Rover 2200 TC

im Vergleich mit Alfa Romeo Alfetta, Audi 100 GL

und Saab 99 LE

Eine recht exklusive Fahrzeugklasse tritt diesmal zum AT-Vergleichstest an. Bedingungen waren: Vierzylindermotoren über 100 PS, aufwendige Fahrwerkstechnik, Preis um 120.000 Schilling. Da war der Kreis nicht allzu groß. Audi 100 GL, Alfa Romeo Alfetta, Rover 2200 TC und Saab 99 LE. Der Fünfte im Bunde, der Citroen D Super, machte nicht mit. Citroen Austria-Pressechefin Babin dazu: "Mit so veralteten Konstruktionen wie den DS-Modellen wollen wir an Vergleichstests nicht teilnehmen."

Runde eins: Karosserie

Neben der Form eines Automobils zählt die Ausstattung zum wichtigsten Merkmal, das einem künftigen Käufer schon im Firmenschauraum ins Auge sticht. Da gibt sich keiner der vier Erzeuger eine Blöße: Schon serienmäßig findet man eine fast luxuriöse Ausstattung vor. Ganz besonders im Audi und Saab. Während das Schwedenauto neben seinen Sicherheitsstoßstangen sogar eine Scheinwerferwaschanlage und (für Winterbetrieb) einen heizbaren Fahrersitz offeriert, bereichert der Audi die Ausstattungsliste mit alltäglicheren Beigaben. Um Drehzahlmesser, Automatik-Sicherheitsgurte, Tankschloß und Scheibenwischer-Intervallstufe hat er mehr als der Saab zu bieten, der dem Audi wieder eine Verbundglas-Windschutzscheibe voraus hat. Auch Rover und Alfetta haben ein beträchtliches Ausstattungspunktekonto: An ausgefallenen Extras verfügen sie über verstellbare Lenkräder, dafür gibt es beim Rover kein Halogenlicht und bei der Alfetta muss man für eine heizbare Heckscheibe und für Sicherheitsgurte Aufpreise bezahlen. Eine elektrische Scheibenwaschpumpe hat man dann immer noch nicht und auch auf eine Scheibenwischer-Intervallschaltung muss man verzichten. Deshalb: Im Ausstattungsreigen landet die Alfetta knapp hinter den anderen.

 

Cockpitgröße: Audi klar vorn

Ein Rover-Handicap zeigt sich nach dem Erklettern des Fonds. Auf den wohlgeformten Sitzen kann man es sich nicht bequem machen, weil der Wageninnenraum verhältnismäßig kurz ausgefallen ist. Wenn die Vordermänner für entspannende Sitzposition ihre Sitze zurückschieben, wird es hinten eng wie in einem 2+2-Coupe. Da wurde der Rover von seinen Schöpfern wenig zukunftssicher gestaltet.

 

Dabei ist der 2200 TC das zweitlängste Auto unserer Gruppe. Der Audi, mit 4,60 Meter Außenlänge nur um 5 cm größer, zeigt, wie geräumig solch ein voluminöses Fahrzeug sein kann, wenn der zur Verfügung stehende Raum einigermaßen konsequent für gute Platzverhältnisse im Inneren genutzt wird. Wo immer man sich im Audi niederlässt, ob im Fond oder auf den vorderen Rängen, für bequemes Reisen ist gesorgt. Kompakte Bauweise kommt auch den Alfetta- und Saab-Insassen zugute. Obwohl diese beiden um rund 30 cm (Alfetta) und 20 cm (Saab) kürzer ausgefallen sind als der Rover und Audi, wartet der Innenraum bei Ihnen mit ausreichenden Abmessungen auf. Man sitzt zwar nicht so luftig wie im Audi, hat aber doch genügend Raum zur Verfügung, um längere Reisen gut zu überstehen.

 

Sitzqualität: Wieder Audi Nummer eins

Auf den Audi-Vordersitzen fühlt man sich besonders wohl. Reichliche Sitzbreite und eine komfortable Schalenform (sehr guter Seitenhalt in Kurven wird geboten) lassen die Audi-Sessel vorbildlich erscheinen. Auch Rover hat für bequeme Sitzmöbel vorn gesorgt, die Seitenführung des Körpers ist allerdings nicht so gut wie im Audi.

 

Überhaupt keinen Seitenhalt bieten Alfetta- und Saab-Fauteuil, man muss sich in schnellen Kurven am Lenkrad festhalten. Bei der Alfetta kommt noch hinzu, dass die Sitzflächen sehr kurz ausgefallen sind und die Vordersitze nicht weit genug zurückgeschoben werden können. Dafür verfügt die Alfetta, zusammen mit dem Rover, über eine Feinheit, die hinsichtlich der Sitzposition hinter dem Lenkrad Anpassungsfähigkeit verrät: Die Steuerräder der beiden Autos lassen sich in der Höhe um einige Zentimeter verstellen.

 

Bei der vom Audi gebotenen Sitzposition hat man das Gefühl, dass solcher Aufwand gar nicht nötig ist. Große wie kleine Staturen finden gleichermaßen günstige Verhältnisse vor. Im Saab ist man nicht ganz so gut dran: Das Lenkrad liegt etwas flacher und die Sitzlehnen erscheinen nicht perfekt der menschlichen Anatomie angepasst.

 

Wenn es um die Erreichbarkeit der für den Fahrbetrieb notwendigen Schalter und Hebel für Scheinwerfer, Scheibenwischer, Belüftung und dergleichen geht, wirken Saab, Audi und Alfetta recht durchdacht. Auch im Rover lässt sich angeschnallt alles gut erreichen, allerdings kann es zu Verwechslungen kommen. Denn Licht- und Scheibenwischerschalter hält man erst nach umständlicher Entzifferung der winzigen Aufschriften auseinander. Dafür sind die Hebelchen - so wie im Saab - bei Nacht beleuchtet.

 

Sommerbetrieb: Lüftung wenig wirksam

Wie wenig ernst man das Problem einer wirksamen Sommerbelüftung des Wageninneren auch in dieser recht teuren Fahrzeugkategorie nimmt, demonstrierte unser Quartett wieder einmal deutlich: Sogar im Audi und Saab, die über die aufwendigsten Anlagen unserer vier Wagen verfügen, kann es an Sommertagen ziemlich heiß werden. Der Luftdurchsatz reicht nicht aus, für ständige Erfrischung zu sorgen. Nicht einmal die Möglichkeit, das Gebläse zur Unterstützung heranzuziehen, verhilft zu spürbarer Intensivierung der angesaugten Frischluft. In noch krasserer Form gilt dies für den Rover, dessen Belüftungsanlage kaum ein laues Lüftchen ausstrahlt. In der Alfetta ist man ebenfalls arm dran. Zwei Düsen im Armaturenbrett erscheinen für gleichmäßigen Luftdurchsatz fast ungeeignet, von zugfreier Belüftung kann keine Rede sein, außerdem ist das für gutes Klima im Wagen verantwortliche Bauteil völlig auf den Staudruck angewiesen und deshalb bei niederen Geschwindigkeiten fast wirkungslos.

 

Schaltung und Lenkung: Mitunter Kummer

Bei den neben der Pedalerie wichtigsten Bedienungselementen eines Autos - Schaltung und Lenkung - gibt es auch Kümmerliches. Trotz Mittelschaltung bei allen vier Wagen sind große Unterschiede in der Schaltpräzision. Als Schlußlicht in dieser Disziplin fungiert der Rover. Seine Schaltung geht sehr hakelig, manchmal lässt sich der dritte Gang nur mit viel Mühe einlegen, der Retourgang wieder ist nur mit Tricks herauszubringen, da kann man ganz die Übersicht verlieren. Noch ärger negativ erscheint die Lenkung. Sie geht nicht nur enorm schwer, auch die Lenkpräzision lässt sie vermissen. Mit der ungenauen Lenkung fühlt man sich einigermaßen unsicher. Längeres Befahren von kurvenreichen Landstraßen erinnert im Rover stark an das Steuern eines älteren Lastwagens.

 

Weit besser dran ist man im Saab. Da geht die Schaltung zwar auch recht schwer, aber exakt. Und die Lenkung arbeitet genau genug, sie spricht aus der Mittellage heraus gut an (Reifeneinfluß spielt eine gewisse Rolle), erst bei stärkeren Einschlägen merkt man, wie indirekt sie eigentlich ausgelegt ist. Etwas unangenehmer: Die Saab-Lenkung ist nicht frei von Antriebseinflüssen der Vorderräder.

 

Noch etwas besser in der Hand hat man den Audi, dessen Lenkung auch leichter geht. Man muss beim Kurvenfahren zwar ebenfalls verhältnismäßig viel am Volant kurbeln, aber das Gefühl einer sicheren Wagenbeherrschung ist immer gegeben. Ein echtes Audi-Lenkungsmanko tritt in der Praxis nur selten auf: In engen Kurven nimmt unter Last die Rückstellwirkung krass ab, dann muss das Lenkrad bewusst in die Nullage zurückgedreht werden. Daran sollte man sich gewöhnen. Diese Eigenart in kleinerem Ausmaß hat auch die Saab-Steuerung.

 

In der Alfetta sind solche Gewöhnungsakte nicht notwendig. Das Steuerorgan des Alfa kann nur Gutpunkte sammeln. Für den Alltagsbetrieb bedeutet dies: Man empfindet die Alfetta in der Fahrzeugbeherrschung als das sicherste Auto. Mit der Schaltung waren wir eine Spur weniger einverstanden. Sie geht etwas eckiger, als man es von den Alfas mit Getriebe vorn (Alfetta-Getriebe mit Differential und Hinterachse verblockt) gewöhnt ist. Die langen Wege des Schaltungshebelgestänges machen sich eben bemerkbar.

 

Kofferraum: Audi und Alfa knapp beisammen

Der Riesenkofferraum des Audi hatte von vornherein keine Konkurrenz zu fürchten. In das längste Auto der Gruppe konnte man auch im Heck am meisten verstauen. Überraschend dagegen das Abschneiden der Alfetta: Sie ist das kürzeste Fahrzeug unseres Vierervergleichs, dennoch entpuppte sich ihr Kofferraum als enorm familienfreundlich. Ins Alfetta-Heck gingen fast so viele Messkanister hinein wie in das Audi-Gepäckabteil. Der Rover-Kofferraum enttäuschte: Die vom Werk vorgesehene Reserverad-Unterbringungsmöglichkeit aussen auf dem Kofferraumdeckel wollen wir als akzeptable Lösung nicht gelten lassen. Schon aus Sicherheitsgründen - die Sicht nach hinten wird dabei stark eingeschränkt - muss das Ersatzrad im Kofferraum bleiben. Für Gepäck ist dann jedoch nicht mehr viel Platz. Auch im Saab stört das Reserverad ziemlich. Dennoch: Das Fassungsvermögen des Stauraums im Wagenheck ist weit größer als das im Rover. Außerdem kann bei Zweipersonenbetrieb die hintere Saab-Sitzlehne umgeklappt werden, ein Kombieffekt wird erzielt.

 

Runde zwei: Motor

Um die Vierzylindermotoren zu guter Leistung und hoher Laufruhe zu bringen, wurden die unterschiedlichsten Bemühungen gemacht, erheblicher Aufwand wurde nicht gescheut. Die Alfetta-Maschine verfügt nach Art des Hauses nicht nur über zwei obenliegende Nockenwellen, sondern auch über ein Paar Horizontal-Doppelvergaser. Das hat auch der Rover-Motor zu bieten, aber bei ihm sorgt für die Ventilsteuerung nur eine obenliegende Nockenwelle. Saab wieder machte sich auf der Einlaßseite die Elektronik zunutze: Eine Bosch-Einspritzung übernimmt die Arbeit, die bei den Motoren der anderen Vergleichstestpartner von Vergasern vorgenommen wird.

 

Der Audi-Motor wirkt in diesem Kreis auf den ersten Blick wie ein Aschenputtel. Er hat nur einen Registervergaser, die Ventile werden über Stoßstangen und Kipphebel von einer seitlichen Nockenwelle betätigt. Das einfache Rezept ist aber nicht zu verachten. Wenn es um die reine Leistungsfähigkeit geht, verbucht der Audi-Motor ganz schöne Gutpunkte. In der Beschleunigungsleistung kann der Audi den etwas schweren Saab knapp distanzieren, dem wesentlich gewichtigeren Rover fährt er lässig davon. Im Durchzugsvermögen bei niedrigen Drehzahlen liegt er allerdings unter dem der hubraumstärkeren Partner. Rover und Saab packen im unteren Tourenbereich besser an, erst wenn das Drehzahlniveau hinaufklettert, wird der Audi-Motor munterer. In der Praxis bedeutet dies, dass der Audi 100 GL für schaltfaule Fahrer am wenigsten geeignet erscheint. In der Elastizität ist die Audi-Maschine den anderen Motoren unterlegen.

 

Die Alfetta nimmt im Kapitel Fahrleistungen eine Sonderstellung ein. Sie sprintet in der Beschleunigung allen dreien kräftig davon, und auch im Elastizitätsverhalten spielt sie die erste Geige (als vergleichbare Werte müssen die im vierten Gang gemessenen Ergebnisse angesehen werden, weil die fünfte Fahrstufe der Alfetta Schongangcharakteristik aufweist). Die Höchstgeschwindigkeit im fünften Gang wird für Motorschonung unterhalb der Nenndrehzahl erreicht. Ausserdem reagiet die Alfa-Maschine überaus sauber auf Gaspedalbewegungen, es gibt beim Hochdrehen kein Verschlucken und keine Aussetzer. In diesem Punkt hat der Audi-Motor mitunter Schwierigkeiten: Die zweite Vergaserstufe setzt beim Beschleunigen gerne hart ein, ein Rucken ist nicht zu umgehen; das passt nicht ganz zum kultivierten Eindruck, den das Audi-Aggregat ansonsten hinterlässt. Die Motoren von Rover und Saab haben keine Unarten, abgesehen vom schlechten Rundlauf der kalten Rover-Maschine, die umständlich mit langer Chokehilfe warmgefahren werden muss.

 

Der Audi-Motor überraschte mit einer bei den heutigen Benzinpreisen sehr entscheidenden Stärke: Er gab sich als bester Kostverwerter. Nicht einmal die leichtgewichtigere Alfetta konnte den Audi im Kraftstoffverbrauch schlagen. Auf Platz drei der Verbraucherrunde landete der Saab, dessen Motor noch nicht ganz eingefahren war; am meisten Superbenzin konsumierte der Rover. Der Verbrauch wurde unter exakt gleichen Bedingungen mit Durchflussgeräten ermittelt, die "Teststrecke" bestand aus Bundesstraßen und Autobahnen bei mäßigem Verkehr.

 

Runde drei: Komfort

Von der Federung eines Autos erwartet man, dass die von der Straße kommenden Erschütterungen in gut verträgliche Schwingungen verwandelt werden. Der Rover meistert diese Aufgabe am besten. In allen Geschwindigkeitsbereichen absorbiert die Federung Fahrbahnstöße auffallend gut, ein ruhiges und erschütterungsfreies Dahingleiten des Wagens ist die Folge.

 

Erstaunlich positiv schneidet auch die Alfetta ab. Lange Federwege und kräftige Dämpfung führen dazu, dass unebene Straßen ausgebügelt werden, ohne den Wagenkasten zu Nachschwingungen anzuregen. Im Audi arbeitet die Dämpfung nicht so wirkungsvoll. Das Schluckvermögen der Federung zeigt sich zwar ebenso ausreichend, aber ein Nachschwingen des Wagens wird nicht so schnell abgebaut wie bei der Alfetta. Das merkt man stärker, wenn der Audi vollbeladen betrieben wird.

 

Der Saab wieder hat eine andere Schwäche: Seine Federung wird mit langwelligen Bodenunebenheiten nur schwer fertig. Da teilt er an seine Insassen gerne kräftigere Stöße aus und wirkt insgesamt etwas bockiger als die anderen Autos unserer Gruppe.

 

Geräuschkulisse: Leisetreter Audi und Saab

Der Saab zieht dafür bei hohen Geschwindigkeiten sehr leise seiner Wege. Über 150 km/h ist er im Geräuschverhalten fast so gut wie der Audi, der sich in diesem Kreis als das leiseste Auto entpuppte. Da deckte sich der subjektive Eindruck völlig mit den Messergebnissen, die auf die spezielle Geräuschart nicht eingehen können, sondern nur den jeweiligen Schalldruck aufzeichnen. Aber auch in niedrigeren Geschwindigkeitsbereichen liegen die Audi- und Saab-Werte knapp beisammen, etwas gehandikapt erscheint der Saab einzig und allein durch seinen lauter laufenden Motor.

 

Die Audi 100 GL-Maschine wurde im Zuge der ständigen Modellpflege zunehmend geräuschloser. Das von früheren Exemplaren bekannte kräftige Motorenlaufgeräusch schon bei mittleren Drehzahlen ist im Modell 1974 nicht mehr zu hören. Akustisch in Aktion tritt die Maschine nun erst jenseits von 5500 Touren, und auch dabei ist die Tonlage nicht mehr so kernig wie früher.

 

Deutlich lauter gibt sich der Rover. Bei ihm mixen sich Motorenlärm und Windgeräusche zu einer unüberhörbaren Schallkulisse. Bei der Alfetta wieder arbeitet die Maschine mit angenehmem Sound, aber die Karosserie produziert starke Windgeräusche. Allein die vorderen Ausstellfenster heulen und pfeifen, so dass die Alfetta schon ab 100 km/h im Geräuschkomfort weniger zu bieten hat.

 

Runde vier: Fahreigenschaften

Das Fahrverhalten eines Autos leistet den wichtigsten Beitrag zur sogenannten aktiven Sicherheit, also zur Vermeidung von Unfällen. In diesem Punkt führt die Alfetta das Feld an. Sie erreicht das höchste Kurventempo; in Bereichen, in denen die anderen drei nicht mehr auf der Straße zu halten sind, kann die Alfetta noch betrieben werden. Die Fahrwerksreserven sind also am größten, die Differenz zwischen den im Verkehr einsetzbaren und höchstmöglichen Kurvengeschwindigkeiten dient der Sicherheit. Neben hoher Kurvenstabilität zeichnen die Alfetta außerdem gute Geradeauslauf-Eigenschaften aus, auch auf schlechten Straßen oder bei Seitenwind gibt es da keine Probleme. Man fühlt sich hinter dem Lenkrad der Alfetta am sichersten, weil man dieses Auto besonders gut in der Hand hat. Selbst schnelle Ausweichmanöver bei hoher Geschwindigkeit sind problemlos ausführbar; bei zunehmender Beladung des Wagens verschlechtern sich die Fahreigenschaften kaum.

 

Der Audi landet bei der aktiven Fahrsicherheit auf Rang zwei. Er verfügt ebenfalls über ausgezeichneten Geradeauslauf und Unempfindlichkeit gegenüber Seitenwind, beim Kurvenfahren zeigt er sich nur eine Spur weniger behende. Dank seinem gutmütigen Verhalten kommt man mit ihm ebenfalls sehr gut über die Runden. Tendenz zum Aufschaukeln zeigt sich allerdings beim schnellen Spurwechsel, insbesondere dann, wenn der Audi voll beladen betrieben wird. In diesem Punkt ist der Saab etwas besser, dafür umrundet das Schwedenauto Kreisbahnen um einen Grad langsamer. Der Saab zieht seine Bahnen dabei nicht so neutral-ausgewogen wie Alfetta und Audi, sondern neigt zu stärkerem Untersteuern, also Schieben über die Vorderräder, was ihn kurvenunwilliger und unhandlicher erscheinen lässt. Bei plötzlichem Gaswegnehmen in einer schnell gefahrenen Krümmung bricht das Heck aus.

 

Im Geradeauslauf auf ebener Straße gibt sich der Saab ohne Tadel, auf Seitenwind reagiert er überhaupt nicht. Seiner Geradeausstabilität setzen eher schlechte Straßen zu, da läuft er den Unebenheiten spürbar nach, Lenkkorrekturen sind dabei erforderlich.

 

Der Rover kann in der Straßenlage am wenigsten. Er zeigt sich schwerfällig, wenn es darum geht, Straßenkrümmungen zu umfahren. Die von ihm erreichbaren Kurvengeschwindigkeiten liegen unter dem heute üblichen Durchschnitt, dadurch ist er schon bei mäßiger Gangart bald überfordert. Da schiebt er erst fest über die Vorderräder, dann folgt Rollübersteuerung: Mit zunehmender Querneigung der Karosserie nimmt die Haftung der Hinterräder ab, das Auto bricht mit dem Heck aus. Besonders im vollbeladenen Zustand wird diese Rover-Eigenart ausgeprägt.

 

Schneller Spurwechsel liegt ihm schon von der Charakteristik der Lenkung her gar nicht, mit der man eigentlich bereits bei Geradeausfahrt Schwierigkeiten hat, das Fahrzeug auf sicheren Kurs zu halten. Zu allem kommt noch, dass der Rover das einzige Auto in diesem Kreis war, das sich als stark seitenwindempfindlich entpuppte. Auf unebenen Straßen war auch ohne Seitenwind eine gewisse Korrekturbedürftigkeit des Geradeauslaufs zu bemerken, die durch den Einfluß der Spuränderung der Hinterräder beim Einfedern herrühren dürfte (Längenausgleich der Rover-De-Dion-Achse geht über die Spur).

 

Bremsen: Saab-Meisterschaft

Eine Bremsprüfung auf Asphalt stand ebenfalls auf dem Programm. Wir verwendeten für die Messung unser Peiseler-Rad, das für diesen Zweck ebenfalls ausgerüstet ist. Es misst den Bremsweg exakt und gibt über einem auf dem Bremspedal montierten Impulsgeber auch genau Auskunft über die zu Beginn der Bremsmessung gefahrene Geschwindigkeit. Ohne dieses Gerät - etwa mit Maßband und nach Tachometer - sind Bremsmessungen Humbug.

 

Wie stark sich der Reifeneinfluss gerade bei Notbremsungen auswirkt, zeigt sich bei der Alfetta. Die Test-Alfetta für die Brems- und Beschleunigungsmessungen mussten wir von einem Grazer Händler entleihen, sie war nicht wie die sonst von uns gefahrene Alfetta mit Pirelli CN 36-Reifen bestückt, vielmehr war sie auf japanische Toyo-Radialreifen umgerüstet worden. Diese von Alfa Romeo für ihre Produkte nicht freigebenen Reifen verschlechterten die Fahr- und Bremsstabilität der Alfetta beträchtlich. Auch starkes Dröhnen auf städtischen Pflasterstraßen sowie verringerter Federungskomfort waren die Folge der Umbereifung.

 

Doch zurück zum Bremsen: Die längste Wegstrecke beim Anhalten aus Tempo 100 ging auf das Konto der Alfetta, weil die Toyo-Reifen sehr stark zum Blockieren neigten. Die konstruktiven Voraussetzungen für sicheres Bremsen sind bei der Alfetta dagegen in hohem Maße gegeben: Sie lässt sich völlig spurtreu zum Stehen bringen. mit freigegebenen Reifen wäre der Bremsweg gewiss kürzer.

 

Mit sehr stabilem Geradeauslauf beim Bremsen überzeugte auch der Audi, der Saab wieder legte den kürzesten Bremsweg auf den Asphalt.

 

Die Standfestigkeit der Bremsen bei länger andauernder Verwendung war bei Saab und Alfetta kaum zu überfordern. Auch ständiges Anbremsen von Kurven bei schnellen Bergabpartien konnte die Bremsen dieser beiden Wagen nicht überfordern. Beim Audi war Brems-Fading etwas eher festzustellen und musste durch höheren Pedaldruck ausgeglichen werden.

 

Der Rover neigte am stärksten zu Brems-Fading, seiner Verzögerungsanlage musste man mitunter bei hartem Einsatz kurze Ruhepausen gönnen.

 

Runde fünf: handwerkliche Qualität

Sehr hohen Qualitätsstandard verkörpert der Saab. Die schwedischen Auto- und Flugzeugbauer verhalfen ihrem Saab 99 zu einem schon fast pedantisch genauen Finish. Manche Details sind ganz offensichtlich in Großserie nicht zu verwirklichen, man steckt viel Geld bei der Fertigung in umständliche Arbeitsgänge, die das Auto ein bißchen wie das Meisterstück eines Karosseriebauers erscheinen lassen. Gute Qualität findet man auch beim Audi, bei ihm bestechen wieder die ganz auf rationelle Serienfertigung ausgerichteten Arbeitsmethoden, die den Audi natürlich ein bißchen steril erscheinen lassen. Schlampereien werden da überhaupt nicht geduldet. Der Alfetta fehlt ein wenig diese deutsche Gründlichkeit, als lieblos verarbeitet darf man sie aber dennoch nicht bezeichnen. Mangelhafte Verarbeitung in manchen Details muss man ebenfalls feststellen. Auf perfekten Sitz werden in England Bodenteppiche und Auskleidungsmaterial beispielsweise nicht überprüft, man lässt diese Ungereimtheiten eher durchgehen. Persönliche Note dagegen kann man dem Rover-Inneren nicht absprechen. Viel Holzimitation und Kunstleder sorgen ein bißchen für Rolls Royce-Atmosphäre. Wie man sich das Zuhause eines englischen Gentleman vorstellt.

 

Gesamtergebnis

Durch die Summe ihrer guten Eigenschaften ohne krasse Minuspunkte liegt in diesem Vergleichstest die Alfetta um Wagenlänge vorn, knapp gefolgt vom Audi, der in den Fahrleistungen, der Handlichkeit, der Straßenlage und dem Federungskomfort nicht ganz mithalten kann. Spitzenbewertungen erreichte der Audi dafür in den Rängen Innenraum, Kofferraum, Fahrkultur und Verbrauch. In der Verarbeitungsqualität wurde er nur vom Saab knapp überboten, das Schwedenauto ist in dieser Hinsicht und wegen seiner speziellen Sicherheitsdetails (Rammstoßstange, Scheinwerferwaschanlage) klar voran, wartet aber in Komfort und Fahreigenschaften mit etwas weniger Harmonie auf. Vierter ist der Rover 2200 TC, der über eher behäbige Motorcharakteristik verfügt (das 3,5 Liter-Aggregat steht ihm besser), unhandlich im Betrieb ist, am meisten Kraftstoff verbraucht (er ist auch der schwerste) und für Gepäck nur wenig Raum hat. Der Preis für Individualismus wäre dagegen dem Rover sicher: Jedes Detail des Wagens repräsentiert unverkennbar alte Schule. Gerade das reizt so manchen Autofan auch heute.

Auto-Touring / Österreich 1974

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