kurve und das ist
eine Tätigkeit, zu der dieser Wagen ohnehin neigt. Dafür ist seine aufwändige
Hinterachse (Einzelradaufhängung nach dem De-Dion-Prinzip) mit ihren großen
Federwegen aber ebenso schluckfreudig wie die langbeinige Vorderradaufhängung.
Am Charakter des Wagens ist
nicht zu rütteln: Er ist ein vornehmes, im wahrsten Sinne herrschaftliches
Herrenzimmer, in dem vier Ledersessel stehen und in dem es niemals laut zugeht.
So etwas wie eine Volksausgabe von Rolls-Royce und ich entsinne mich, vor
Jahren einmal ein solches Auto gefordert zu haben. Ein starkmotoriges, solide
gebautes, sehr gut ausgestattetes, aber auf keinen Fall zu großes Luxusauto.
Der Rover-Achtzylinder ist so lang wie ein Opel Rekord, aber sieben Zentimeter
schmaler. Und innerhalb dieser Abmessungen fand der ganze Luxus Platz, vom
Achtzylindermotor und der serienmäßigen Getriebeautomatik bis zu den vier
Klubsesseln.
Vier Scheibenbremsen sind natürlich
auch vorhanden, sie werden über einen Bremskraftverstärker betätigt und
sprechen weich und gleichmäßig an, verkraften auch die brutalste Vollbremsung
aus 180 km/h heraus ohne spürbares Nachlassen.
Der Testwagen war 187,5 km/h
schnell und bis etwa 170 km/h angenehm leise. Bei 160 km/h dreht der Motor mit
4600 Touren und hört sich an, als flüstere jemand hinter der hohlen Hand. Der
Wagen liegt dabei satt und richtungsstabil und schluckt die Ungereimtheiten
mancher Autobahndecke stillschweigend. Ein feines Gefühl!
Beim Beschleunigen befleissigt
sich der Wagen vornehmer Zurückhaltung und lässt sich widerspruchslos vom
kleinen, hitzigen Bruder, dem Rover 2000 TC, vernaschen. Das serienmäßig
installierte Borg-Warner-Getriebe bestätigt sich auch hier wie im großen
Fiat-Reisewagen, dem Typ 130, als Kraftschlucker. Es billigt dem Wagen nur
folgende Beschleunigungszeiten zu: 0-100 in 15,4 Sekunden, 0-120 in 20,9
Sekunden, 0-140 in 31,5 Sekunden. Man kommt ein wenig schneller voran, wenn man
das Getriebe mit der Hand durchschaltet, aber auch dann macht der Wandler den
spritzigen und zeitsparenden Kavalierstart unmöglich. Durchgeschaltet erzielt
man die Zeiten 13,4, 19,2 und 28,2 Sekunden. Ich habe in diesem Fall den Motor
bis auf 5200 U/min ausgedreht, während die Automatik schon bei 4400 U/min
weiterschaltet.
Dieser Wagen will, genau wie
der große Fiat, nicht missverstanden werden. Er ist ein Reisewagen, der seine
Insassen nicht nur schont, sondern sogar verwöhnt. Diese Kategorie Auto drohte
in Vergessenheit zu geraten, aber im Grunde hat sie in der heutigen gesamteuropäischen
Verkehrssituation und bei den Entfernungen, die wir heute, ohne mit der Wimper
zu zucken, zurücklegen, die größte Daseinsberechtigung.
Der Testverbrauch lag zwischen
17,5 und 19 Liter auf 100 km. Das war zu erwarten. Erstaunlich ist der Preis für
diesen Achtzylinder mit Getriebeautomatik: 17.455 Mark, einschließlich
Mehrwertsteuer.
Ein V8 mit Automatik, äusserlich
nicht größer als mancher kurzatmige Vierzylinder, kann vom Automobilkritiker
nur freudig begrüßt werden. Möge das Konzept Nachahmer finden.
stern / Deutschland 34/1969
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