Rover 3500 S

Vier Jahre hindurch wurde der 1968 vorgestellte Rover 3500 mit V8-Motor ausschließlich mit einem automatischen Getriebe angeboten und etliche Schaltknüppel-Fanatiker gaben offen zu, daß der Rover V8 "ihr" Auto wäre, wenn es ein manuell geschaltetes Getriebe hätte. Rover konterte darauf mit dem Rover 3500 S, der sich vom Rover 3500 nicht nur durch das handgeschaltete Getriebe unterscheidet, sondern auch äußerlich sofort durch das Vinyldach und die attraktiveren Radzierkappen zu erkennen ist. Weitere Verbesserungen wurden an den Sitzen und an den Scheinwerfern vorgenommen und der bullige V8-Motor besitzt im 3500 S dank Modifikation an den Auspuffkrümmern mit 147 PS um 6 PS mehr als im Modell 3500. Außerdem gehört im 3500 S die Servolenkung, die Kopfstützen an den vorderen Sitzen, die heizbare Heckscheibe und Gürtelreifen zur Serienausrüstung. Nicht nur auf Grund seiner Fahrleistungen und seiner reichhaltigen Ausstattung, sondern auch wegen seiner soliden Verarbeitung und des Hauches von Luxus und Exklusivität, die ihn umgeben, gehört der Rover 3500 S zu den Fahrzeugen der europäischen Spitzenklasse. Nur kann man sich beim Rover 3500 S schon um den vergleichsweise günstigen Preis von 142.240 Schilling in diese Klasse einkaufen.

Die Kraft und die Herrlichkeit

Sobald man einige Kilometer mit dem Rover 3500 S gefahren ist, hat man mehr Verständnis für den oft zitierten Grundsatz der Amerikaner: "There is no substitute for displacement" (es gibt keinen Ersatz für Hubraum). Eine Höchstleistung von 147 PS (DIN) ist heute auch bei europäischen Wagen keine Seltenheit mehr; das Faszinierende am Rover 3500 S ist jedoch die vornehme und dezente Art der Kraftentfaltung. In einer Preisklasse, wo man bestenfalls mit einem Sechszylindermotor verwöhnt wird, sich aber meist noch mit rauhbeinigen Vierzylindermotoren zufrieden geben muß, schätzt man die ausgesprochene Laufruhe und Elastizität dieses V8-Motors amerikanischer Provenienz. Es handelt sich um einen weiterentwickelten Leichtmetall-V8-Motor eines heute nicht mehr gebauten Buick-Modells, für den Rover die Herstellungsrechte erworben hat und den man außerdem noch im Saloon 3.5 und im Range Rover verwendet. Der Motor ist ein Vertreter der klassischen amerikanischen Bauart mit hydraulischen Ventilstößeln und zentraler Nockenwelle. Er gibt auch bei Vollgasbeschleunigung nur ein gedämpftes Brummen von sich, vorausgesetzt, daß man die Nenndrehzahl von 5000 U/min nicht überschreitet; und er packt durch seinen äußerst günstigen Drehmomentverlauf schon ab etwa 2000 U/min kraftvoll zu, was in den exzellenten Beschleunigungswerten zum Ausdruck kommt. Eine Beschleunigungszeit von 10,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h ist durchaus eine "sportliche Leistung", was aber weit wichtiger ist, ist die überlegene Beschleunigungsreserve oberhalb von 100 bis 120 km/h, die einen sehr wichtigen Sicherheitsfaktor beim Überholen darstellt. Der dritte Gang reicht bis über 140 km/h, aber auch wenn man nicht zurückschaltet, verfügt der Rover 3500 S in diesem Geschwindigkeitsbereich noch über ein erstaunliches Beschleunigungsvermögen. Überraschend - zumindest für einen an einen V8-Motor nicht gewöhnten Europäer - ist auch die Laufkultur und völlige Vibrationsfreiheit dieser Maschine, mit der man schon aus rund 800 U/min und darunter - das entspricht im 4. Gang einem Geschwindigkeitsbereich von 30 bis 35 km/h - ruckfrei beschleunigen kann.

Für die Annehmlichkeiten, die dieser Motor zu bieten hat, wird man allerdings auch beim Tanken zur Kasse gebeten. Obwohl der Verbrauch der handgeschalteten Version gegenüber der Automatikversion etwas günstiger liegt, bewegte sich der Verbrauch in unserem Test zwischen 13,4 l/100 km und 21,4 l/100 km, wobei der niedrigste Verbrauch bei flüssiger Überlandfahrt mit etwa 80 km/h Schnitt registriert wurde und der höchste Verbrauch bei Vollgasfahrt auf der Autobahn, wobei der beachtliche Schnitt von 180 km/h erreicht wurde. Über die gesamte Teststrecke lag der Verbrauch im Mittel etwa bei 16 l/100 km und wenn man auf der Autobahn die 160 km/h-Grenze nicht überschreitet, wird man auch keinen höheren Verbrauch zu verzeichnen haben.

Gut gestuftes Vierganggetriebe

Das Vierganggetriebe des Rover 3500 S ist eine modifizierte Ausführung des Getriebes des 2000 TC. Lager und Wellen mußten der höheren Motorleistung angepaßt werden und eine zusätzliche Ölpumpe sowie eine größere Getriebeölfüllmenge tragen ebenfalls der größeren Leistung und damit der größeren Wärmeentwicklung Rechnung. Geschaltet wird das Getriebe über einen extrem kurzen Schaltknüppel am Kardantunnel. Die Gangwechsel lassen sich exakt durchführen, die Synchronisation arbeitet in allen Gängen tadellos, mit einem etwas längeren Schaltknüppel ließen sich die Schaltvorgänge sicherlich auch noch mit einem geringeren Kraftaufwand durchführen. Die Getriebeübersetzungen sind sehr gut gewählt. Die Reichweiten der einzelnen Gänge gehen beim Ausdrehen bis zum Beginn des roten Drehzahlfeldes bei 5300 U/min bis 55 km/h, 93 km/h, 144 km/h bzw. theoretisch bis knapp über 200 km/h. An sich paßt zum Komfortcharakter des Rover und zum bulligen V8-Motor die hydraulische Kraftübertragung besser, aber das manuell betätigte Getriebe bietet zweifellos Vorteile wie bessere Fahrleistungen und geringeren Benzinverbrauch und außerdem ist er billiger, so daß beim 3500 S zum gleichen Preis wie beim 3500 Servolenkung, Kopfstützen, heizbare Heckscheibe und Gürtelreifen in der Serienausstattung enthalten sind.

Komfort-Fahrwerk

Die Karosserie und das Fahrwerk des Rover 3500 S wurden fast unverändert von den schon länger gebauten Modellen 2000 bzw. 3500 übernommen. Das Fahrwerk bietet für den Techniker einige höchst interessante und außergewöhnliche Details. Die Vorderradaufhängung mit waagerecht liegenden Schraubenfedern, auf welche sich die Radträger über Winkelhebel abstützen, stellt ein ausschließlich bei Rover verwendetes Konstruktionsprinzip dar. Die am Rover verwendete De Dion-Achse unterscheidet sich von anderen Achsen dieses Prinzips dadurch, daß hier die Halbwellen keinen Längenausgleich durch Schiebestücke besitzen, sondern die Länge des geteilten Achsrohres beim Ein- und Ausfedern variiert und somit ohne Sturzänderung geringfügige Spurveränderungen auftreten. Die hinteren Scheibenbremsen liegen zur Verringerung der ungefederten Massen innen am Differential. Für den technisch weniger Interessierten genügt die Feststellung, daß die Federung des Rover 3500 S ein gutes Schluckvermögen für alle auftretenden Arten von Unebenheiten besitzt und kaum irgendwelche unangenehmen Stöße bis zu den Wageninsassen durchläßt. Die weiche Grundfederung kommt allerdings auch bei schnell gefahrenen Kurven in einer beachtlichen Querneigung zum Ausdruck. Der Wagen verhält sich weitgehend neutral bis untersteuernd, bei engen Kurven fällt es einem jedoch nicht schwer, den Wagen durch Gasgeben brüsk zum Übersteuern zu bringen. Mit der Servolenkung ist der Wagen in allen Situationen spielend leicht zu lenken (auch beim Parken), das Fahrbahngefühl bleibt trotzdem erhalten. Einzige störende Nebenerscheinung der Servolenkung ist ein deutlich hörbares Zischen bei jeder Lenkbewegung.

Das Fahrwerk des Rover 3500 S bietet ein hohes Maß an aktiver Sicherheit, für eine forcierte Gangart auf sehr kurvenreichen Strecken ist er jedoch wegen der starken Querneigung nicht geeignet. Eine derartige Fahrweise würde aber zum Charakter des Rover ohnehin nicht passen, denn am Steuer des Rover fühlt man sich verpflichtet, sich immer als Gentleman zu benehmen.

Knapper Fondraum

Während man der Technik und den Fahreigenschaften des Rover auf gar keinen Fall anmerkt, daß dieses Fahrzeug in seiner Grundkonzeption bereits seit zehn Jahren unverändert geblieben ist, kann man dies vom Styling der Karosserie nicht ganz behaupten. Die Linienführung des Rover wirkt zwar zeitlos elegant, die hohe Gürtellinie verrät einem jedoch, daß der Entwurf dieser Karosserie schon einige Jährchen zurückliegt. Außerdem versteht man es heute im allgemeinen besser, eine Gesamtlänge von 456 Zentimetern für Passagier- und Kofferraum auszunützen. Auf den Vordersitzen finden zwar Personen jeder Statur ausreichend Platz, bei Fahrten mit vier Personen muß man jedoch den vorhandenen Beinraum gerecht verteilen. Das heißt, daß dann die Frontpassagiere ihre Sitze gegenüber ihrer gewohnten Position etwas nach vorne rücken müssen, um den Fondpassagieren eine halbwegs bequeme Unterbringung ihrer Beine zu ermöglichen. Zum Teil tragen natürlich auch die voluminösen Lehnen Schuld an diesem Umstand und die riesigen Kopfstützen der Frontsitze wirken zusätzlich noch - zumindest optisch und psychologisch - beengend für die Fondpassagiere. Einer fünften Person, die zwischen den beiden Sitzmulden der hinteren Sitzbank über dem Kardantunnel thront, kann man nur kürzere Fahrten zumuten. Da die vorderen Sitze durch den breiten Getriebetunnel aus der Mitte etwas nach außen gerückt sind, fühlt man sich durch die Nähe der Türen etwas beengt, während in der Mitte über dem Tunnel zwischen den Ellbogen der beiden Frontpassagiere viel Raum ungenützt bleibt; es kann sich aber niemand darüber beklagen, daß er auf den Vordersitzen nicht bequem Platz fände. Der Fahrer kann außerdem noch die Lage des Lenkrades auf seine Sitzposition einstellen. Die Sitze bieten durch die Formgebung dem Körper sehr gute Unterstützung und sehr guten seitlichen Halt und weisen eine stufenlose Lehnenverstellung auf, die nicht wie üblich mit einem Rändelrad vorgenommen wird, sondern mit einem kräftigen Schnellverstellhebel.

Auch die Größe des Kofferraumes ist für diese Wagenkategorie eher etwas enttäuschend. Der Kofferraum ist zwar sehr hoch, so daß man Koffer stehend unterbringen kann, das seitlich stehende Reserverad nimmt aber in der Breite sehr viel Platz weg. Mit wenigen Handgriffen kann man aber das Reserverad außen am Kofferraumdeckel befestigen, was heute allerdings schon eine gewisse Seltenheit bei einem Auto darstellt. Außerdem beeinträchtigt diese Unterbringung des Reserverades die Sicht nach hinten. Die Betriebsanleitung weist auch noch auf eine dritte Unterbringungsmöglichkeit für das Reserverad hin - nämlich liegend am Kofferraumboden, wobei man dann die Breite voll nützen kann, dafür aber nur eine beschränkte Höhe des Kofferraumes zur Verfügung hat. Wollte man boshaft sein, könnte man fast sagen, beim Entwurf des Rover hat man das Reserverad vergessen.

Reichhaltige Ausstattung - gut durchdacht

Das Interieur des Rover 3500 S wirkt luxuriös und gediegen, mit einem Hauch von Sportlichkeit. Die Ausstattung ist ausgesprochen reichhaltig und bis ins Detail durchdacht und mit Liebe durchkonstruiert, so daß man auch hier auf einige Rover-Spezialitäten stößt. Dazu gehört z.B. eine Kontrollampe für den Choke, die erst dann aufleuchtet, wenn die Kühlwassertemperatur über 50 Grad angestiegen ist und der Choke für einen runden Lauf und tadellose Übergänge beim Beschleunigen nicht mehr notwendig ist, oder der Wischerintervallschalter mit stufenlos variablen Intervallen. Oder ein zweistufiger Schalter für die Innenbeleuchtung, mit dem man in der ersten Stufe eine Leselampe vor dem Beifahrersitz einschaltet und in der zweiten Stufe die übliche Beleuchtung am Himmel dazuschaltet. Die Schalter auf der Mittelkonsole sind beleuchtet und deutlich beschriftet. Sogar die Betätigungshebel an der Lenksäule (Blinker, Hupe, Abblendschalter, Lichthupe) weisen eine Form auf, wie man sie in keinem anderen Auto findet, die aber eine wirklich sichere Betätigung gewährleisten. Während bei allen anderen Automatikgurten, die dem "Austro-Motor"-Team in letzter Zeit untergekommen sind, die Sperrwirkung sowohl durch Beschleunigungen nach allen Richtungen als auch durch rasches Ausziehen des Gurtes eintrat, reagierten die im Rover montierten Gurte ausschließlich auf Beschleunigungen und gewährten dadurch ein Optimum an Bewegungsfreiheit.

Die Frischluftanlage mit dreistufigem, sehr leise laufendem Gebläse und Lufteintrittsöffnungen unter der Windschutzscheibe und im Fußraum und Frischluftdüsen direkt vor den Frontpassagieren (ausschließlich Kaltluft) läßt in Kombination mit den vorderen und hinteren Schwenkfenstern keinen Wunsch offen. Außerdem findet man im Rover ausreichend Ablagemöglichkeiten. Eine geräumige Ablagefläche vor und neben dem Instrumentenbrett, die mit einem Belag versehen ist, auf dem sich die dort abgelegten Kleinigkeiten auch bei größeren Querbeschleunigungen nicht selbstständig machen, ein kleines Ablagefach oberhalb des Radios und zwei sehr praktische Kippfächer vor den Passagieren, deren Deckel gleichzeitig eine gepolsterte Aufprallfläche für die Beine darstellen.

Natürlich gibt es auch einiges zu bemängeln, aber diese wenigen negativen Punkte stehen in keinem Verhältnis zu den vielen positiven Punkten. Der dünne Lenkradkranz entspricht nicht mehr ganz dem heutigen Trend zu massiveren Lenkrädern, die besser in der Hand liegen. Außerdem vermißt man eine Prallfläche an der Lenkradnabe. Beim Testwagen war der Innenrückspiegel ständig verstellt und machte einen billigen und klapprigen Eindruck, der gar nicht zum Charakter des Rover paßte. Ein Kuriosum stellt der Außenrückspiegel dar, der ein erstaunliches Eigenleben entwickelte. Er stellte sozusagen einen zusätzlichen Tachometer dar. Wenn man ihn im Stillstand richtig und gewissenhaft einstellte, verstellte er sich durch den Winddruck beim Fahren so stark, daß bei etwa 120 km/h der hintere Türgriff ins Blickfeld rückte und ab 160 km/h war nur mehr der vordere Türgriff im Rückspiegel zu sehen.

Schneller, bequemer Reisewagen

Wer einen schnellen und bequemen Reisewagen für längere Strecken sucht und größten Wert auf einen geringen Geräuschpegel legt, wird den Rover 3500 S in die engere Wahl ziehen müssen. Seine Vorzüge sind der flüsternde, bullige V8-Motor, der niedrige Geräuschpegel bei schnellen Autobahnfahrten, die gute Federung, gute Fahreigenschaften und eine luxuriöse und gut durchdachte Ausstattung und vor allem ein im Vergleich zu Leistung und Ausstattung ausgesprochen niedriger Preis. Auf der Minusseite steht lediglich der etwas knapp bemessene Fondraum, der die Verwendung als Viersitzer etwas einschränkt. In der handgeschalteten Version wird durch die exzellenten Fahrleistungen die sportliche Seite des Rover etwas unterstrichen.

0-100 km/h 10,5 Sek.

Höchstgeschwindigkeit 195 km/h

Testverbrauch 15,9 l/100 km

Austro-Motor / Österreich 6/1973

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