Rover 2000 TC

Ein sicheres Auto, das seinen Fahrer verwöhnt

Unter den etwa 40 verschiedenen Autos – oder mehr –, die ich im Jahr fahre, gibt es nur wenige, die mir in zehn bis 14 Tagen so vertraut und sympathisch werden wie der Rover 2000 TC es geworden ist. Ich habe mich in diesen Winterwochen immer wieder auf das Fahren mit dem englischen „Sicherheitsauto" gefreut. Trotz Regen und Schnee, Matsch und Graupel, trotz Sturm und Glatteis.

Der Rover ist äusserlich unauffällig. Britisches „Understatement". Ich mag das. Man sieht dem Auto nicht an, was es kann: zum Beispiel mit der sauberen Vierzylindermaschine, die 110 PS leistet, über 180 km/h schnell zu rennen, in 13,5 Sekunden bis 100 km/h zu beschleunigen und bei normaler Fahrweise nur 11 Liter Super zu schlucken. Und so weiter.

Innen ist dieses britische Qualitätsauto recht luxuriös. Sehr gute und gediegene Ledersessel. Die Sitze gehören zu den besten, die man in guten Autos finden kann. Hinten auch Einzelsessel. Man fühlt sich vom ersten Augenblick an „wie zu Hause". Knapper, kurzer Schaltknüppel. Etwas strammes, typisch englisches Getriebe, in dem man nicht „rührt", sondern mit dem man exakt schaltet.

Sehr ungewöhnlich sind anfangs die eng nebeneinander in einer Ebene liegenden Pedale. Wenn man sich daran gewöhnt hat, dann weiss man, was sich die Rover-Leute gedacht haben: Ohne den Fuß vom Boden heben zu müssen, ohne zeitraubend auf die Pedale „steigen" zu müssen, kann der Fuß vom Gas auf die Bremse. Auch beim Kuppeln muss man den Fuß nicht vom Boden anheben. Da unten auf den Pedalen ist freilich nicht viel Platz und man sollte wirklich keine Skistiefel tragen. Ich würde das Gaspedal einige Zentimeter weiter rechts am Getriebetunnel lieber sehen.

Alles griffgerecht

Die Beine und vor allem die Knie sind nahe vor den absichtlich so in den Wagen eingebauten ledergepolsterten Taschen unter dem Armaturenbrett. Ein Mitfahrer, der sich diese maßgerechte Sitzposition betrachtete, meinte: „Wie in einer Astronautenkanzel". Man sitzt aber gut so, und alles ist so griffgerecht, dass man keinen Grund sieht, mehr Platz da vorn zu haben.

Hinten haben die Mitfahrer auch nicht mehr Platz und bei weit zurückgeschobenem Vordersessel wird man sich „eingepackt" vorkommen. Die Rücklehnen der Vordersitze sind nach hinten hin so gepolstert, dass man sich nicht arg verletzen kann, wenn man dagegengeschleudert wird.

Mit den zahlreichen Instrumentenhebeln und Knöpfen macht man sich in einigen Tagen vertraut. Die herausragenden, verschieden geformten Hebel, damit man sich nicht verletzt, liegen am Armaturenbrett in der Mitte zwischen den Sitzen und können den Fahrer oder Beifahrer nicht gefährden. Dieser verstärkte Typ TC (der normale Rover 2000 leistet bei gleichen 1978 ccm Hubraum 90 PS) hat einen Drehzahlmesser eingebaut. Unter den Armaturen – Walzentacho – ist ein breites Ablagebord, auf dem aber die Sachen nicht hin und her rutschen, weil die Ablage mit Noppengummi ausgelegt ist.

Der Fahrer kann den Wagen auch beim Rangieren gut überblicken. Man muss aber kräftig kurbeln. Für Damen wohl etwas schwer. Das Lenkrad kann man etwas verstellen, höher oder tiefer, auch während der Fahrt. Die Lenksäule ist sehr kurz und bei einem Frontalaufprall wird sie den Fahrer nicht aufspießen können.

Stabile Sicherheitszelle

Bei der Konstruktion dieses so wenig auffälligen Autos ging man – wie Daimler-Benz und andere Autohersteller – von dem Gedanken aus, dass der Fahrgastraum eine Sicherheitszelle sein soll, dass sich aber Vorder- und Hinterteil des Wagens bei Unfällen verformen müssen, um Stoßenergie aufzunehmen und zu absorbieren. Crashversuche bei Rover und Erfahrungen aus richtigen Unfällen beweisen, wie stabil dieses Auto ist. Die Karosserie besteht aus einer Art Stahlskelett. Die einzelnen Karosserieteile sind darangeschraubt. Der Austausch von Teilen wie Hauben oder Kotflügel geht schnell, weil da nichts ge- und verschweißt werden muss. Die Fahrgastzelle ist nach vorn hin durch eine Stahlplatte geschützt. Motor und Getriebe können bei einem Zusammenstoß nicht in das Auto eindringen, sondern werden nach unten abgeleitet. In das Dach sind „Rippen" als Schutz beim Überrollen eingebaut.

So aufwendig wie viele Einzelteile beim Rover 2000 sind, so aufwendig ist auch das Fahrwerk: Einzelradaufhängung vorn und hinten. Die Schraubenfedern vorn liegen sehr ungewöhnlich über den Rädern in Längsrichtung. Das spart Platz und der Radeinschlag kann groß gehalten werden. Der Drehkreis beträgt nur 9,6 Meter (Wendekreis ca. 10,6 Meter) Nicht zuviel für einen über 4,53 m langen Komfortwagen.

Hinten hat man eine modifizierte, sogenannte De-Dion-Achse eingebaut, wie sie im Rennwagenbau verwendet wird. Dass im Gegensatz zur gewöhnlichen Pendelachse das Fahrverhalten mit dieser Achse ruhiger ist, dass jedenfalls beim Rover durch günstige Gewichtsverteilung, ausgezeichnete Radführung und anderen konstruktiven Aufwand für tadellose Fahreigenschaften gesorgt wird, das merkt sicherlich auch der Laie nach einigen Kilometern.

Übrigens gibt es Scheibenbremsen vorn und hinten. Hinten nicht an den Rädern, sondern innenliegend zu beiden Seiten des Differentials. Differential und Bremsen sind dort mit dem Stahlskelett verschraubt.

Das Heizungs- und Belüftungssystem ist sehr gut. Durch kleine Dreiecksfenster in den hinteren Türen kann man die Heckscheibe mit Frischluft befächeln und verbrauchte Luft abziehen lassen. Allein der Feststellmechanismus dieser Dreiecksfenster ist technisch so solide und durchdacht, dass man überrascht ist, heute noch solche Arbeit zu finden.

Für die Heizung gibt es mehrere Hebel, so dass die warme oder frische Luft überall hin verteilt werden kann. Durch Schlitze im Armaturenbrett gibt es, falls erwünscht, zusätzlich Luft. Natürlich hat man auch ein mehrstufiges Gebläse. In den Testwagen war eine besondere Heckfensterheizung eingebaut. Das ist eine feine Sache. Ein Zug an einem Griff am Armaturenbrett und die fast unsichtbar in die Scheibe eingearbeiteten Heizdrähte erwärmen die Scheibe, vertreiben Eis und Schnee und man hat freie Sicht.

Von den gegenüber vielen anderen Wagen erwähnenswerten eingebauten Besonderheiten seien nur erwähnt: Kontrolllichter für Choke (der reichlich weit rechts sitzt) und Handbremse, Zughebel für Benzinreserve, Schalter für getrennte Beleuchtung des Innenraumes vorn und hinten, Lichtkontakte für alle vier Türen. Das Choke-Warnlämpchen leuchtet erst auf, wenn der gezogene Choke nicht mehr benötigt wird! Die Bremswarnleuchte meldet auch, wenn der Bremsölstand zu gering wird. Dass die vier Türen "satt" schließen, sei nur am Rande erwähnt. In der Rover-Montage macht man die Papierprobe: so lange sich noch ein Stück Papier, das in die geschlossene Tür eingeklemmt wird, ohne zu zerreißen herausziehen lässt, so lange sind die Türen nicht gut genug eingepasst...

Der Rover ist auch vom Fahren her etwas Besonderes. Nicht „sportlich" hart, sondern sehr angenehm gefedert und ziemlich leise auch bei hohen Geschwindigkeiten. Stöße von der Straße her merkt man nicht, auch kein Poltern oder Trampeln auf schlechtem Pflaster oder auf den hier und da noch zu findenden „Oldenburger Katzenköpfen". Man hat immer den Eindruck, dass die vier Räder unter allen Bedingungen fest an den Boden gepresst werden. Das erhöht das Gefühl der Sicherheit.

Komfortable Federung

Wer enge Kurven allerdings in scharfem Rallyefahrstil nehmen will und diesen „sportlichen Fahrstil" bevorzugt, der wird bemängeln, dass in engen, sehr schnell gefahrenen Kurven der Wagen zu weich abgestützt wird und dass man mit der für den Alltag an sich angenehmen Lenkung dann zuviel kurbeln muss. Ich finde es gut, dass man dem Komfort und der weichen Federung sowie der etwas großzügiger übersetzten Lenkung den Vorzug gegeben hat. So reist man viel ermüdungsfreier und genau so, wie man das in einem 15000 Mark-Auto auch möchte.

Die Bremsen arbeiten zuverlässig. Bei viel Nässe auf den Straßen muss man aber dann und wann durch leichtes Treten auf das Bremspedal für vier trockene Bremsscheiben sorgen – wie bei jeder anderen Scheibenbremse auch. Nachts geben die Scheinwerfer ganz ausgezeichnetes Licht. Damit fährt man sicherer und ausdauernder.

Im Gegensatz zum 90 PS-Motor hat der, wie es heisst, für den Kontinent und Export entwickelte 110 PS-Motor zwei SU-Vergaser. Während der Testzeit gab es damit und mit dem Motor keine Schwierigkeiten. Man hat sich Solihull in den Rover-Werken wohl viel Mühe gemacht, einen Motor für die deutschen Autobahnen zu entwickeln. Viele britische Motoren sind zwar sehr leistungsfähig, aber vertragen nicht stundenlanges Vollgasfahren von Hamburg bis Basel. Deutsche Autofahrer verlangen aber solche Motoren, die das aushalten. Wie Rover-Chefkonstrukteur Peter Wilks bestätigte, ist der TC-Motor jeder hohen Dauerbelastung gewachsen.

Ich empfand übrigens das Fahren mit Tempo 130 bis 140 am angenehmsten. Dann dreht die Maschine 4000 bis 4500 Touren. Das scheint ihr bestens zu bekommen. Tempo 180 bedeutet über 5000 Touren. Auch dann hatte ich niemals das Gefühl, dass der Motor übermäßig strapaziert wurde. Als Spitzengeschwindigkeit wurden mehrere Male 180 km/h gestoppt. Eine Geschwindigkeit, die nicht nötig ist und man kaum noch fahren kann. Aber wer in Deutschland exklusive und besondere Autos verkaufen will, wer gegen Mercedes, BMW, gegen Citroen und Volvo, gegen Ford TS, Admiral und Diplomat ankommen will, der muß auch Spitzengeschwindigkeit anbieten (sogar dann, wenn sie niemals ausgenutzt wird!).

Sicher ist, dass der Rover durch seinen Komfort und sein gutes Fahrverhalten verwöhnt. Bis auf die etwas widerspenstigen Schlösser, den unglücklich angebrachten Griff am Kofferraumdeckel und den bei hohen Geschwindigkeiten nicht genug Wasser gegen die Scheibe spritzenden Scheibenwascher gibt es kaum kritische Punkte zu entdecken. Das Reserverad beansprucht viel Platz im Kofferraum. Man kann es aber oben auf den Kofferraum montieren.

Ich gebe gerne zu, dass ich für diese Art britischer Autos, wie den Rover 2000 TC, eine Schwäche habe. In England spricht man von dem Rover als dem „kleinen Rolls Royce" und charakterisiert einen Rover so: Man kann ihn so lange fahren, dass man ihn sogar noch vererben kann. Und er wird von den Erben lieber genommen als ein Jahrhunderte altes Castle...

F. Gert Pohle

Fahrleistungen

0 bis  80 km/h

8,8 s

0 bis 100 km/h

13,5 s

0 bis 120 km/h

19,5 s

0 bis 140 km/h

26,0 s

Höchstgeschwindigkeit 180 km/h

Testverbrauch 11,9 l/100 km

DIE WELT / Deutschland 21.2.1967

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