Rover 2000
Im November 1963 konnten wir den Rover 2000 vorstellen und über die
Fahreindrücke mit einem Prototyp berichten, die sehr gut waren.
Inzwischen ist in Solihull - sehr vorsichtig - die Serienproduktion
angelaufen und seit einigen Monaten ist der 2000 auch auf dem deutschen
Markt kurzfristig lieferbar. Wir hatten nun Gelegenheit, ein Fahrzeug, das
schon rund 14.000 km gelaufen war, zu erproben.
Durch
den hohen Zoll, wie er auf allen nicht aus dem EWG-Raum eingeführten
Automobilen lastet, erhöht sich der Verkaufspreis des Rover 2000 auf
13.960 DM, und das ist kein Pappenstiel.
Aber
dieses Auto stellt einen technischen Leckerbissen dar. Nicht umsonst
ließen sich seine Schöpfer sehr viel Zeit mit seiner Entwicklung, und
nicht umsonst ließ man ihnen hierbei in wirtschaftlicher Beziehung
weitgehend freie Hand. Der Rover 2000 ist kein Auto, das auf einen
bestimmten Verkaufspreis hin geschaffen wurde, es ist vielmehr das
Ergebnis des Strebens eines Teams fortschrittlich denkender Ingenieure,
innerhalb der Grenzen von Hubraum und Grundabmessungen ein optimales
Fahrzeug zu bauen. Hierbei ist für den Laien vor allem die Konsequenz
bemerkenswert, mit der das Ziel einer möglichst hohen Sicherheit sowohl in
den Fahreigenschaften als auch jene sekundärer Natur - der "inneren
Sicherheit" - verfolgt und verwirklicht wurde. Und genau an dieser Stelle
wird bereits die Preisoptik fragwürdig, denn wer es sich leisten kann,
wird ohne Zweifel an seiner persönlichen Sicherheit zuletzt sparen wollen!
90 PS aus vier
Zylindern
Der
Motor des 2000 hat vier Zylinder. Mit jeweils 85,7 mm sind sich Bohrung
und Hub gleich. Die Kurbelwelle ruht in fünf Lagern, die obenliegende
Nockenwelle wird durch eine Rollenkette angetrieben. Der Motor ist
insofern ungewöhnlich, als die hemisphärischen Verbrennungsräume nicht
durch den Zylinderkopf, sondern durch die konkav gewölbten Kolbenböden
gebildet werden. Der Zylinderkopf ist an seiner Unterseite tischeben. Das
zweite ungewöhnliche Detail ist die Gruppierung aller Nebenaggregate außen
an der rechten Motorseite: Auch die Ölpumpe liegt "außenbords". Die
Gemischbildung besorgt ein SU-Horizontalvergaser, dem wir bedenkenlos die
beste Note ausstellen können: Start auch nach einer Frostnacht problemlos
und lochfreie Skala vom Leerlauf bis Vollast.
Mit
dem Motor ist ein Viergang-Vollsynchrongetriebe verbunden, das man
ebenfalls loben kann. Der kurze Mittelschalthebel ist wirklich handlich,
und die Schaltung arbeitet sehr präzise. Ein besonderes Lob verdient die
Sperre für den Rückwärtsgang in Form eines kleinen Schiebers am Hals des
Schalthebels. Die Abstufung der Gänge ist ein wenig ungewöhnlich: Der 3.
Gang erweist sich als sehr "lang" mit einer Reichweite bis 135 km/h. Im 2.
Gang bleibt der Motor bei 85 km/h noch innerhalb vertretbarer
Drehzahlgrenzen!
Kultur auch im Fahrwerk
Genauso kultiviert wie Motor und Getriebe präsentiert sich auch das
Fahrwerk. Die Federung ist mit Frequenzen von 67 Schwingungen/Min. vorn
und 73 hinten sehr weich. Geringe ungefederte Massen und eine wirksame
Dämpfung ergeben nicht nur einen Fahrkomfort, der dem der großen
Citroen-Modelle sehr nahe kommt - sie sorgen auch für eine sehr gute
Bodenhaftung der serienmäßig mit Gürtelreifen versehenen Räder. Das
auffallend geringe Fahrgeräusch läßt auf eine gute Abstimmung der
Radführungen gegen den Wagenkörper schließen, das beträchtliche
Eigengewicht von mehr als 1200 kg allerdings auch auf die Verwendung
reichlichen Dämpfungsmaterials.
Die
Fahrwerkskonstruktion muß als recht aufwendig bezeichnet werden. Das gilt
genauso für den Karosseriekörper, bei dem die Außenhaut nicht zum
tragenden Gefüge gehört. Die sehr steife Bodengruppe ist mit einem Gerüst
aus Profilträgern verschweißt, das den Fahrgastraum umgibt wie ein
schützender Käfig. In der Produktion werden die fertig lackierten
Preßteile erst nach der Fahrerprobung, der jedes neue Auto unterworfen
wird, auf den "Käfig" aufgeschraubt. Das ist nicht gerade eine preiswerte
Bauweise - aber für den späteren Besitzer bringt sie die Möglichkeit, bei
Blechschäden Karosserieteile mit einem Minimum an Kosten und Zeitverlust
auszuwechseln.
Die
Radführungen sind beispielhaft. Vorn sitzen die Räder an langen vertikalen
Säulen, die gleichzeitig als Achsschenkel dienen. Sie werden unten durch
einen Querlenker und oben durch einen Kniehebel gehalten, der sich auf
eine horizontal und ganz hoch im Vorderkotflügel liegende
Schraubenfeder abstützt. Die genannten Kräfte werden hier in den sehr
festen Windlaufteil der Karosserie geleitet, und die beiden Federn stehen
vor dem als stabile Zelle wirkenden Fahrgastraum wie Puffer. Durch die
langen "Achsschenkel" konnten die Lenkungsteile ganz nach oben verlegt
werden. Das Lenkgetriebe sitzt an der motorseitigen Spritzwand und eine
Lenksäule im eigentlich Sinn ist nicht mehr vorhanden. Die kurze
Verbindung (etwa 30 cm) zwischen dem sehr zierlichen, in seiner Höhe um 8
cm verstellbaren Lenkrad und dem Lenkgetriebe erfolgt durch eine in der
Mitte durch ein Kardangelenk unterbrochene Stange, die bei einer frontalen
Verformung der Karosserie zusammenklappen würde. Auch hier wurde, wie man
sieht, dem Gedanken der Sicherheit viel Aufmerksamkeit gewidmet.
Die
Führung der Hinterräder stellt ein Mittelding zwischen einer
Doppelgelenkachse und einer Einzelfederung insofern dar, als das die
beiden Räder verbindende Tragrohr mit einem Teleskopstück ausgerüstet ist,
das Längenänderungen und Verdrehungen in beschränktem Maße erlaubt. Die
Seitenführung wird von den Antriebswellen übernommen, die Längsführung
durch ein Wattgestänge, das unter allen Umständen Längsverschiebungen der
Radachsen verhindert - den Radstand also konstant hält.
Was
mir noch bei keinem Testwagen zuvor begegnet ist: Die Bremse des Rover
2000 registrierte bei den Messungen der Verzögerung aus 50 km/h dreimal
nacheinander 100 Prozent. Die hydraulische Anlage umfaßt Scheibenbremsen
an allen Rädern (hinten "innenbords") und ein Unterdruck-Servo.
Die glückliche Abstimmung erlaubt es, auch kräftig draufzutreten, ohne daß
die Räder zum Blockieren kommen. Bei mehrmaligen harten Verzögerungen aus
hohem Tempo ließ sich eine Spur von Fading erkennen.
Dominierender Fahreindruck beim Rover 2000 sind die Handlichkeit
(Spurkreis unter 10 m), die federleichte Bedienung und das so gute
Kurvenverhalten. Zwar neigt sich die Karosserie merklich, doch hat das
offensichtlich keinerlei nachteiligen Einfluß auf das Fahrverhalten.
Vier Sitze - nicht mehr
Die
viertürige Karosserie bietet vier Personen Platz. Zwar kann man nach
Einklappen der Fond-Armstütze hinten zur Not drei Leute unterbringen.
Vorgesehen ist das nicht, wie man aus der Formgebung der Sitze als
Einzelfauteuils erkennen kann. Die Sitze sind sehr bequem, besonders die
Vordersitze, deren Lehnen sich stufenlos durch einen handlichen Klemmhebel
in der gewünschten Position halten lassen. Kritik ist hier nur an den
Längendimensionen angebracht: Wenn die Vordersitze so weit zurückgeschoben
sind, daß Langbeiner sich richtig wohlfühlen, wird´s hinten mit dem
Knieraum mehr als knapp. Man hat sich also in diesem Auto entweder mit
einem Lebensraum-Kompromiß abzufinden, oder man muß es als 2+2-Sitzer
auffassen, wie ein Coupé.
Die
Instrumente wurden recht originell in einem Gehäuse angeordnet, das wie
ein Transistorradio in das (über die ganze Wagenbreite reichende)
Ablageregal eingeschoben ist; die Geräte bieten aber nicht das Optimum an
Deutlichkeit. Über den eigentlichen Anzeigeinstrumenten befindet sich ein
Streifen mit Leuchten, die in unmißverständlicher Schrift dazu mahnen, die
Handbremse zu lösen bzw. de Ölvorrat des Bremssystems zu ergänzen, oder
den Choke wieder einzuschieben. Ja, und sogar ein Reservebenzinhahn ist
vorhanden, mit dem man restlichen sechs Litern im 55 Liter-Tank dem Weg
zum Vergaser freigibt.
Wir
kamen, bei meist ungünstigem Winterwetter und einschließlich der
Beschleunigungsmessungen, auf einen Durchschnittsverbrauch von 12,4 l/100
km. Daraus läßt sich schließen, da0 normalerweise mit etwa 11 bis 12 l/100
km auszukommen sein dürfte. Im Knieraum, vor Fahrer und Beifahrer, liegen
große ausklappbare Staufächer, deren Vorderseiten stark gepolstert sind.
Diese Kästen "schlucken" nicht nur größere Objekte, wie eine "Rolleiflex"
oder Damenhandtasche, sie stellen auch im "Fall der Fälle" einen sehr
guten Knieschutz dar, da sie aus verformbarem Kunststoff bestehen.
Der
Rover 2000 ist mehr als nur ein interessantes oder in manchen Details
ungewöhnliches Auto - er kann den Konstrukteuren manch anderer Werke auch
als mahnendes Vorbild dienen, was sich für die Sicherheit tun läßt, ohne
zu skurilen Gebilden zu kommen, wie sie "Sicherheitsfanatiker"
gelegentlich gebaut und angepriesen haben. Der Rover ist darüber hinaus
ein Auto, das einen hohen Fahrgenuß zu bieten vermag.
0-100 km/h 16,1 Sek.
Höchstgeschwindigkeit 165
km/h
Motor Rundschau / Deutschland 14/1965
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