Rover 2000
Die alte englische Automobilfabrik Rover genoss schon in der Vorkriegszeit
den Ruf, besonders solide und langlebige Wagen zu bauen. Die Autos aus
Solihull galten als "Schmalspur-Rolls-Royce" und wurden zumeist von
wirtschaftlich arrivierten Leuten gekauft, die auf modischen Chic keinen
Wert legten, dafür aber auf ein zuverlässiges und bequemes Vehikel, mit
dem man jahraus jahrein fahren konnte, ohne sich groß um dessen Innereien
zu kümmern.
Modern und konservativ
Während des Krieges sattelte Rover auf Strahltriebwerke um und schuf
gemeinsam mit dem englischen Düsentriebswerks-Pionier Frank Whiffle die
ersten brauchbaren Flugzeug-Gasturbinen. In den fünfziger Jahren setzte
Rover diesen Weg auf dem Fahrzeugsektor fort und entwickelte als erste
Automobilfabrik der Welt eine kleine Gasturbine für Personenwagen, die
nach einer Reihe von Zwischenstadien heute praktisch serienreif ist.
Dieser Abstecher hat im Kurs der heutigen Rover-Werke genauso seine Spur
zurückgelassen wie die konservative Linie. Das muss man wissen, um zu
verstehen, dass sich die Väter des Rover 2000 bemühten, beide Linien zu
einer idealen Synthese zu verschmelzen. Das Ergebnis ist nun beileibe kein
Großvaterstuhl auf einer Mondrakete geworden, sondern ein konstruktiv sehr
originelles Auto, dessen Fahreigenschaften in mancher Hinsicht als
vorbildlich gelten können. Motorjournalisten sind nicht leicht zu
begeistern. Es will also schon etwas heissen, wenn ein internationales
Gremium von 25 Motorjournalisten aus Westeuropa und den USA den Rover in
seinem Geburtsjahr 1963 mit beachtlicher Mehrheit zum "Auto des Jahres"
wählte.
Sicherheit zuerst
Bei
der Konstruktion des 2000 stand die Sicherheit stets deutlich im
Vordergrund. Das beginnt bei der Konstruktion der Karosserie und endet mit
fast schon belanglosen Ausstattungsdetails. Der tragende Aufbau des Wagens
besteht aus einer stabilen Bodengruppe und einem käfigartigen Gerüst aus
Stahlblech-Kastenprofilen. Die Blechbeplankung des Wagens ist für die
Festigkeit ohne Bedeutung. Die einzelnen fertig lackierten Schalen werden
nach der Fertigmontage aufgeschraubt. Das hat ganz nebenbei noch den
Vorteil, dass sie im Falle geringfügiger Blechschäden schnell und
kostensparend ausgetauscht werden können. Auch bei der Konstruktion der
Radführung wurde die Sicherheit nicht nebensächlich behandelt. Die
Vorderräder sitzen an langen, senkrechten Schwenkarmen, die unten durch
einen Querlenker geführt werden und oben mit einem Kniehebel verbunden
sind, der auf eine horizontal hoch im Windlauf angeordenete große
Schraubenfeder wirkt. Die Kräfte werden in dem steif gebauten Windlaufteil
der Karosserie aufgenommen.
Kurze Lenksäule
Vor
diesem steht der Motor und zu dessen beiden Seiten bilden kastenförmige
Körper den Träger für die Karosseriebleche, den Kühler, Stoßstangen,
Grill, Scheinwerfer und Verkleidungen. Im Falle eines frontalen
Zusammenstoßes bildet dieser "Vorbau" einen höchst wirkungsvollen Schutz.
Zu
erwähnen wäre weiter, dass beim Rover 2000 eine Lenksäule praktisch nicht
vorhanden ist. Die Verbindung zwischen dem Lenkrad und dem im Motorraum
unmittelbar vor der Spritzwand untergebrachten Lenkgehäuse wird durch eine
Stange von etwa 350 mm Länge hergestellt, die in ihrer Mitte durch ein
Kardangelenk unterteilt ist. Diese "Lenksäule" ist erstens viel zu kurz,
um zu einer Gefahr zu werden und zweitens würde ein frontal geführter
Schlag - selbst wenn er das Lenkgetriebe erreichen sollte - die
zweigeteilte Stange nur zusammenklappen lassen.
Bei
der Konstruktion des Wagens haben die Ingenieure sich zwar bei den
Dimensionen eine Grenze gesetzt, brauchten sich aber sonst anscheinend
keinen Zwang anzutun. Man strebte eindeutig das Ziel an, ein Auto ganz
besonderer Qualität zu schaffen. Um das Ergebnis unserer Beurteilung
vorwegzunehmen: das ist ihnen in einem bewundernswerten Maß geglückt.
Komfort und Kultur
Der
Rover 2000 soll ein Viersitzer sein. Man hat ganz bewusst darauf
verzichtet, auch nur den Anschein zu erwecken, als sei das Interieur
besonders geräumig. Ungewöhnlich ist hierbei, dass ausser den Vordersitzen
auch jene im Fond als Einzelfauteuils gestaltet sind. Es ist ein
glücklicher Kompromiss zwischen Clubsesselkomfort und sportlichem
Schalensitz. Hervorragend ist auch die Verstellung der Rückenlehnen-Winkel
für die Vordersitze durch einen stufenlos wirkenden Klemmhebel.
Kritisieren ließen sich höchstens die Längendimensionen; wenn die
Vordersitze für Langbeiner weit zurückgestellt sind, wird im Fond der
Knieraum zu knapp. Unter solchen Umständen geraten die Sitzverhältnisse in
die Coupé-Klasse.
Bequem zu bedienen
Der
Rover 2000 ist eines der wenigen Autos, in denen der Mann am Steuer jeden
Bedienungshebel und jeden Schalter auch dann bequem erreichen kann, wenn
er Sicherheitsgurte trägt - für die Verankerungen serienmäßig eingebaut
sind. Die beiden vorderen Sitze werden durch einen hohen Mitteltunnel
getrennt, der hier ein wichtiges Versteifungsglied im Karosseriegefüge
ist. Auf diesem Tunnel sitzen - von vorn nach hinten - ein großer
Aschenbecher mit Deckel, der kurze handliche Schalthebel mit einer
vorbildlichen Sperre für den Rückwärtsgang, die Handbremse und ein wenig
weiter zurück, und damit schon im Fond, ein zweiter großer Aschenbecher.
Die
Anzeigeinstrumente wirken wie ein moderner Radioapparat: eine geschlossene
rechteckige Einheit mit Kühlwasserthermometer, Tachometer mit Tages- und
Gesamtzähler und rechts eine Kraftstoffuhr. Darüber ist eine schmale
Leiste angebracht, die gut ablesbare Leuchtschriften trägt. Diese zeigen
in der Reihenfolge von links nach rechts an, ob der Choke noch in Aktion
ist, ob der Öldruck ausreicht, der Winker eingeschaltet ist (rechts und
links), die Lichtmaschine Ladestrom liefert, das Fernlicht brennt oder
vergessen wurde, die Handbremse zu lösen. Die Sache ist einfach
"einleuchtend". Doch damit sind wir noch nicht am Ende: das Choke-Licht
leuchtet nämlich bei kaltem Motor gar nicht auf, sondern erst dann, wenn
der Motor warm gelaufen ist und es Zeit wird, den Knopf wieder
einzuschieben.
Zierliches Lenkrad
Neben
dem Armaturenbrett erstreckt sich ein breites Ablagebord mit einem
ausreichend hohen Rand bis an die rechte Seitenwand. Eine mit
mattschwarzem Leder bezogene Polsterleiste darunter trägt die Schalter,
deren Griffe jeweils eine typische Form erhalten haben, damit man sie auch
in der Dunkelheit nicht verwechseln kann. Das ungewöhnlich zierliche
Lenkrad - genau wie alle anderen Bedienungselemente schwarz in der Farbe -
lässt sich nach Lösen einer Knebelschraube an der Seite des Trägers in
seiner Höhe verstellen. Zwei aus der Verschalung des Trägers ragende
Schaltstengel bedienen (links) die Abblendung (auf und ab) und die
Lichthupe (angezogen) und rechts den Winkerschalter (auf und ab) und die
Zweiklangfanfare (angezogen). Was vor den Sitzen aussieht wie eine
gepolsterte Verkleidung, entpuppt sich als je ein geräumiger ausklappbarer
Behälter. Diese Kästen bestehen aus Kunststoff und sind zum Wageninnern
stark gepolstert. Das Interieur des Rover 2000 wirkt in einem höchst
kultivierten Sinne wohnlich. Nichts ist hier konfektioniert oder wird als
"nachträglich angepappt" empfunden: man sieht es, dass hier reiflich - und
mit Erfolg - nachgedacht wurde.
Der Motor
Das
Triebwerk des Rover 2000 ist ein Vierzylindermotor mit obenliegender
Nocken- und fünffach gelagerter Kurbelwelle. Mit 85,7 mm Bohrung und
ebensoviel Hub ist er genau quadratisch in seinen Abmessungen. Das
Verdichtungsverhältnis beträgt 9,0:1 - der "Ofen" muss also mit Super
geheizt werden -, die Leistung erreicht 90 DIN-PS bei 5000 U/min. Das
beste Drehmoment von 15,5 mkg liegt bei 2750 U/min angenehm hoch auf der
Drehzahlskala. Das bedeutet, dass auch eine ordentliche Autobahnsteigung
noch mit Tempo genommen werden kann. Originell ist dieser Motor in zwei
Punkten: seine Nebentriebe liegen alle seitlich aussen - auch die Ölpumpe
- und die halbkugeligen Verbrennungsräume liegen nicht im Zylinderkopf
(der ist ganz flach), sondern in den muldenförmig nach innen gewölbten
Kolbenböden. Wie das alles konstruktiv auch gedacht sein mag, der Erfolg
ist offensichtlich: ein sehr ruhig und gesittet laufendes Triebwerk mit
vortrefflichen Manieren und sparsam im Verbrauch.
Das
Getriebe hat vier vollsynchronisierte Vorwärtsgänge und eine prächtige
Schaltung. Es ist relativ leise, wenn auch in den unteren Gängen noch
hörbar. Interessant ist die Abstufung der Gänge insofern, als sie
Fahrgeschwindigkeiten von 50 - 85 - 135 km/h erlauben. Das sind für einen
Zwei-Liter-Reisewagen ganz ungewöhnlich hohe Werte. Der Motor geht bei
hohen und höchsten Drehzahlen so ruhig, dass man ihn praktisch kaum hört.
Bei kaum einem Auto habe ich einen Drehzahlmesser so vermisst wie bei
diesem: auch in der Stadt kann man nur nach Gefühl und überhaupt nicht
nach dem Gehör fahren.
So
originell wie die schon beschriebene Führung der Vorderräder ist auch die
Hinterachse, mit der sich die Rover-Ingenieure die größte Mühe gegeben
haben, die guten Eigenschaften aller Bauarten zu vereinigen. Die Räder
werden von einem leichten Achsrohr getragen, das sich zum Ausgleich von
Verwindungen teleskopartig verlängern bzw. verkürzen kann. Die
Seitenkräfte werden von den mit Doppelgelenken versehenen Achswellen
aufgenommen, die Längskräfte von je zwei nach vorn und nach hinten
ragenden Streben, die nach Art eines Watt-Gestänges an den Extremitäten
des Achskörpers angreifen und sicherstellen, dass die Achse stets genau
rechtwinklig zur Wagen-Längsachse geführt wird. Das ist eine ziemlich
teure Konstruktion, bei der man seine Zweifel haben kann, ob der erzielte
Effekt den Aufwand rechtfertigt; dieses allerdings nur so lange, als man
das Auto noch nicht gefahren hat.
Die
Konstruktion des Rover 2000-Fahrwerks begann mit den Reifen. Das geben die
Rover-Leute selbst ohne Zögern zu. Das ist wohl auch der Grund dafür,
warum man nur zwei Arten von Reifen für den 2000 empfiehlt: den Dunlop SP
oder den Pirelli Cinturato, beides Gürtelreifen der Dimension 165x14. Der
Rover 2000 ist vollgetankt und fahrfertig mit rund 1280 kg nicht gerade
ein Leichtgewicht. Dementsprechend erreicht sein Leistungsgewicht mit 14,4
kg/PS auch keinen Spitzenwert. Bei unseren Beschleunigungsmessungen kam
das auch recht deutlich zum Ausdruck, genau wie die relativ "langen"
Getriebegänge. Selbst im 1. Gang ist es schwierig, die Triebräder zum
Durchdrehen zu kriegen - daran ist allerdings auch die vorzügliche
Bodenhaftung beteiligt. Mit vier Umdrehungen des Rades von Anschlag zu
Anschlag bei einem Wendekreis von 10 m ist der Rover 2000 nicht nur ein
sehr wendiges Auto, er fährt sich auch ungewöhnlich mühelos. Federung und
Dämpfung können als hervorragend bezeichnet werden.
Es
gibt ganz wenige Autos, die den gleichen Standard an Fahrsicherheit bieten
- und Sicherheit so vollkommen mit Komfort verbinden. Dem allgemein
überdurchschnittlichen Standard sind auch die Bremsen angepasst. Die
hydraulische Anlage umfasst einen Unterdruck-Servo und vier
Scheibenbremsen - für die Hinterräder sind sie "innenbords", beiderseits
des am Wagenkörper befestigten Differentialgehäuses angeordnet. Der Rover
2000 ist übrigens das erste Auto, bei dessen Bremsen wir dreimal
nacheinander aus 50 km/h eine Leistung von 100 Prozent messen konnten. Die
Bremse geht sehr weich und zeigte sich auch bei hohem Tempo recht
standfest. Erst bei wirklicher "Misshandlung" stellte sich ein leichtes
Fading ein.
Nichts ist auf unserer Welt vollkommen. So hat auch der Rover 2000 seine
dunkleren Punkte. Den knappen Innenraum im Fond erwähnten wir schon - was
uns an unserem Testauto nicht gefiel, war die Lüftung. Zwar erwies sich
die Heizanlage als ausreichend wirksam und auch das geförderte Luftvolumen
bot zu keiner Klage Anlass, nur neigten die Fenster stark zum Beschlagen
und waren selbst mit Warmluft und auf vollen Touren werkendem Gebläse
nicht freizukriegen: man musste wischen. Da die Warmluftverteilung sich
anhand des Beschlagbildes auf der Windschutzscheibe als deutlich
fehlerhaft erwies, kann es sich hier möglicherweise um einen Montagefehler
bei den Luftschächten handeln, der den Nachteil nur an diesem einen Auto
auftreten ließ. Hier war diese Eigenschaft allerdings ziemlich lästig.
Der
Rover 2000 kostet ab Frankfurt immerhin 13.960 DM. Das ist eine Menge Geld
für einen Zwei-Liter-Wagen, auch wenn mit Scheibenbremsen und Servo,
Lederpolsterbezügen und anderen Annehmlichkeiten ausgestattet ist. Wenn
man von Geld spricht, sollte man nicht übersehen, dass ein Austausch-Motor
1.500 DM kostet. Das ist erstaunlich wenig und es kommt noch hinzu, dass
auf solch einen Motor die gleiche 12-Monats-Garantie ohne Rücksicht auf
gefahrene Kilometer gegeben wird wie auf einen Neuwagen. Ohne Zweifel
kauft man jedoch beim Rover 2000 mehr Sicherheit ein als bei den meisten
anderen Autos. Und die sollte uns schliesslich auch etwas wert sein.
Olaf
von Fersen
Motor
Reise Revue 4/1965
Beschleunigung
0 bis 60 km/h 6,5
Sek.
o bis 80 km/h 10,2
Sek.
0 bis 100 km/h 16,1
Sek.
0 bis 120 km/h 23,5
Sek.
Höchstgeschwindigkeit 165
km/h
Testverbrauch 12,2 l/100 km
ZURÜCK
|