Rover 2000
Delikates aus Solihull
Je deutlicher sich im europäischen Automobilgeschäft die Fronten
abzeichnen, um so klarer wird es, daß neben den großen Gruppen einige
kleinere Firmen das ernsthafte Bestreben zeigen, sich eine vom
Großgeschäft unabhängige und trotzdem sichere Position zu schaffen.
Wenn
ihnen das gelingt, dann ist damit bewiesen, daß Europas Automarkt sich vom
amerikanischen in seiner Struktur unterscheidet. In Amerika ist Auto Auto
- Abstufungen gibt es nur in der Größe und in der Leistung. Je größer und
stärker die Autos sind, um so teurer sind sie. Eine Firma, die einen
kleinen und relativ schwachmotorigen Wagen zu einem hohen Preis auf den
Markt bringen würde, könnte damit nicht existieren.
Gerade das ist es aber, was Firmen wie BMW, Lancia und Rover tun. Sie
werben nicht mit Außenmaßen und PS-Zahlen, sondern mit Begriffen wie
Qualität und Individualität. Wagen in der Größenklasse des Opel Rekord
kosten bei ihnen das Anderthalbfache bis Doppelte, ohne mehr Innenraum,
geschweige denn mehr Kofferraum zu bieten. Ein zwischen preisgünstigen
Jedermann-Autos von Opel oder Ford parkender Rover 2000 sieht auf den
ersten Blick unscheinbarer aus als seine Nachbarn. Trotzdem gehört er in
eine höhere Kategorie.
Rovers konstruktiver
Mut
Mit
dem 2000 tat Rover etwas, was Auto-Fanatiker insgeheim von jeder
Automobilfabrik erhoffen: die Firma brachte ein neukonstruiertes Auto mit
neuartigen technischen Merkmalen. Die Radaufhängungen, jenes trennende
Kriterium zwischen anspruchslosen und anspruchsvollen Konstruktionen,
waren vorn und hinten frei von den sonst üblichen Kopier-Tendenzen, Motor
und Karosserie waren ebenfalls unkonventionell gebaut. Rover, bisher für
qualitativ hervorragende, aber konstruktiv höchst langweilige Autos
bekannt, rückte mit dem 2000 in die Avantgarde.
Nun
ist es freilich nicht so, daß die Merkmale des 2000 völlig neu erfunden
wurden. Neu erfinden kann man auf dem Gebiet des Autos praktisch nichts
mehr - die unmöglichsten Dinge sind schon erfunden, probiert und
patentiert worden. Einige kontinentale Automobilbauer blicken ein wenig
scheel nach Solihull und blättern ihre alten Patente auf, die hochgerückte
Vorderradfedern, Varianten der DeDion-Hinterachse oder Karossen in
Schalenbauweise betreffen. Wir möchten die Firma Rover vor solchen
Nachahmungsvorwürfen in Schutz nehmen: erfinden kann jeder. Bauen, darauf
kommt es an. Gewiß, nicht die Erfinder sind schuld daran, wenn ihre
Patente in der Schublade bleiben, sondern die Vorstände der
Automobilfirmen mit ihrer Neigung, stets alles beim alten zu lassen. Um so
mehr verdient Rovers Mut Respekt.
Dieser Mut bereicherte den Personenwagenbau um eine Vorderradaufhängung
mit in den Radkasten verlegter Schraubenfeder. Das ist keine Spielerei,
sondern ein echter Gewinn für den so notwendigen Einschlag der
Vorderräder. Er bescherte uns weiterhin eine Hinterradaufhängung, die in
interessanter Weise die Vorzüge der unabhängigen Aufhängung mit denen der
Starrachse vereinigt: die Räder werden in Längsrichtung durch kräftige
Längslenker geführt, die den Antriebsschub auf das Fahrzeug übertragen.
Von hinten werden sie durch kleine Längsstreben gehalten, so daß sich ein
sogenanntes Watt-Gestänge ergibt: die Bewegung der Räder beim Einfedern
ist in Längsrichtung gernau festgelegt. Angetrieben werden die Räder vom
am Wagenboden befestigten Differential über zwei Doppelgelenkwellen. Diese
Wellen, die keine Schiebestücke enthalten, bestimmen beim Einfedern die
Radbewegung in Querrichtung, es ergibt sich also eine Spurveränderung.
Beide Räder sind durch ein Achsrohr miteinander verbunden, das (wegen der
Spurveränderung) zusammenschiebbar ist, also eigentlich nicht als "starr"
bezeichnet werden kann. Es hat jedoch insofern die Wirkung einer starren
Achse, als es die Räder im Winkel zueinander konstant hält. Im strengen
Sinne kann man diese sehr aufwendige Aufhängung nicht als DeDion-Achse
gelten lassen, eher als Einzelradaufhängung mit Schieberohrverbindung der
Räder. Aber das ist ein akademischer Streit: auf jeden Fall kommt sie dem
Ideal der absolut korrekten Radführung sehr nahe. Für geringe ungefederte
Massen sorgen neben der nicht mitschwingenden Anordnung des Differentials
die innenliegenden, also ebenfalls nicht mitschwingenden hinteren
Scheibenbremsen.
Lenkgetriebe und mittlere Spurstange liegen oben vor der Spritzwand; es
gibt also keine Lenksäule, die bei Zusammenstößen den Fahrer gefährden
kann. Der kurze Lenksäulenstummel läßt sich um ein Gelenk bewegen, erlaubt
also ein Höher- oder Tieferstellen des Lenkrades. Die tragenden
Karosserieteile bilden ein Gerippe, das bei der Montage mit fertig
lackierten, nicht mittragenden Außenblechen beplankt wird.
Nicht
weniger eigenwillig ist der Motor. Schon die Tatsache, daß man bei zwei
Litern Hubraum nicht auf sechs Zylinder ging, ist bemerkenswert - bei
Rover schätzt man die bessere Elastizität, die große Zylindereinheiten im
unteren Drehzahlbereich aufweisen, hoch ein. Neuland betrat man mit der
Verlegung der halbkugelförmigen Brennräume in die Kolben - eine bisher nur
bei Dieselmotoren angewandte Lösung. Die Fläche des Zylinderkopfes bleibt
dadurch völlig eben. Die obenliegende Nockenwelle wird durch einen
zweigeteilten Kettenantrieb in Bewegung gesetzt, die Nocken wirken direkt
auf die Ventile. Fünf Kurbelwellen- und sechs Nockenwellenlager sorgen für
Verschleißfestigkeit und Laufruhe.
Manches Detail mag übertrieben oder an den Haaren herbeigezogen
erscheinen, aber jede Einzelheit dokumentiert, daß bei der Konstruktion
dieses Wagens nicht gespart wurde. Wenn man weiß, wie sehr bei den großen
Automobilherstellern der Rotstift der Kalkulation die Konstruktion
beeinflußt; dann mu0 man daran zweifeln, ob ein Massen-Automobil jemals so
liebevoll konzipiert sein wird.
Understatement im Raum
Versucht man, bei voll zurückverstellten Vordersitzen auf der Rücksitzbank
Platz zu nehmen, oder öffnet man den Kofferraum, dann stellt man fest, daß
Raumfülle kein hervorstechendes Merkmal des Rover 2000 ist. Es sieht
beinahe so aus, als wollten sich die Väter dieses Wagens bewußt von den
betulichen Noch-mehr-Innenraum- und Noch-mehr-Kofferraum-Devisen der
Hersteller von Jedermann-Autos distanzieren. Im Rover geht es eng, aber
vornehm zu. Wohl kaum läßt sich eine bequemer und luxuriöser ausgestattete
Rücksitzbank denken, und die Vordersitze vereinen die Vorzüge des
sportlichen Schalensitzes mit denen des Komfortsessels, wobei sie
allerdings nicht allen in der Gattung homo pasiens vorkommenden Varianten
der Körpermaße gerecht werden. Der etwas stechende Ledergeruch ist nicht
jedermanns Sache, und im ganzen atmet der Innenraum die bei allen
britischen Autos anzutreffende Strenge, obwohl die Details durchaus modern
und vernünftig gestaltet sind.
Von
innen wie von außen sieht man dem Wagen an, daß hier eine Kombination
fortschrittlicher Merkmale und traditioneller Gesichtspunkte angestrebt
wurde. Der Engländer von gutem Geschmack verachtet alles, was nach
Tagesmode und äußerem Glamour aussieht - daher die überaus sparsame
Verwendung von Chrom und die schlichte Formgebung, der es ein wenig an
stilistischer Straffheit mangelt. Gute Aerodynamik dagegen wurde offenbar
angestrebt - daher die sehr schräg stehende Windschutzscheibe und die
tiefgezogene Fronthaube. In diesen Dingen und auch in der Gestaltung der
Falze und Flächen-Abschlüsse erinnert der Rover ein wenig an den Citroen
DS 19. Aber er ist weit unauffälliger und verzichtet ganz und gar darauf,
durch die äußere Form zu beeindrucken.
Über
die Ausstattungsdetails ist viel nachgedacht worden - man entdeckt im
täglichen Umgang immer neue Besonderheiten. Neben der schon erwähnten
Lenkradverstellung seien als Beispiele die großen Ablagekästen genannt,
deren glattflächig gepolsterte Deckel zugleich die Knie von Fahrer und
Beifahrer schützen, die zusätzlichen Ablagemöglichkeiten in der Mitte und
auf der Oberkante des Armaturenbretts, die Frischluftöffnungen, die auf
Wunsch mitten ins Gesicht blasen, die gut angebrachten
Scheibenwascher-Düsen, die handliche Rückwärtsgangsperre, der gut
angebrachte Handbremshebel. Die Choke-Warnlampe leuchtet erst auf, wenn
eine gewisse Betriebstemperatur erreicht ist, und sie sagt ebenso deutlich
wie die übrigen Warnleuchten, worum es sich handelt: Choke, Oil, Beam,
Ign(nition), Brake (für Handbremse und Bremsflüssigkeit). Wie muß man bei
anderen Autos manchmal herumrätseln, welche Warnlampe für was da ist!
Mit
dem Einstieg, der Sitzposition, den Sichtverhältnissen kamen wir
ausgezeichnet zurecht, und an der Handlichkeit aller Schalter und Hebel
ist nichts auszusetzen. Einige Mängel: ein Türschloß klemmte zuweilen, die
Zündungskontrolle leuchtete manchmal ohne erkennbaren Grund auf, die
Wischer wischten nicht überaus gut, die Frischluftdüsen ließen sich nicht
ganz dicht schließen. Der Tankschnellverschluß kann von jedem
Vorbeigehenden mit einem Fingerdruck geöffnet werden. Sehr vermißt wird
vom Beifahrer ein Haltegriff, der entweder an der Tür oder am Dachrand
angebracht werden müßte. Trotz der guten Heizwirkung neigten die Fenster
bei kaltem Wetter auffallend zum Beschlagen.
Ein ruhiger
Vierzylinder
Vom
ersten Augenblick an verleiht der Rover 2000 beim Fahren das Gefühl, in
einem ungewöhnlichen Auto zu sitzen. Es kommen da mehrere Dinge zusammen:
die leichte Bedienung von Lenkung und Pedalen, der ruhige und elastische
Motor, der hervorragende Federungskomfort, die Geräuschfreiheit der
Karosserie. Sprechen wir zunächst vom Motor: in der Elastizität und der
Laufruhe im unteren Drehzahlbereich vermag er tatsächlich mit größeren
Sechszylindern zu konkurrieren. Selbst im IV. Gang kann man bis 1000 U/min
heruntergehen; im I. und II. Gang beschleunigt der Motor ruckfrei aus der
Leerlaufdrehzahl heraus. Das Geräusch ist gering, es wird erst stärker,
wenn man an die 5000 U/min herankommt. Darüber, bis zur Enddrehzahl von
ca. 5800 U/min, steigert es sich zu einem sportlich-sonoren Brummen, ohne
wirklich störend in Erscheinung zu treten.
Daß
man es mit einem Vierzylinder zu tun hat, läßt sich freilich trotz aller
Laufruhe nicht leugnen: im Bereich um die 4000 U/min scheint ein
kritischer Drehzahlbereich vorhanden zu sein, der Motor läuft spürbar
rauher. Zu Vibrationen kommt es auch, wenn man bei hoher Geschwindigkeit
Gas wegnimmt; das dabei auftretende Dröhnen ist vielleicht
mitverantwortlich dafür, daß beim Testwagen zweimal die Aufpuffanlage
geschweißt werden mußte. Ein leichtes Schütteln des ganzen Wagens im
Bereich der Höchstgeschwindigkeit kann dagegen dem Motor wohl nicht zum
Vorwurf gemacht werden - hier dürfte eher eine Unwucht in einem Rad oder
auch in der Kardanwelle verantwortlich gewesen sein.
Mit
90 PS aus zwei Litern Hubraum ist der Motor nicht überaus hoch
beansprucht; es spricht also prinzipiell nichts dagegen, daß er die
gleichen hohen Kilometerleistungen erreichen kann wie die bisherigen
Rover-Motoren. Die Fahrleistungen, die er dem etwa 1300 kg schweren Wagen
verleiht, sind gut, wenn auch nicht atemberaubend. Der 2000 ist ein guter
Dauerläufer und ein weniger guter Sprinter: die Beschleunigung im unteren
Geschwindigkeitsbereich könnte man sich spritziger vorstellen. Schnelle
Dauerfahrt ist dagegen seine Stärke: er läßt am Berg kaum nach und erlaubt
durch den relativ weit reichenden III. Gang auch unter ungünstigen
Bedingungen einen guten Schnitt. In dieser Hinsicht ähnelt er dem Citroen
DS 19, und wie bei diesem dürfte die strömungsgünstige Form für die im
Verhältnis zur Leistung sehr günstige Höchstgeschwindigkeit verantwortlich
sein. Wir maßen im Mittel 165 km/h, konnten aber bei günstigen
Windverhältnissen auf längeren Strecken ca. 170 km/h fahren. Der 2000 ist
also ein schnelles Reisefahrzeug, und er verbraucht dabei relativ wenig:
die Höchstwerte lagen um die 15 Liter-Grenze. Im Kurzstreckenbetrieb war
er ebenfalls nicht anspruchsvoll; in den täglichen Kosten ist der Rover
2000 ein durchaus "gutbürgerliches" Auto. Der Motor macht im ganzen einen
gedrosselten Eindruck. Das gilt besonders für die Drehzahl: für eine
moderne Maschine mit obenliegender Nockenwelle sind 5800 U/min nicht
überaus viel, und diese 5800 U/min erreicht man auch nur in Extremfällen,
wenn man die Gänge weit ausfährt - den II. bis 85 oder den III. bis 130.
Gefühlsmäßig schaltet man schon bei wenig mehr als 5000 U/min, und mit der
dabei verfügbaren Leistung kommt man auch im Normalfall gut aus. Die
günstig liegenden mittleren Gänge machen den Rover 2000 trotz der
zahlenmäßig nicht besonders hervorragenden Beschleunigung zu einem im
Verkehr sehr angenehm und sicher zu fahrenden Auto.
Neben
dem geringen Motorgeräusch macht sich bei schnellem Fahren das geringe
Windgeräusch als großer Vorteil bemerkbar. Man kann sich im Rover 2000
auch bei Höchstgeschwindigkeit mit normaler Stimme unterhalten. Auch
Radiohören ist dann noch möglich - es wurde im Testwagen eher durch den
schlechten Lautsprecher des eingebauten Radios als durch das Fahrgeräusch
erschwert.
Federung: erstklassig
Jeglicher Aufwand für die Radaufhängung wäre sinnlos, wenn er sich nicht
beim Fahren vorteilhaft bemerkbar machen würde. Beim Rover 2000 macht sich
der Aufwand tatsächlich bemerkbar, und zwar in erster Linie in einem
hervorragend guten Federungskomfort. Eine leichte und korrekte
Radaufhängung erlaubt weiche Federn und große Federwege, ohne daß
Nachteile wie Springen der Räder oder Auf- und Abschwingen des Aufbaus
entstehen.
Im
Vergleich zu anderen komfortablen Federungen fällt beim Rover 2000
besonders das gute Ansprechvermögen gegenüber kleinen und kleinsten
Unebenheiten auf. Diese Wirkung ist bei Stahlfedern besonders schwer zu
erzielen, Flüssigkeitssysteme wie das des Citroen DS 19 sind in dieser
Hinsicht überlegen. Die Leichtigkeit, mit der die Rover-Federung kleine
Wellen, Querrinnen und Schlaglöcher schluckt, läßt auf eine weiche oder
doch zumindest sehr leicht ansprechende Stoßdämpfung schließen. Die mit
schwacher Dämpfung verbundenen Nachteile sind beim Rover nicht
festzustellen: große Bodenunebenheiten werden ohne Nachschwingen und ohne
unangenehme Vertikalbewegungen verarbeitet. Die Bodenhaftung der Räder ist
stets ausgezeichnet; auch beim schnellen Kurvenfahren auf schlechter
Straße gibt es kein Rütteln, kein Wegsetzen oder Stampfen. Das
Federungsverhalten ist völlig das eines Wagens mit unabhängig aufgehängten
Rädern. Soviel Federungskomfort wäre bis vor wenigen Jahren bei einem
englischen Wagen undenkbar gewesen, der Fortschritt ist größer als bei
anderen gut gefederten Autos, die langsam ihren heutigen Stand erreicht
haben.
In
den Federungsqualitäten kann der Rover 2000 den Mercedes-Modellen und dem
(ähnlich konstruierten) Lancia Flaminia gleichgesetzt werden. Ihre Grenzen
erreicht die Federung am ehesten bei hoher Geschwindigkeit auf der
Autobahn (über 150 km/h), wo abgesunkene Fahrbahnplatten Dämpfung und
Federung "überfahren" und härtere Stöße spürbar werden lassen.
Überlegenheit gegenüber solchen Beanspruchungen und trotzdem leichtes
Ansprechen auf kleine Unebenheiten findet man nur bei der
Citroen-Federung, die also auch vom Rover nicht erreicht wird. Dennoch
gehört seine Federung zu den besten, die es gibt.
Die
Federung läßt das Fahren als mühelos empfinden, und den gleichen Eindruck
ruft beim Fahrer auch die Lenkung hervor. Man könnte sie für eine
Servolenkung halten, so leicht geht sie. Trotzdem ist sie ausreichend
direkt, um auf kurvenreichen Straßen keine ermüdende Kurbelei entstehen zu
lassen. Das Rangieren ist bei dem großen Radeinschlag - unter 11 m
Wendekreis! - ein Vergnügen. Ebenfalls leicht bedienbar sind die
Servobremsen, die auch in der Wirkung und in der Gleichmäßigkeit des
Ansprechens Lob verdienen. Sie sind allen im Normalbetrieb vorkommenden
Beanspruchungen gut gewachsen - lediglich bei unserer sehr harten
Bremsprüfung zeigten sie nach der Erwärmung auf dem Testgefälle ein
Nachlassen der Wirkung, das aber schnell wieder verschwand. Würde freilich
der Wagen einmal einen stärkeren Motor erhalten, dann müßten wohl auch die
Bremsen entsprechend verändert werden.
Das
einzige Bedienungselement, das etwas höhere Kräfte erfordert, ist die
Schaltung. Der kurze Schalthebel ist äußerst handlich und hat sehr geringe
Schaltwege, aber eben deswegen geht er nicht übermäßig leicht. Kratzen
beim Schalten und starke Laufgeräusche in den Gängen, bei englischen
Getrieben noch heute häufige Erscheinungen, traten (abgesehen von einem
leichten Singen im III. Gang) nicht auf, und die Synchronisierung
funktionierte ausgezeichnet. Als einzigen Mangel müssen wir ein
gelegentliches Herausspringen des IV. Ganges beim Gaswegnehmen bei hoher
Geschwindigkeit registrieren.
Schmaler
Übergangsbereich
Korrekte Radaufhängung und gute Federung sind ausgezeichnete
Voraussetzungen für gute Fahreigenschaften. Tatsächlich gehört der Rover
2000 zu den Wagen, bei denen man die Grenzen der Straßenlage im
Normalbetrieb überhaupt nicht erreicht. Auch bei sehr schnellem
Kurvenfahren, wenn der Aufbau sich spürbar zur Seite neigt und das
Reifengeräusch eine hohe seitliche Belastung ankündigt, bleibt er
unbeirrbar in der Spur. Der Fahrer braucht weder übermäßig stark das
Lenkrad einzuschlagen noch irgendwelche Korrekturbewegungen ausführen. Man
kann also, ohne sich anzustrengen oder ein Risiko einzugehen, bei normalen
Fahrbahnverhältnissen unbedenklich schnell durch Kurven fahren.
Da es
aber auch nasse und glatte Fahrbahnen geben kann, gehört zu jedem Test die
Untersuchung des Verhaltens im Kurvengrenzbereich. Hier erweist sich der
Rover als nicht ganz so unproblematisch wie im Normalbereich: er neigt
dazu, plötzlich mit dem Heck auszubrechen und muß dann durch eine ziemlich
starke Gegenlenkbewegung gefangen werden. Ähnlich wie die Lancia-Modelle
hat er einen nur im Extremfall erreichbaren, aber schmalen
Übergangsbereich. Er darf darum auf glattem, nassem oder losem Untergrund
nicht überfordert werden.
Ähnliches gilt für das Kurvenfahren bei hohen Geschwindigkeiten, also zum
Beispiel in Autobahnkurven, die mehr als 150 km/h erlauben. Im Gegensatz
zu hart gedämpften Wagen hat man es hier nicht mehr genau im Gefühl, wann
die Grenze erreicht ist, und zusätzlich macht sich eine Eigenschaft der
Lenkung bemerkbar, die sonst wenig stört: ihre starke Elastizität in der
Mittellage. Man kann verhältnismäßig große Lenkausschläge machen, ohne daß
der Wagen darauf reagiert, und entsprechend zögernd antwortet er auf
Korrekturen, wenn er, etwa durch Seitenwind oder den Einfluß der
Mittelfuge, leicht aus der Richtung gekommen ist. Auch hier ist die
Feststellung berechtigt, daß der Rover kein Wagen zum ständigen Fahren im
Grenzbereich ist. Bis zu einem gewissen Grad ist er völlig
unproblematisch; darüber hinaus sollte man nicht gehen. Man fühlt sich in
dem schnellen, komfortablen und leisen Wagen auch nicht zu extrem
sportlichen Fahren animiert.
Zu
diesen Bemerkungen über die Fahreigenschaften ist einschränkend zu sagen,
daß wir den Wagen nur mit Pirelli Cinturato-Reifen gefahren haben. Er ist
außerdem mit Dunlop SP lieferbar, die möglicherweise beim Fahren im
Grenzbereich andere, günstigere Eigenschaften haben.
Der
Rover 2000 kostet in Deutschland rund 14.000 Mark. Er gehört also zu den
Autos, die nur für einen kleinen Kreis von Liebhabern in Frage kommen. Für
solche Leute ist er genau richtig: vernünftig in den Maßen, wendig und
handlich im Verkehr, schnell auf der Reise, bequem und alles in allem
eines der Klassefahrzeuge, an denen man Freude hat, wenn man im Auto mehr
als nur ein Repräsentations- und Transportmittel sieht. Unser Rover-Test
erstreckte sich über fast zwei Monate in einer Zeit ungünstiger Straßen-
und Wetterbedingungen. In dieser Zeit konnten wir im Vergleich mit vielen
anderen Autos durchaus herausfühlen, wieviel vernünftiges Denken und
wieviel Streben nach echter Qualität in diesem sympathischen Auto stecken.
auto motor und sport / Deutschland 4/1965
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