Rover 3500 V8
Seine Lordschaft
Es gibt Wagen, die wirken
ungeheuer beeindruckend, so lange sie friedlich am Straßenrand stehen. Wenn man
mit ihnen fährt, sind sie enttäuschend wie ein kleiner Wein mit großem
Etikett. Es bleibt ein „leerer" Nachgeschmack. Es gibt aber auch Wagen,
die erst von innen heraus wirken, deren wahrer Wert erst nach einigen Kilometern
Erfahrung sichtbar wird. Solche Wagen bauen die Engländer, Wagen mit echt
britischem Understatement.
Der Rover 3500 ist ein solcher
Wagen mit Liebe zum Detail. In keinem Punkt ein Wagen an der Grenze der
technischen Möglichkeiten. In allen Punkten aber zuverlässig, ausgereift,
sicher, organisch gewachsen. In diesem Wachstum liegen viele Vorteile. Denn
nichts wird erst im Serienwagen erprobt. Auch das kleinste Teilchen geht erst
dann in Serie, wenn es sicher, ja schon fast klassisch geworden ist. So wächst
der Wagen in immer größere technische Perfektion hinein. Aber, und auch dies
muss gesagt werden, das Wachstum findet auf gestandenem Holze statt. Jedes neue
technische Detail erfordert ein neues Knöpfchen. Die denn auch im Rover 3500
mannigfach und an gar verborgenen Stellen sprießen. Freilich kein Wildwuchs.
Ein jedes Ding hat seinen Sinn und Zweck. Wohl aber deutlich ersichtlich nachträglich
hinzugewachsen. Dabei sind natürlich all diese Dinge grundsolide. Nichts ist
fummelig, ärmlich, blechern. Es wurde nicht gespart. Und das ist beim Preis des
Wagens eigentlich eine Überraschung. Gemessen an Ausstattung und Leistung müssen
bei vergleichbaren Modellen einige runde Tausend mehr bezahlt werden.
Doch genug des Allgemeinen.
Schauen wir uns den Rover 3500 einmal ein wenig näher an. Die äussere Form ist
seit einigen Jahren im wesentlichen unverändert. Sie gehorcht klassischen
Stilelementen mehr denn modischen Capricen. Damit erwirbt man einen Wagen, der,
wie bereits gesagt, nicht mit dem verquälten Attribut „irre schick"
bedacht werden kann, der aber andererseits auch in den nächsten Jahren noch
immer stilvoll gediegene Eleganz ausstrahlen wird. In der Entscheidung für ein
solches Modell liegt ein wenig Lebensanschauung, aber nach dem ärztlichen Ethos
mit dem „mehr sein als scheinen" kann die Entscheidung durchaus
begeistert positiv sein. Sehr hübsch im äusseren Erscheinungsbild der ungewöhnliche
Kühlergrill, der zumindest die Frontpartie relativ flach und sportlich breit
wirken lässt.
Aber getreu der Maxime, dass
der Wert eines Automobils im Inneren zu beurteilen sei – und hiermit
kokettieren die Rover-Ingenieure – ist noch mehr Ungewöhnliches von dort zu
berichten. Lederbezogene Einzelsitze, stufenlos verstellbare Rückenlehnen und
Vorrichtungen für Kopfstützen. Ein breit angelegtes übersichtliches
Armaturenbrett mit gut lesbaren Instrumenten. Serienmäßige Ausrüstung mit
Drehzahlmesser, Ladekontrolle, unkomplizierte Heizung und Lüftung mit guter
Wirkung. Ungewöhnlich und für den Beifahrer ein wenig hinderlich der Deckel
des recht großen Handschuhfachs, der von den Knien eben dieses Beifahrers
aufgefangen werden muss. Tröstlich immerhin die gute Polsterung dieser Klappe.
Geschickt wurden die Türgriffe
unter den Armlehnen angeordnet, sie bleiben also wirklich griffig, ohne die
Sicherheit im Wageninnern zu gefährden. Sehr flach, aber gut beweglich die
Fenstergriffe und der Drehgriff für die Seitenausstellfenster. Bereits erwähnt
wurden die Bedienungsknöpfe, die alle gut zu bewegen und leicht erreichbar
sind, deren Vielzahl aber in einem veränderten Modell ganz sicher zu reduzieren
ist. Dankbar werden die Konservativen unter uns Autofahrern – und wer ist hier
nicht ein wenig konservativ – den Choke und die Einrichtung des Reservetanks
(Inhalt 11,4 Liter) begrüßen. Selbst wenn beides nicht eben häufig gebraucht
werden muss, so verleihen sie das Gefühl beruhigender Sicherheit.
Der Rover 3500 ist serienmäßig
mit automatischem Getriebe ausgerüstet, der Wählhebel befindet sich gut
erreichbar auf dem Getriebetunnel. Die Lenkung ist präzis, leichtgängig und
ermöglicht einen Wendekreis von 11,5 Metern.
Alles in allem gilt für den
Innenraum eine überaus positive Bewertung. Der Rover 3500 bietet die
Bequemlichkeit eines großen Reisewagens, die auch lange Riesen ohne Ermüdung
zuläßt. Die anderen wesentlichen Voraussetzungen, die Prädikate des
anspruchsvollen Reisewagens zu rechtfertigen, liegen in den übrigen technischen
Einzelheiten. Da ist zunächst einmal der obengesteuerte Aluminium-Motor mit 8
Zylindern in V-Form. Zylinderinhalt 3528 ccm. Die Maschine wird von 2
SU-Vergasern gespeist, sie arbeitet mit einer Verdichtung von 10,5:1. Diese hohe
Verdichtung stellt natürlich gewisse Anforderungen an die Benzinqualität. Die
Motorleistung ist mit 140 PS nicht ungewöhnlich hoch. Dennoch ergeben sich sehr
befriedigende Beschleunigungswerte, die auch durch die
Borg-Warner-Getriebeautomatik nicht wesentlich beeinträchtigt werden. So
erreicht der Rover 3500 aus dem Stand in 12,1 Sekunden die Geschwindigkeit von
100 km/h. Die Spitzen- und weitgehend auch Reisegeschwindigkeit liegt bei etwa
180 km/h. Der Antrieb wirkt auf die Hinterräder. Der Benzinverbrauch des Wagens
ist der Größe der Maschine angemessen, er liegt durchschnittlich und bei
normaler Fahrweise etwas über 13 Liter.
Über Scheibenbremsen an den
Vorder- und Hinterrädern kann der recht schwere Wagen auch bei hoher
Geschwindigkeit sehr gut abgebremst werden. Die Bremsen sind mit Servounterstützung
ausgestattet, die Radaufhängung ergibt auch in extremen Bremssituationen ein
kontrollierbares Verhalten. Der Wagen ist serienmäßig mit Gürtelreifen
ausgestattet.
Zum wesentlichen Bestandteil
der Sicherheit eines Fahrzeugs gehört natürlich die Straßenlage und
Kurvenstabilität. Auch hier zeigte unser Testwagen überaus gute Werte. Er
blieb auch in extremen Situationen beherrschbar und in seinem Verhalten zu
berechnen.
Das
Gesamturteil ist deshalb sehr positiv. Der Rover 3500 ist ein technisch
ausgereiftes, ungewöhnlich ausgewogenes Automobil. Diese feine innere
Abstimmung schafft von der Minute der ersten Begegnung an ein Gefühl vertrauter
Sicherheit. Ein Gefühl, das aus allen technischen Details heraus berechtigt und
angemessen erscheint. Der Rover 3500 ist ein Wagen mit Noblesse, und die
verpflichtet bekanntlich.
arzt + auto / Deutschland 8/1972
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