Rover 3500 V8 Serie 2
Einfach
drüber stehen
Wer wie Eric Plant Rover P6 fährt, braucht so viel Geduld wie Wissen. Aber
dann ist der letzte echte Rover eine Offenbarung.
Es
gibt Autos, zu deren gehört eine gehörige Portion Selbstbewusstsein des
Besitzers. Der Rover P6 ist so ein Typ. Und Eric Plant ist derjenige mit
dem Selbnstbewusstsein - er fährt mittlerweile seinen fünften P6. Ein
Wagen, den hierzulande nur wenige kennen. Sieht skurril und unscheinbar
aus. Ist nicht sonderlich generös ausgestattet. Eine handliche Limousine
aus GB, entwicklelt in den glorreichen Zeiten der britischen
Automobilgeschichte, gebaut bis in die dunkelste Zeit britischen Elends.
Vorgestellt als Nachfolger des als "poor man´s Rolls-Royce" geradezu
geadelten Rover P5 im Jahre 1963 konnte er diesen zwar überleben, aber
nicht ersetzen. Der phantastische P5 stand von 1958 bis 1973 als
Neuwagen in den Schaufenstern und sein Erfolg führte dazu, dass der P6
eher als Abrundung der Modellpakete nach unten verstanden wurde.
Der
P6 wurde eingeführt als Vertreter der gehobenen Mittelklasse -
vielleicht mit der Mercedes Heckflosse oder gar deren Nachfolger, den
W108/W109, vergleichbar - war diesen in technischer Hinsicht aber
teils deutlich überlegen. Scheibenbremsen rundum, hinten innenliegend
(fürs Fahren klasse, zum Warten für Ungeübte sehr unerquicklich; Plant
tauscht mittlerweile hintere Bremsbeläge mit verbundenen Augen und mit
einer Hand auf dem Rücken...), sämtliche Karosserieteile verschraubt
(vom Citroen ID/DS inspiriert, auch das Design läuft in diese Richtung),
aufwändige Radaufhängungen rundum mit vorn liegenden Federn, hinten eine
De-Dion-Achse, in den zunächst ausschließlich als Vierzylinder
angebotenen P6 eine obenliegende Nockenwelle, natriumgefüllte
Auslassventile, diverse Zierleisten in Edelstahl statt verchromten
Applikationen aus Druckguss (oder aus Plastik mit einem Chromderivat
bedampft - einfach lächerlich, aber 2015 üblich), eine extrem kurze
Lenksäule, die nicht in den Fahrgastraum eindringen kann; und Hauben
aus Leichtmetall sowie ein wunderbares Fahrwerk.
Ein so richtig herrlich
unpraktischer Rechtslenker ist auch der mexikobraune Rover vom
Eigentümer unseres Fotomodells, Eric Plant. Selbst mit einem britischen
Passport ausgestattet, vermag sich Besitzer Eric Plant schon genetisch
nicht den Reizen der Produkte von der Insel entziehen. So zählten
bereits die erwähnten weiteren P6 (sämtlich in hervorragendem Zustand),
ein P5 3,5 Coupé sowie ein hierzulande praktisch völlig ausgestorbener
Austin 1100 (quasi ein aufgepusteter Mini und ein Riesenerfolg bei den
Skandinaviern und den Untertanen Ihrer Majestät Königin Elizabeth II) zu
seinem Fuhrpark.
Plant ficht es nicht
an, wenn Unwissende ihn fragen, welche Marke er denn da fahre. Ob es
sich eventuell um einen Trabant handele oder vielleicht einen Lada? Aber
doch sicher aus dem Ostblock, oder? Und da muss man dann einfach drüber
stehen. Egal.
Gäbe es mehr Leute wie
Plant, würden sicher viel mehr wunderbare Autos auf unseren Straßen
herumfahren, die im Gegensatz zu einem Mercedes, Porsche oder Ferrari
einfach kein solides, sondern ein cooles Image haben. Eben kein
Mainstream.
Eric Plant wusste sich
schon früh mit Hilfe von Schlachtungen verschiedener P6 zu helfen. Seine
Verbindungen in der Szene sind hervorragend und seine Kenntnisse gerade
im Bereich Rover P6 sehr umfangreich. Gern wird er von den wenigen
anderen P6-Fahrern Hamburgs um Rat gefragt. Und er schraubt auch
höchstselbst an seinen Babys, bis sie sich in einem wirklich guten,
zuverlässigen Zustand befinden. Um sein Teilelager muss ihn jeder andere
P6-Eigner beneiden.
Sein aktueller
Alltags-Rover kam zu ihm in substanziell gutem Zustand. Da der Anspruch
in der Regel mit den Jahren nur steigt, musste dann doch etwas am Lack
getan werden. Das Vinyl-Dach wurde neu bespannt, die Sitze neu geledert.
Die Dunlopillo-Latex-Sitzkerne selbst hingegen sind noch immer die ab
Werk verbauten - und sie sind schlicht perfekt. Der gestiegene Anspruch
bezieht sich natürlich auch auf die Motorleistung, was im Falle Rover P6
bedeutet, dass möglichst ein V8 her muss. Gerne noch mit Schaltgetriebe.
Wenn auch die
allgemeine Ersatzteilsituation für das hier besprochene Modell
tendenziell angespannt und in Teilbereichen als aussichtslos bezeichnet
werden kann, so erhält man doch gerade im Bereich der Maschine recht
unangestrengt Ersatz für verschlissene Teile. Sogar scharfe Nockenwellen
sind erhältlich. Dieser grandiose Leichtmetall-V8 (ursprünglich von
Buick entwickelt und in Lizenz seit Menschengedenken in England bis 2006
gebaut und in diverse britische Autos und Boote gesteckt) brauchte bei
Plants braunem Bomber nicht überholt, musste jedoch etwas abgedichtet
werden ("ein englisches Auto, das keine Flüssigkeiten verliert, hat
einfach keine mehr drin..." sagt man gemeinhin). Auch die Optik des
Motorraumes wurde deutlich verbessert. Die im Innenraum verbauten
Holzteile bedurften einer kundigen Hand und auch der Teppich ist ganz
frisch.
Allmählich ist der
Eigner mit dem Zustand seiner Preziose ganz zufrieden und man kann fast
davon ausgehen, dass wohl die Hälfte der in Hamburg umherfahrenden P6 -
geschätzt ein knappes Dutzend - durch Plants Hände gegangen sind.
Die Spaltmaße darf man
natürlich nicht mit denen moderner Autos vergleichen. Besonders
britische und amerikanische Autohersteller beschäftigten kreative Köpfe
auch am Fließband, die ihre ganz eigenen Vorstellungen von
Verarbeitungsqualität und besonders Passungen hatten. Und trotzdem
fallen gerade die Türen beim P6 mit einer Leichtigkeit gepaart mit einem
dezenten "Klick" ins Schloss, dass man sich fragt, warum heute alle
Autotüren klingen, als würde man zwei leere PET-Flaschen aneinander
schlagen. Auch ist völlig schleierhaft, wie die Ingenieure es geschafft
haben, Kurbelfenster zu konstruieren, die nicht nur 40 Jahre ganz
wunderbar funktionieren, sondern halb so schwergängig sind wie bei allen
anderen Autos und trotzdem lediglich die Hälfte der Umdrehungen der
Kurbel zum Bewegen der Scheiben benötigen. Den ersten überhaupt
verliehenen Titel "Auto des Jahres" hat der Rover P6 1964 unserer
Meinung nach allein mit diesem Gimmick schon mehr als verdient. Bei
jeder so raren Begegnung im Straßenverkehr mit einem Rover P6 sollte
sich jeder von uns über so ein seltenes, feines Automobil freuen. Der
aktuelle Einheitsbrei, dessen Unterscheidung üblicherweise allein mit
Hilfe der Lektüre der (deshalb?) so zahllosen Schriftzüge möglich ist,
wird nicht zu unseren Lebzeiten einen Status erreichen wie eben jener
P6.
Der letzte richtige
Rover.
Träume Wagen / Deutschland 2015
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