Rover 2000 TC
Vergleich mit Citroen
DS 21 Pallas, NSU Ro 80
und Volvo 144 S
Für Autokäufer, die nicht danach fragen, ob an jeder Straßenecke eine
Kundendienst-Werkstatt auf der Lauer liegt, denen es auch gleichgültig
ist, wie die Nachbarn über ihr Auto denken, gibt es die "seltenen
Vögel", jene nicht in Massen auftretenden Automobile, die am Biertisch
meist umstritten sind. Man reiht ihre Besitzer gern unter die
Individualisten ein, aber manche von ihnen sind einfach trotzig. Sie
wollen nicht das fahren, was jeder fährt, und mir sind diese Trotzköpfe
sympathisch. Sie werfen beim Autokauf ihr Herz über die Hürde. Würden
das mehr Menschen tun, gäbe es weniger langweilige Autos.
Von
den vier seltenen Vögeln dieses Tests ist einer ein deutscher, aber er
schillert bunter als mancher Exote. Es ist der NSU-Wankel, das
unbekannte Wesen. Ob Volvo 144 S, Citroen DS 21 Pallas, Rover 2000 TC
oder NSU Ro 80 - jeder von ihnen ist eine unverwechselbare
Persönlichkeit.
Erste Frage des Mannes am Bordstein: "Was kostet er?" und erste Reaktion
auf den Preis: "Dafür kriegt man ja schon einen Mercedes!" Aber manche
Leute, unter ihnen Ärzte, Architekten, Anwälte, Journalisten, Künstler
und Ingenieure fahren nun mal andere Autos als die markentreue Gruppe
der Direktoren, Minister, Landwirte, Politiker und Schlachtermeister.
Das mag klingen, wie es will, stimmen tut es trotzdem.
So
grundverschieden die hier getesteten Autos auch sind, die Leistung ihrer
Motoren passt unter einen Hut: Citroen 100 PS, Volvo 100 PS, Rover 110
PS, NSU 115 PS. Und auch dies ist bemerkenswert: Alle vier Motoren
liefern diese Leistung bei 5500 Umdrehungen pro Minute (nur der Volvo
dreht 100 Touren mehr, aber das macht keinen Unterschied). Dennoch
benimmt sich jeder dieser Motoren anders, so anders, dass man auch mit
verbundenen Augen sagen könnte, hinter welcher Maschine man gerade
sitzt.
Der
Volvo-Motor ist rauh wie ein schwedischer Holzfäller, der Citroen-Motor
grollt zornig wie de Gaulle in Kanada, der Rover-Motor gibt sich
zurückhaltend wie ein Lord in Filzpantoffeln und der Wankel-Motor
vermittelt dem Fahrer das Gefühl, Passagier in einem Düsenflugzeug zu
sein. Wenn man ihn und den Rover-Motor eine Weile genossen hat, erinnern
einen die Motoren von Citroen und Volvo an alte Herren, die sich ein
wenig übernehmen. Das mag nur den überraschen, der nicht weiß, wie alt
sie sind.
Das
Zusammenspiel von Motor und Fahrwerk prägt den Charakter eines
Automobils, und dieser überträgt sich auf den Fahrer. Der NSU macht
seinen Fahrer jung und unternehmungslustig, der Citroen macht ihn
behäbig, der Rover macht ihn vornehm-gelassen, und der Volvo macht ihn
trotzig. Aber gehen wir die Autos doch einmal der Reihe nach durch, um
ihnen hinter die Schliche zu kommen.
Im
Citroen fährt man, als hätte das Schlafzimmer Räder. Er ist weich und
sündig, und es gibt kein Auto auf der ganzen Welt, in dem man so
"kuschelig" untergebracht ist wie in ihm. Das ist eine Folge seiner
Konzeption, die wiederum eine Art Trotzreaktion seiner Schöpfer war zu
einer Zeit, als die Autos noch fast durchweg hart über die Unbilden der
inzwischen wesentlich besser gewordenen Straßen hüpften.
Der
Citroen ist der Pionier der weichen Welle im Fahrwerkbau. Aber
empfindsame Insassen werden manchmal seekrank, wenn das Schlafzimmer mit
Volldampf einen Paß bezwingt oder sonstwie kurvenreich verkehrt. Die
Seitenneigungen und sexbetonten Schaukelbewegungen, die das Auto, von
seiner Hydraulik unterschwellig bewegt, vollführt, sind sicher nicht
jedermanns Geschmack.
Einleben muss sich der Fahrer auf ihn ohnehin, denn er ist in vielen
Punkten anders als andere Autos.. Auch in der Bedienung - das Angebot an
Hebeln und Knöpfen, die gedreht, gezogen und bewegt werden wollen, ist
überraschend groß und schlecht verteilt. Das Armaturenbrett ist nicht
funktionstüchtig gestaltet. So etwas macht man inzwischen wesentlich
besser, mit weniger Aufwand und mehr Geschick. Der Wählhebel für die
Schaltautomatik sitzt ganz oben hinter dem Lenkradkranz und zwingt den
Händen eine neue Lenkradhaltung auf. Auch der Bremsfuß muss umlernen,
denn er tritt kein Pedal nieder, sondern trifft auf ein Gummikissen. Für
die Bedienung des Radios, das ganz rechts aussen sitzt, muss man sich
jemanden mitnehmen. Gutaussehende Anhalterinnen dürften in Frankreich
gut vorankommen.
Einen geschmeidigen Fahrstil muss sich der Citroen-Käufer erst
erarbeiten. Aber das Einparken in enge Lücken (und es gibt kaum andere
heutzutage) wird ihm mühselig erscheinen. Zwar wird die Lenkradkurbelei
durch die bei diesem Modell wirksame Servo-Unterstützung erleichtert,
aber der extrem lange Radstand, für satte und sichere
Geradeauslaufeigenschaften bestens geeignet, erweist sich doch als
hinderlich. Und das Ende der langen, tief abfallenden Frontpartie kann
man nur erahnen, aber zum Glück ist es gummibewehrt. In der Stadt möchte
ich dieses Auto nicht Tag für Tag bewegen, aber auf langen Autobahn- und
anderen Fernstrecken würde ich es manchem anderen vorziehen.
Vom
Frontantrieb gezogen, vom langen Radstand beruhigt und stabilisiert, von
extremer Stromform begünstigt, liegt es auch bei widrigen
Wetterverhältnissen zielsicher wie ein Torpedo auf der Strecke. Auf
kurvenreichem Nachtkurs wird der Fahrer vom neuesten Citroen-Gag erfreut
und entlastet: Eines der beiden Scheinwerferpaare macht die Lenkbewegung
mit - der Citroen guckt um die Ecke. Die Kurve, die man ansteuert, wird
sofort ausgeleuchtet, alle anderen Autos blicken da noch immer stur
geradeaus. Eine hydraulische Höhenverstellung des Fahrwerks erlaubt es,
die Bodenfreiheit des Wagens beliebig zu verändern, von "fast auf dem
Bauch kriechend" bis zum stelzenartigen Geländelauf.
Ein
paar geniale Ideen zuviel im Citroen
Das Dumme ist nur, dass
man auf diese Möglichkeiten kaum je zurückgreift. Es scheint, dass in
diesem Citroen ein paar geniale Ideen zuviel stecken. Und sein Netz von
Adern, durch das die komplizierte Hydraulik fließt, hat manchmal
vorzeitige Kreislaufbeschwerden zur Folge. Erfahrene Citroen-Fahrer
trennen sich von ihrem DS, wenn dieser sich im besten Mannesalter
(50.000 bis 60.000 km) befindet. Und ich behaupte ungeniert, dass man
nirgends überzeugtere Individualisten findet als unter den Fshrern der
großen Citroen-Modelle.
Zwei Autos dieses Tests leben ganz vom
Sicherheitsgedanken: der Volvo, bei dem die "innere Sicherheit" wahre
Orgien feiert, und der Rover, der von Kopf bis Fuß auf Sicherheit
konstruiert wurde. Er ist so konsequent auf den Frontalzusammenstoß hin
gebaut, dass es einem fast leid tut, wenn er ausbleibt. Aber ich will
den Rover nicht an seiner Sicherheit aufzäumen, sondern an dem, was er
einem schon bietet, bevor es knallt. Und das ist nicht wenig, zum
Beispiel dieses:
Ich kenne keine andere Limousine, in der man
so gut sitzt. Und das dürfen Sie wörtlich nehmen; vorausgesetzt, dass
Sie, wie ich, das Vornsitzen meinen. Ein Auto für Hintensitzer ist der
Citroen, und wenn ich einen Chauffeur hätte und meine Hochzeitsreise
bevorstünde, würde ich ihn kaufen. Aber ohne Chauffeur säße ich lieber
im Rover. Man sitzt, als hätte man sich das Auto bei einem guten
Schneider machen lassen. So sollte man eigentlich in jedem Auto sitzen,
denn je besser man sitzt, desto besser fährt man. Sportwagenbauer wissen
das längst, und manche richten sich sogar danach. Hübsch fand den Rover
keiner, den ich fragte, aber drin sitzen bleiben wollten sie alle. Das
mag, abgesehen von der guten Sitz- und Bedienungsfunktion, auch am
inneren Finish liegen, das die Verwandtschaft des Rover mit dem Hause
Rolls-Royce widerspiegelt.
Man berührt nirgends im Wageninneren Blech,
immer nur Leder, Velours und Edelholz, und man ergreift ein besonders
griffiges, schlank-zierliches Lenkrad, einen gut liegenden, kurzen
Mittelschalthebel und sportliche Kippschalter, die "klick" machen und
denen man sofort ansieht, ob sie auf "ein" oder "aus" stehen. Rover
wandte sich auch vom herkömmlichen Armaturen-"Brett" ab und rückte dem
Fahrer einen Instrumentenblock hinter das durchsichtige Lenkrad (kein
Hupring, keine dicke Nabe stört den Blick), den er gut übersehen kann.
Leider sind die Ziffern des Tachos, der im Stil eines Transistorradios
gehalten ist, nicht allzu gut ablesbar. Dass aber auch Rundinstrumente
diesbezüglich Kummer machen können, beweisen die im NSU: Sie sind mit
kleinen, engen Zahlen versehen, für die man eine Brille braucht.
Zur Rechten und zur Linken des
Instrumentenblocks erstreckt sich im Rover eine Ablagefläche, die mit
rutschfest geriffeltem Material besohlt ist, so dass manche Gegenstände
auch beim Kurvenfahren nicht nervös werden. Glatte Dinge segeln
allerdings haltlos umher. Eine flache Bordkante wäre zweckmäßig. Das
Lenkrad ist im Anstellwinkel individuell einstellbar. Und die
Kniescheiben der Vornsitzenden einschließlich der Schienbeine werden von
gepolsterten Schrägwänden abgefangen, hinter denen sich praktische
Stauräume befinden, die das übliche "Handschuhfach" weit übertreffen.
Die Formgebung der Sitze und ihre Verstellbarkeit sind "optimal".
Die Radaufhängung des Rover ist originell.
Die Vorderräder hängen an Kniehebeln, die wie Kankerbeine aussehen und
weit hinten, nämlich an der Vorderwand des Passagierraumes, aufgehängt
sind. So kommt der Rover zu einem weichen, bis weit nach hinten
verformbaren Bug, der sehr viel Aufprallenergie verzehren kann. Die
langen Kankerbeine haben ein erfreuliches Schluckvermögen, ohne
schwankend zu wirken.
Noch origineller ist die
Hinterachskonstruktion. Die Bremsscheiben sitzen innen am Differential,
nur dünne Halbachsen belasten die Räder, die trotz der pendelnden
Halbachsen wie von einer spurkonstanten Starrachse geführt werden. Das
bewirkt die Aufhängung nach dem De-Dion-Prinzip, die aufwendig und teuer
ist. Auch hinten sind die Federwege lang und schluckfreudig. Der Rover
geht weich und doch bestimmt über unebene Straßendecken, aber in schnell
gefahrenen Kurven wandert das Heck unaufhaltsam nach aussen. Das zeigte
sich während des Tests immer wieder, sowohl bei schnell Passfahrt über
die Alpen und forcierter Kurvenfahrt an den oberitalienischen Seen
entlang, wie auch auf der Slalomstrecke, die wir auf der Rennbahn von
Modena errichtet hatten.
Bei einem Kältetest, den ich vor Jahren in
St. Moritz unternahm und bei dem alle Testwagen am frostklirrenden
Morgen streikten, sagte mir der örtliche Abschleppmeister: "Bei uns
springt an solchen Tagen nur eine Automarke an, das ist der Volvo." Na
bitte! Er springt als Laternenparker zuerst an und rostet zuletzt. Das
sind mildernde Umstände für ein Auto, das besonders sicher, besonders
langlebig, aber ansonsten auf eine liebenswerte Art veraltet ist. Der
Volksmund nennt ihn nicht ohne Grund "den schnellsten Traktor der Welt."
Er gibt sich nach heutigen Maßstäben recht
rauhbeinig und man spürt das besonders, wenn man aus einem der anderen
drei Testwagen auf ihn umsteigt. Er ist für ein Land gebaut, in dem
andere klimatische Verhältnisse und andere Straßenzustände herrschen als
bei uns. Das erklärt seinen Naturburschen-Charakter. Und er wurde in
einem Land hinsichtlich seiner inneren Sicherheit vervollkommnet, dessen
Bewohner die Sicherheit schlechthin (in allen Bereichen des Lebens) so
gut wie erfunden haben.
Der Volvo 144 ist weniger als andere Autos
darauf aus, beim geringsten Zwischenfall auf seine Insassen
einzuschlagen. Er berücksichtigt, dass in ihm nicht Kohlensäcke, sondern
Menschen befördert werden. Als er vor einem Jahr auf den Markt kam, war
sein Vorsprung hinsichtlich dieser Sicherheitsmerkmale allerdings größer
als heute. Dennoch strotzt sein Inneres von nachahmenswerten
Sicherheitsdetails, und seine Zweikreisbremsanlage ist so geschaltet,
dass beim Ausfall eines Bremskreises immer noch beide Vorderräder und
ein Hinterrad gebremst werden, wodurch eine 75prozentige statt einer
halben Bremswirkung erhalten bleibt.
Auch im Sitzkomfort verdient der Volvo Lob.
In die gut geformten Vordersitze wurde eine individuell verstellbare
Rückenstütze zur Entlastung der Lendenwirbel eingebaut. Dadurch wird
richtiges und ermüdungsfreies Sitzen möglich gemacht. Allerdings zeigte
sich während des Vergleichstests, dass eine anatomisch richtige
Sitzhaltung nicht genügt, Ermüdungsfreiheit zu bewirken. Gerade der
Volvo strengte seinen Fahrer an, und zwar durch Lautstärke,
Federungshärte und schwergängige Bedienung.
Für Sportwagenfahrer mit Familie und ohne
Garage
Der 1,8-Liter-Motor schüttelt seine 100 PS
nicht lässig aus dem Ärmel, sondern er produziert sie hörbar. Das
Fahrwerk neigt auf unebener Straßendecke zum Bocken, aber es ist
insofern brav, als es einen nicht hintergeht. Man weiß immer, was das
Auto zu unternehmen gedenkt und kann sich gut darauf einstellen. Aber
das gesamte Fahrverhalten ist ohne Brillanz; der Volvo ist ein Auto für
Männer, die ihrem harten britischen Sportwagen nachweinen, weil ihre
Familie zur Limousinenstärke angewachsen ist. Und natürlich ein Auto für
jene, die in erster Linie Wert darauf legen, in einem robusten Gehäuse
so sicher wie möglich untergebracht zu sein. Ich kann ihn darüber hinaus
Käufern ans Herz legen, die keine Garage haben und ihr Auto nicht nur
auf glatten Bahnen fahren, sondern es in Wald und Flur arg strapazieren.
Mit seinen 15-Zoll-Rädern und seiner großen Bodenfreiheit wühlt sich der
Volvo überall durch. Außerdem fühlt er sich, wohin man auch greift,
unerhört solide an.
Dieser Vergleichstest stand unter einer
knisternden Spannung, die das ganze Test-Team erfasst hatte: Wie wird
sich der Ro 80 bewähren? Nun, er hat ein paar Nachteile gezeigt, die im
Einzeltest, der über eine wesentlich kürzere Distanz ging, nicht so
deutlich zutage traten. Hier sind sie: Im Vergleich zu Autos ähnlicher
Leistung hoher Benzinverbrauch. Vordere Einzelsitze zu indifferent
geformt, nicht ausreichend körpergerecht. Scheibenwischerfeld reicht
nicht hoch genug hinauf. Tachometer wegen zu kleiner Zahlen schlecht
ablesbar. Aber sonst?
Der Ro 80 machte es den drei Konkurrenten
besonders schwer, gut wegzukommen, denn er setzt hinsichtlich
Fahreigenschaften völlig neue Maßstäbe. Es gab keinen Fahrer, der, vor
die Wahl gestellt, nicht dem Ro 80 für die nächsten paar hundert
Kilometer den Vorzug gab, ganz gleich, ob eine Autobahn- oder
Bergstrecke oder die Rennpiste vor ihm lag. Wenn der Ro 80 die Kolonne
anführte, war er in jedem Fall um so viel schneller, dass sein Fahrer am
Ziel in Ruhe einen Espresso trinken konnte, bevor die anderen eintrafen.
Und wenn er inmitten der Kolonne fuhr, konnte sich sein Fahrer ausruhen,
während die anderen verbissen um gute Zeiten kämpften. Am deutlichsten
wurde das stets auf kurvenreichen oder von dichtem Verkehr belebtem
Kurs. Aber auch auf der Rennstrecke und beim Slalomfahren war der Ro 80
nicht zu schlagen. Seine beste Eigenschaft: Man kann mit ihm völlig
mühe- und risikolos sehr schnell sein! Und sein Fahrwerk schluckt alles,
ohne zu schwanken. Das Geräusch des Zweischeiben-Wankel-Motors artet bei
hohen Drehzahlen in ein dünnes, düsenähnliches Singen aus, beim
Hochbeschleunigen stellt sich fast ein Pfeifen ein, in den unteren
Fahrgeschwindigkeiten kann man den Motor aber nicht als ausgesprochen
leise bezeichnen
Ro 80: großer Durst und hohe Sptze
Da benahm sich der Rover-Motor sanfter.
Laute Autobahnmaschierer bei hohen Geschwindigkeiten sind Volvo und
Citroen, ihr Motorgeräusch klingt nach Schwerarbeit. Angenehm leise,
sich mühelos gebend, sind die Motoren von Rover und NSU. Man könnte
versucht sein, sich einen Ro 80 mit Rover-Motor (wegen des geringeren
Benzinverbrauchs) und Rover-Sitzen zu wünschen. Aber man soll die Kirche
im Dorf und den Wankel-Motor im NSU lassen. Und was die Sitze angeht,
sollte man sich bei NSU etwas einfallen lassen oder den Recaro-Sportsitz
in die Liste des wählbaren Zubehörs aufnehmen.
Der pfeilschnelle, mühelos zu beherrschende
Ro 80 wäre mir persönlich ohne weiteres einen zwei Liter über dem
Durchschnitt liegenden Mehrverbrauch (Normalbenzin!) wert. Und im
übrigen sollten gerade die Individualisten unter den Autokäufern, die
anspruchsvollen Automobilverbraucher, dem Fortschritt und somit dem
Kreiskolbenmotor eine Chance geben. Dass dieses völlig neue Triebwerk
auf Anhieb im Vergleich zum in Jahrzehnten gereiften Hubkolbenmotor so
gut abschneidet, ist ohnehin erstaunlich und berechtigt zu kühnen
Erwartungen.
Während die Hubkolbenmotoren des Tests nach
einigen tausend Kilometern schärfster Beanspruchung für eine
Nachregulierung in ihrer Spezialwerkstatt dankbar waren, zeigte der Ro
80 keinerlei Werkstattsehnsucht. Nur der Zuggriff für die
Motorhaubenöffnung brach, weil aus billigstem Material, unterwegs ab und
musste durch eine Kneifzange ersetzt werden.
Richtig geschaltet, ist der Motor immer voll
da, und vom Nachteil geringer Kraftentfaltung im niederen
Drehzahlbereich ist nichts mehr zu spüren. Am anderen Bedienungsfehler
hat allerdings das Getriebe schuld: Man glaubt manchmal, den
Rückwärtsgang verloren zu haben, weil er absolut nicht aufzufinden ist.
Er verbirgt sich so geschickt, dass Tankwarte und Hotelgaragenbetreuer
das Auto nicht rangieren konnten. Dass der Ro 80 auf der Strecke immer
schneller war als die anderen, verdankt er seinem ausgezeichneten
Fahrwerk. Motorisch stehen ihm Rover und Volvo nicht nach, wenn man auf
ebener, schnurgerader Meßstrecke die Stoppuhr befragt. Man darf die
Ergebnisse in dieser Form abrunden:
In 14 Sekunden sind diese drei auf 100 km/h
und in 29 Sekunden auf 140 km/h zu bringen. Der schwere Citroen ist
etwas müder. Im einzelnen sehen die Messwerte so aus: Ro 80: 0-100 13,4
Sek., 0-140 28,9 Sek.; Rover: 0-100 14,4 Sek., 0-140 28,5 Sek.; Volvo:
0-100 13,6 Sek., 0-140 30,5 Sek.; Citroen: 0-100 15,3 Sek., 0-140 35,3
Sek.
Hier zeigt sich also, wie "schnell" ein
Fahrwerk sein kann, denn vom Motortemperament her hätten Rover und Volvo
mithalten können.
Auf der Autobahn gewinnt der Ro 80
allerdings auch, ohne sein Fahrwerk ausspielen zu müssen, ständig an
Boden, denn er ist der spitzenschnellste und erholt sich gegenüber dem
Citroen, der fast so schnell ist wie er, beim Hochbeschleunigen nach
Geschwindigkeitsreduzierungen rascher. Die gestoppten
Spitzengeschwindigkeiten sehen so aus: Ro 80: 182 km/h; Citroen: 179
Km/h; Rover: 175 Km/h; Volvo; 162,5 km/h.
Freilich entwickelt der Ro 80 bei solcher
Hetzjagd den größten Durst, aber auch da wirkt sich die Routine aus, die
der Ro 80-Fahrer im Laufe der Zeit bekommt. Über die gesamte Teststrecke
von fast 5.000 Kilometern gemessen, ergaben sich folgende
Verbrauchswerte: Volvo 13,1 Liter Super auf 100 km; Rover 13,2 Liter;
Citroen 13,6 Liter Super; Ro 80 14,9 Liter Normal.
Tachos sagen nicht die Wahrheit
Das Kurvenverhalten eines Automobils kann
man an sich nicht in Sekunden messen, aber das Durchfahren einer
Slalomstrecke gibt auch darüber Auskunft durch die Stoppuhr. Hier die
Reihenfolge in Durchlaufzeiten: Ro 80 14,2 Sekunden; Citroen 15,5
Sekunden; Volvo 15,6 Sekunden; Rover 16,8 Sekunden. Diese Messung
bestätigt die auf der gesamten Testdistanz gesammelten Fahreindrücke.
Den ehrlichsten Tacho hat der Citroen, den
verlogensten der Ro 80. Einhundert Tachokilometer sind beim Citroen 97
tatsächliche, beim Rover 93,5, beim Volvo 92 und beim NSU 89,7.
Einhundertvierzig Tachokilometer sind beim Citroen 137, beim Rover
133,5, beim Volvo 131,5 und beim NSU nur 127,6 tatsächliche Kilometer an
gefahrener Geschwindigkeit. Aus diesem Grunde kam der Ro 80 auch auf
eine Tacho-Spitze von 195 km/h, die sich sehr eindrucksvoll ablas.
Es lässt sich nicht leugnen, dass jeder der
vier Testwagen seinen besonderen Reiz und seine besonderen Vorzüge, aber
auch seine speziellen Schwächen hat. Da sich aus dieser Mischung ein
unverwechselbarer Charakter ergibt, wird der Individualist auf Anhieb
wissen, welches Auto zu ihm passt. Und es ergibt sich von selbst, dass
er mit diesem Auto glücklich wird.
Fritz
B. Busch
stern / Deutschland Februar 1968
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