Rover 3500 V8
Hinter dieser Typenbezeichnung verbirgt sich eines der vortrefflichsten
Automobile Großbritanniens. Nachdem der 100.000. Rover 2000 (mit
Vierzylinder-Reihenmotor) vom Band gelaufen ist, gibt es das Modell jetzt
in Abwandlung auch mit einem weit stärkeren Motor. Der neue Wagen hat zwar
die Karosserie des 2000, erhält seine sehr viel höhere Leistung jedoch von
dem 3.5-l-V8-Motor, der im September vergangenen Jahres für den
Rover-3,5-Liter (Limousinen- und Coupe-Ausführung) herausgebracht wurde.
Dieser Motor stammt in der Grundkonstruktion von General Motors (USA). In
Großbritannien beträchtlich überarbeitet, wurde er vor allem technologisch
erst hier „fertig". Sein Gehäuse besteht aus einer vergüteten
Leichtmetall-Legierung und ist tief herabgezogen. Die Zylinderbuchsen sind
trocken eingesetzt. Die Ventile - mit doppelten Federn,
Leichtmetall-Kipphebeln und hydraulischen Stößeln - hängen leicht schräg
in den Zylinderköpfen. Der Brennraum (im Zylinderkopf) hat die Form eines
Kugelabschnitts.
Die gegossene, fünfmal gelagerte Kurbelwelle trägt einen
Drehschwingungsdämpfer. Die Dünnschalen-Hauptlager haben
ungewöhnlicherweise gusseiserne Lagerdeckel. Die Pleuel sind geschmiedet,
die Kolbenbolzen ins Pleuelauge eingepresst. Die Leichtmetallkolben tragen
zwei Verdichtungsringe und einen Ölabstreifring. Die gehärtete, fünfmal
gelagerte Grauguß-Nockenwelle wird aus den USA importiert. Ihren Antrieb
besorgt eine nahezu geräuschlos laufende, sehr langlebige sogenannte
Rollzahnkette. Dem Graugussrad auf der Kurbelwelle steht ein
nylonumspritztes Leichtmetallrad auf der Nockenwelle gegenüber. Ein
Kettenspanner erübrigt sich; dank der hydraulischen Stößel braucht man
auch das Ventilspiel nie nachzustellen.
Jeder Vergaser speist „seine" zwei inneren Zylinder und die äußeren der
gegenüberliegenden Motorseite. Das Saugrohr ist kühlwasserbeheizt.
Zwischen ihm und der Stößelkammer dämpft ein Plastekissen mögliche
Resonanzen. Die Kurbelgehäuse-Absaugung erfolgt nach einem neuartigen
(Patent-)Verfahren über ein besonderes Filter. Interessant erscheint uns
die Form der Lüfterflügel, die praktisch unhörbar laufen.
Der neue V8-Motor ist nicht länger und kaum schwerer als der
Vierzylinder-Reihenmotor des Rover-2-Liter, etwa 100 kg leichter als der
Dreiliter-Sechszylinder-Reihenmotor von Rover und verbraucht ntcht mehr
Kraftstoff als dieser.
Als Kraftübertragung des neuen schnellen Rover wird ausschließlich das
vollautomatische Borg-Warner-Getriebe geliefert. Die individuelle Wahl
(beziehungsweise Begrenzung) der Fahrbereiche erfolgt mit einem kurzen
Knüppel. Das Achsgetriebe ist hypoidverzahnt.
Die vordere Einzelradaufhängung wird durch Doppeldreieckslenker mit
seitlich drehbar gelagerter oberer Schwinge gekennzeichnet. Hinten finden
wir ein De-Dion-Gleitrohr, Kardangelenke für die Antriebswellen und
sogenannte Watts-Schwingen. Die hydraulischen Teleskopdämpfer sind von der
Bauart Woodhead. Die Kugelumlauflenkung hat keine Säule im eigentlichen
Sinne, sondern nur eine kurze, mehrgliedrige Welle, gehalten von einem
Stahlblechprofil. Es erlaubt eine Höhenverstellung des Lenkrads (Bereich
etwa 80 mm), das überdies bei einem Aufprall wegknicken kann. Zur
Allrad-Scheibenbremsanlage gehören Bremskraftverstärker und
Selbsteinstellung.
Die Hochleistungs-Limousine ist im wesentlichen unverändert im Vergleich
zum 2000, wenn auch neben dem neuen Motor der Bodenraum, die Aufhängung,
die Kraftübertragung und die Bremsanlage entsprechend der höheren Leistung
- und um den V8-Motor unterzubringen - verändert wurden. Weitere
Änderungen sind breitere Felgen, vermehrte Kühlfähigkeit, ein neues
Auspuffsystem und vergrößerte Luftansaugöffnungen.
Der Bodenrahmen, der alle Karosserieteile und die mechanischen Baugruppen
aufnimmt, ist leicht, aber robust.. Er schließt einen Trennrahmen aus
Kastenprofitstahl zwischen Motor- und Fahrgastraum ein. Dieser nimmt alle
Belastungen und Spannungen auf, die durch die Vorderradaufhängung
übertragen werden, und sorgt gleichzeitig dafür, daß der Fahrgastraum
praktisch nicht zusammengedrückt werden kann. Diese Konstruktionsmerkmale
des 2000 finden wir auch im neuen Rover 3500 wieder.
Die Innenausstattung ist eine Kombination von gutem Aussehen und praktisch
durchdachter Anordnung. Die vier Einzelsitze sind lederbezogen und so
konstruiert, daß sie bei schneller Kurvenfahrt festen Halt bieten. Im Fond
lassen sich auch drei Personen befördern. Die Vordersitzlehnen kann man
fast bis zur Horizontalen zurückklappen.
Das Instrumentenbrett, in afrikanischem Nussbaum gehalten, trägt alle
Anzeigen in einer Gruppierung unmittelbar vor dem Fahrer. Durch das
Zweispeichenlenkrad unbehindert abzulesen, wären hier Rundinstrumente
allerdings eher am Platze, weil sie erfahrungsgemäß schneller zu erfassen
sind. Die Bedienungsknöpfe, in einer Reihe angebracht, lassen sich durch
ihre verschiedenartigen Formen und Bewegungsarten hinreichend leicht
unterscheiden.
Neben den zahlreichen Details, die zur serienmäßigen Ausrüstung gehören,
kann das neue Modell auch mit einer Reihe von Sonderausrüstungen geliefert
werden, die man vor der Auslieferung im Werk einbaut. Dazu gehören
Kopfstützen für alle Sitze, elektrisch beheizbares Rückfenster,
Windschutzscheibe aus Mehrschichtenglas, Reserverad-Halterung außen auf
dem Kofferdeckel, Drehzahlmesser und - für besonders anspruchsvolle
Autofahrer - getöntes Glas.
In den Fahrleistungen übertrifft der neue Rover 3500 alles bisher von
dieser Marke Bekannte. Der Motor bringt eine Leistungssteigerung von 85
Prozent gegenüber dem 2000 SC (mit einfachem Vergaser), von 47 Prozent
gegenüber dem 2000 TC (mit Doppelvergaser) und von 33 Prozent gegenüber
dem Rover 3-Liter. Mit dem doppelten Drehmoment des normalen 2000
aufwartend, dürften 100 km/h aus dem Stand in weniger als 10 s erreichbar
sein ... vorausgesetzt, der Fahrbahnbelag erlaubt diese Beschleunigung.
Sie ist hier vor allem eine Aufgabe für das Getriebe, denn den Fahrer hat
man wohlweislich von der Schaltungspflicht befreit. Da das Fahrwerk ein
Optimum an Spurfestigkeit bietet und Straßenlage sowie Federungskomfort
kaum noch ein Geschwindigkeitsempfinden entstehen lassen, bleibt dem
Fahrer noch die Aufgabe, sich an die ebenso butterweiche wie kurbelreiche
Lenkung zu gewöhnen und hier in kritischer Situation mit der richtigen
„Drehzahl" zu hantieren. Spätestens an dieser Stelle wird dem
Verantwortungsbewußten klar, daß eine schnelle Limousine kein Renner für
Alltagsfahrer, sondern ein sicherheitsförderlicher Spurter aus der Enge
des Verkehrs sein soll. Sicherheit so betrachtet, läßt „schnelle Modelle",
wie hier den Rover 3500, ungemein sympathisch werden.
DDR
1968
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