Rover 2000 TC
Der Rover 2000 gehörte zu den wenigen neuen Autos der letzten Jahre, die
das Gemunkel rechtfertigten, das vor ihrem Erscheinen durch die Fachwelt
ging. Rover werde einen ganz neuen Wagen mit ungewöhnlichen technischen
Details herausbringen, hieß es, und das traf auch zu.
Nun
ist der Rover 2000 zwei Jahre auf dem Markt. Er hat diese Zeit nicht ganz
unangefochten überstanden. Während man von den größeren Rover-Typen
behauptet, daß sich die Fahrer frühestens nach 200.000 km fragen, ob sie
den Wagen mal in der Werkstatt durchsehen lassen sollten, hatten die
Fahrer der ersten Exemplare des 2000 engen Werkstattkontakt. Einige der
Kinderkrankheiten traten auch bei unserem Testwagen auf, den wir Anfang
1965 fuhren: Auspuffschäden, herausspringende Gänge, fehlerhafte
Türschlösser. Rover hatte eine ähnliche Durststrecke zu überwinden wie
BMW, was in gewissem Maße damit zusammenhängt, daß Firmen dieser
Größenordnung keine so perfektionierte Erprobungsarbeit durchführen können
wie die Großen. Wie BMW hat aber auch Rover sich Mühe gegeben, die Kunden
zufriedenzustellen. Die heute hergestellten Wagen entsprechen in der
Zuverlässigkeit dem üblichen Niveau. Bei unserem jetzigen Testwagen
traten, obwohl wir ihn über eine relativ lange Strecke fuhren, keinerlei
Schäden auf. Lediglich die Türschlösser waren schwergängig und scheinen
auch qualitativ noch keinen Höchststand erreicht zu haben.
Zwei Buchstaben mehr
Der
Testwagen war ein Vertreter der neuen Modellreihe TC, die sich durch einen
Zweivergasermotor mit 110 PS auszeichnet. Trotz der zwei Buchstaben, die
wohl für "touring competition" stehen, darf man sich unter dem TC aber
keine Supersport-Limousine vorstellen. Der 2000 ist von Haus aus ein mit
ca. 1300 kg recht schweres Auto, das mit dem 90 PS-Motor keine Bäume
ausreißt. Die strömungsgünstige Karosserie mit relativ kleinem Querschnitt
verhilft ihm zwar zu einer Spitze von ca. 165 km/h, aber die
Beschleunigungsleistungen werden von billigeren und nominell schwächeren
Mittelklassewagen übertroffen. Einer der häufigsten Wünsche, die
anläßlich der Bekanntschaft mit dem 2000 geäußert wurden, war darum
derjenige nach höherer Leistung.
Daß
er sich erfüllen ließ, unterlag keinem Zweifel. Mit seiner sportlichen
Zylinderkopfkonstruktion und obenliegender Nockenwelle war der
neukonstruierte Motor auf Leistungszuwachs eingerichtet. 110 PS ließen
sich ihm leicht entlocken, wenn die Drehzahl angehoben und die Atemwege
erweitert würden. Schon der erste Fahreindruck zeigt, daß der Motor
dadurch nichts von seinen angenehmen Eigenschaften, nämlich seiner
Laufruhe und seiner Elastizität, eingebüßt hat. Zweiliter-Vieryzlinder
sind in der Elastizität den Sechszylindern gleichen Hubraums überlegen; es
war zweifellos eine richtige Entscheidung von Rover, bei vier Zylindern zu
bleiben, wenn der Hubraum nicht über zwei Liter liegen sollte. Der 2000 TC
läßt sich wie der 2000 im Stadt- und Kurzstreckenverkehr mit niedrigen
Drehzahlen fahren, wobei der Motor fast unhörbar ist. Für volles
Beschleunigen muß natürlich der ganze, bis über 6000 U/min reichende
Drehzahlbereich ausgenutzt werden, und dabei nimmt dann auch das
Motorgeräusch zu. Bei schneller Autobahnfahrt merkt man am Brummen des
Motors, daß man es nicht mit einem Sechszylinder zu tun hat, aber es
handelt sich um ein sonores, nicht lästiges Geräusch.
Bemerkenswert ist das gute Temperament des Motors im mittleren
Drehzahlbereich, das in einem relativ guten Beschleunigungsvermögen im IV.
Gang zum Ausdruck kommt. Dank dieser Eigenschaft ist der Rover 2000 TC ein
guter Autobahnwagen, der an Steigungen und zum Überholen stets die nötigen
Kraftreserven zur Verfügung hat. Man erzielt mit ihm mühelos hohe
Durchschnitte - mühelos auch für den Motor, der dank einer langen
Hinterachsübersetzung mit sehr niedrigen Drehzahlen läuft. Der IV. Gang
hat dadurch fast Schongang-Charakteristik: Die von uns gemessene
Höchstgeschwindigkeit von 177 km/h entspricht 5600 U/min.
Entsprechend "lang" sind auch die übrigen Gänge. Unter Zugrundelegung
einer Maximaldrehzahl von 6300 U/min reichen der I. Gang bis 55 km/h, der
II. bis 93 und der III. bis 143 km/h. Das sind ungewöhnliche Werte für
eine Tourenlimousine, und man erkaufte sie mit einem relativ schlechten
Beschleunigungsvermögen in den Gängen. Die von uns gemessenen Werte
entsprechen ungefähr dem BMW 2000, gegen einen 2000 TI hat also der Rover
2000 TC beim Beschleunigen keine Chancen. Er ist ein lebendiger, im
Gesamtcharakter aber noch durchaus "ziviler" Wagen. Es ist vorgesehen,
eine kürzere Hinterachsübersetzung, vielleicht auch einen kürzeren III.
Gang, auf Wunsch anzubieten. Im Verhältnis zum Gewicht nicht hoch sind die
Verbrauchswerte: Wir ermittelten zwischen 9 und 16 Liter/100 km, schnelles
Autobahnfahren kostet um 13 Liter/100 km.
Der
TC ist also noch nicht die "Raketenausführung" des 2000, die vielleicht
mancher erwartet hat; supersportliches Temperament dürfte wohl nur mit
mehr Hubraum zu verwirklichen sein. Bekanntlich experimentiert Rover mit
dem 3 Liter-Leichtmetall-V8 von Buick, der in der Leistung ebenso wie in
der Weichheit zweifellos eine ganz andere Note in dieses Auto bringen
könnte. Schon auf dem Markt ist ein Automatik-2000 mit Borg
Warner-Getriebe (Drehmomentwandler und Dreigang-Planetengetriebe), der auf
Grund der guten Motor-Elastizität sicherlich ein kommodes, aber kaum ein
sehr temperamentvolles Auto sein wird.
Viel Komfort, wenig
Platz
Was
den 2000 und den 2000 TC reizvoll macht, ist weniger die Leistung als die
Verbindung von guter Leistung mit einem erstaunlichen Komfort und
kompakten Außenmaßen. Er ist eines der wenigen gediegenen mittelgroßen
Autos mit gutem Komfort, die es auf dem internationalen Automobilmarkt
bisher gibt. Wer ihn kaufen will, muß zum Understatement bereit sein und
nicht nur kleine Außenmaße, sondern auch innere Enge in Kauf nehmen. Der
Rover TC ist ganz hervorragend ausgestattet, aber man hat in ihm nicht
mehr Platz als in Wagen der unteren Mittelklasse, die weniger als halb
soviel kosten. Die verschwenderisch gepolsterten Vordersitze lassen in
voll zurückgestelltem Zustand hinten praktisch keinen Beinraum mehr übrig;
und wenn man in den ebenfalls wunderbar bequemen Einzel-Rücksitzen etwas
Fuß-Bequemlichkeit haben möchte, müssen sich Fahrer und Beifahrer in ihren
Raumansprüchen bescheiden. Der Kofferraum ist klein, so daß Rover in
nüchterner Selbsterkenntnis den 2000 TC gleich serienmäßig mit einer
Reserveradhalterung für den Kofferdeckel ausstattet. Was wohl keine ideale
Lösung ist, aber dem Wagen eine romantische Note gibt (unser Testwagen
hatte die Halterung noch nicht).
Im
Inneren sind alle Register englischer Ausstattungskunst gezogen. Die Sitze
sind an den Sitz- und Lehnenflächen mit weichem Leder, an den Kanten und
Rückseiten mit einem im Aussehen kaum von Leder unterscheidbaren
Kunstledermaterial bezogen. Durch die Weichheit des Untermaterials und die
abgenähte Verarbeitung wird das bei Ledersitzen oft auftretende
unangenehme Rutschen vermieden. Textilbezüge sind nicht lieferbar. Vor den
Knien von Fahrer und Beifahrer sind zwei große Kästen mit gepolsterten
Klappen, außerdem wurde die Oberfläche des Armaturenbrettes als Ablage
ausgebildet. Die schwarzen "Switches" mit eingeprägten Symbolen sind jedem
Liebhaber englischer Autos bekannt, vermißt werden dagegen im Rover die
Rundinstrumente. Rover ersetzte sie durch eine rechteckige
Armatureneinheit mit Bandtachometer, die als komplettes Aggregat eingebaut
wird. Sie ist nicht gut ablesbar, zumal die Glasscheibe stark spiegelt.
Unorganisch wirkt auch der beim TC in einem kleinen Kasten danebengesetzte
Drehzahlmesser. Von den schwergängigen Türschlössern sprachen wir schon;
unhandlich sind auch die Innengriffe der Türen. Die Belüftungsanlage mit
verstellbaren Schlitzen vor Fahrer und Beifahrer hat eine große Kapazität,
es fehlt aber eine Dachentlüftung, so daß man ein Fenster - am besten
eines der kleinen hinteren Ausstellfenster - öffnen muß, um die Belüftung
und Heizung voll zur Wirkung zu bringen. Die Heizung spricht nach dem
Kaltstart schnell an und ist auch bei Wintertemperaturen von guter
Wirkung.
Spurverändernd und
sturzkonstant
Motor
und Ausstattung tragen zum Gesamtkomfort viel bei, aber das entscheidende
Plus liegt zweifellos in der Federung. Man muß es sich bei Rover sehr zu
Herzen genommen haben, daß die Solihuller Produkte vor Jahren von
europäischen Kritikern hinsichtlich der Federung als "Lastwagen"
bezeichnet worden sind. Die Radaufhängung des 2000, vorn ebenso
unkonventionell wie hinten, wurde offensichtlich im Hinblick auf kleine
ungefederte Massen und große Federwege bei korrekter Radführung
entwickelt. Schon im ersten Test vermerkten wir, daß die gute Ansprache
auf kleine Unebenheiten bei langsamem Tempo besonders hervorgehoben werden
muß - eine Komfort-Eigenschaft, die um so mehr an Bedeutung gewinnt, je
mehr man gezwungen wird, sein Leben im Auto bei Geschwindigkeiten zwischen
0 und 50 km/h zu fristen. Nur bei kleinen ungefederten Massen, für die ein
festliegendes Differential Voraussetzung ist, kann in diesem
Geschwindigkeitsbereich guter Komfort erreicht werden. Diese Erkenntnis
dürfte mit dafür maßgeblich sein, daß General Motors bei den schweren und
teuren Oldsmobile und Cadillac zum Frontantrieb übergeht. Ähnliches
praktiziert Citroen schon lange, und die Zahl der Nachahmer wächst. Rover
entschloß sich für den anderen Weg, bei der angetriebenen Hinterachse zu
bleiben und Aufhängungsaufwand zu treiben. Die zumeist als DeDion-Achse
klassifizierte Hinterradaufhängung des 2000 ist ein Mittelding zwischen
Starrachse und Einzelradaufhängung: sie ist spurverändernd, aber
sturzkonstant. Echte DeDion-Achsen haben Schiebestücke in den
Doppelgelenkwellen des Antriebes, die Rover-Achse dagegen hat eine
Schiebevorrichtung im Achsrohr, die beim Einfedern jene Spuränderungen
ausgleicht, die durch die starren Gelenkwellen bedingt sind. Längslenker
und ein Panhardstab sichern die exakte Radführung.
Rechnet man noch das Hebelwerk der Vorderachse dazu, dann ergibt sich eine
ganz nette Zahl von Stangen und Gelenken, die den Rädern des Rover 2000
ihr Bewegungsspiel vorschreiben. Aber "von nichts kommt nichts" - ein so
guter Federungskomfort ist ohne größere konstruktive Maßnahmen nicht zu
erreichen. Der 2000 schluckt Bodenwellen jeder Art so, daß die Insassen
nicht viel davon merken. Es handelt sich um eine der besten Federungen,
die es gibt.
Über
die Fahreigenschaften notierten wir schon im ersten Test, daß der
Übergangsbereich zwischen spurgenauem Fahren und starkem Ausbrechen der
Hinterräder bei Nässe und Glätte recht schmal ist. Wir müssen diese
Feststellung wiederholen, aber auch wieder hinzufügen, daß der Wagen mit
Pirelli Cinturato ausgerüstet war, die (was auch unsere kürzlich
durchgeführten Versuche bestätigten) in dieser Hinsicht empfindlich sind.
Bei Trockenheit wie bei Nässe ließ der Wagen hohe Kurvengeschwindigkeiten
zu, ohne Anzeichen des Weggehens zu zeigen. Das bei weiterer Steigerung
des Tempos eintretende Übersteuern war bei Trockenheit gut, bei Nässe nur
mit Mühe zu beherrschen. Andere Gürtelreifen sind lieferbar, es muß aber
immer daran gedacht werden, daß der Rover im Grenzbereich sein bis dahin
neutrales Verhalten ziemlich rasch in Übersteuern verwandelt.
Zu
erwähnen ist noch eine gewisse Korrekturbedürftigkeit des Geradeauslaufes
bei schnellem Fahren auf unebener Bahn. Man findet diese Erscheinung bei
vielen Wagen mit Panhardstab und gewöhnt sich relativ schnell daran, die
leichten Richtungsabweichungen mit der Lenkung auszugleichen.
Die
Lenkung selbst ist von Rover auf Leichtgängigkeit ausgelegt worden, was
ihrer Exaktheit ein wenig Abbruch tut. Besonders im Mittelbereich ist sie
recht nachgiebig und erfordert verhältnismäßig große Ausschläge. Beim
Kurvenfahren empfindet man sie als leichtgängig und braucht kaum mehr
Kraft, aber größere Ausschläge als bei einer Servolenkung. Beim Rangieren
dagegen ist zum Drehen des Lenkrades Kraft notwendig. Da auch die Kupplung
und besonders die Schaltung nicht gerade leicht gehen, ist der Rover auf
Parkplätzen manchmal mühsam zu bewegen. Mit seinem kleinen Wendekreis hat
er allerdings dort auch ein wichtiges Plus aufzuweisen. Der Rückwärtsgang
ließ sich nicht ganz ohne Geräusch einlegen.
Die
Bremsen (mit Bremsverstärker), die beim ersten Testwagen bei starker
Beanspruchung etwas nachließen, erwiesen sich diesmal unter allen
Bedingungen als standfest und zuverlässig. Sie waren leicht zu betätigen
und sprachen bei hoher und niedriger Geschwindigkeit sehr gleichmäßig an.
Von Lenkung und Bremsen her ist der Rover also ein leicht bedienbares
Auto. Kupplung und Schaltung dagegen passen nicht ganz in dieses Bild. Da
die Kupplung auch diffizil zu betätigen ist, würden wir in Fällen, wo es
auf hohe Leistung weniger als auf Bequemlichkeit ankommt, unbedingt zum
automatischen Getriebe raten.
Die
unfallsichere Konstruktion des Wagens wird von Rover mit Recht besonders
hervorgehoben. Zu erwähnen ist neben dem berechneten Verformungseffekt von
Vorder- und Hinterteil bei stabiler Mittelzelle die kurze und mit einem
Gelenk versehene Lenksäule, die bei Zusammenstößen keine schädlichen
Wirkungen ausüben kann. Eine stählerne Trennwand zwischen Motor- und
Innenraum verhindert, daß der Motor in den Innenraum hineingedrückt wird.
Die Lenksäule läßt sich um einige Millimeter nach oben und unten
verstellen.
Man
kann den Rover 2000 TC mit gutem Gewissen als eines der Autos bezeichnen,
die sich völlig aus dem straßenbeherrschenden Durchschnitt der
Massenprodukte herausheben, ohne deswegen übermäßig groß, teuer und
luxuriös zu sein. Es gibt Leute, für die nur solche Autos in Frage kommen.
Sie müssen neben Alfa Romeo, Lancia, BMW, Citroen und Peugeot (außerhalb
Frankreichs), Mercedes (außerhalb Deutschlands) und Volvo (außerhalb
Schwedens) auch den Rover in die Wahl ziehen, und zwar ganz besonders
dann, wenn sie Wert auf überdurchschnittlichen Komfort bei kompakten
Außenmaßen legen. Der TC vermag dann an Leistung das zu bieten, was man
beim 2000 noch vermißt hat.
0 bis 100 km/h 14,0 Sek.
Höchstgeschwindigkeit 177
km/h
Testverbrauch 14,4 l/100
km
Preis 14.930 DM
auto
motor und sport / Deutschland 21/1966
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