Rover 2000 TC
Wenn man bei uns das Schlagwort "Ein Wagen ist so gut wie sein
Kundendienst-Netz" geprägt hat, entspricht das durchaus den
Erfordernissen. Mit der gleichen Berechtigung lässt sich jedoch die
Behauptung aufstellen, ein Fahrzeug ist so gut wie die bei seiner
Konstruktion geübte Sorgfalt. Ein überzeugender Beweis dieser These ist
der Rover 2000 TC. Die in diesem Fahrzeug praktizierte Verbindung
konventioneller Bauelemente mit modernsten Konstruktionsprinzipien muss
als zukunftsweisend bezeichnet werden. Bei einem Kaufpreis von rund 15.000
DM ist der 2000 TC nicht gerade ein Auto für "jedermann". Dennoch steckt
in ihm für jeden gezahlten Pfennig ein echter Gegenwert. Selten hatten wir
ein Fahrzeug im Test, dessen Fahreigenschaften so weitgehend unabhängig
von der Beschaffenheit der Straße sind.
Formstabiles
Stahlskelett
Tragendes Bauelement des Wagens ist eine biege- und torsionssteif
ausgeführtes Stahlskelett. Es garantiert, verbunden mit einer starken
Stahlwand zwischen Motor und Fahrgastraum, eine hohe Formstabilität, die
bei eventuellen Unfällen die Insassen weitestgehend schützt. Wenn damit
auch ein etwas erhöhtes Leistungsgewicht verbunden ist, bietet es neben
der Sicherheit noch den Vorteil, dass die auf das Stahlskelett
geschraubten Karosserieteile nach Karambolagen leicht ausgewechselt werden
können. Die kompakte Stahlzelle trägt alle mechanischen Teile des
Fahrzeugs und wirkt im Dach noch als Überrollbügel.
In
der Linienführung der Karosserie überwiegt die funktionelle
Zweckmäßigkeit. An die nach unserem Geschmack etwas hochgezogene
Gürtellinie gewöhnt man sich sofort, wenn man im Wagen sitzt. Vier
Scheinwerfer in der Frontpartie mit den etwas vorgezogenen kombinierten
Stadt- und Blinklampen, der waagerecht unterteilte Kühlergrill und die
leicht abfallende Motorhaube lassen ihn als Italo-Engländer erscheinen.
Durch vier Türen, deren Stärke einem Panzerschrank zur Ehre gereichen
würden, ist der luxuriös ausgestattete Fahrgastraum bequem zu erreichen.
Für fünf Fahrgäste in Deutschland zugelassen, möchten wir ihn jedoch als
echten Viersitzer bezeichnen, da der hohe Mitteltunnel dem fünften
Insassen keine ideale Sitzstellung bietet. Dagegen finden vier Passagiere
körpergerecht geformte "Klubsessel" vor, die auch auf langen Fahrten
aussergewöhnlich komfortabel sind. Dadurch wird auch der nicht reichlich
bemessene Fußraum nicht als hinderlich empfunden. Die Vordersitze, als
Schalensitze geformt und mit stufenlos absenkbarer Rückenlehne in
Liegestellung zu bringen, vermitteln dem Fahrer ein feines Gefühl für die
Straßenlage bei schneller Fahrt. Alle Sitze sind mit echtem Leder
überzogen. Armlehnen an allen Türen, auf den Hintersitzen eine
ausklappbare Armstütze, geben den Insassen auch bei scharfer Kurvenfahrt
festen Halt. Dicke Bodenteppiche unterstreichen die luxuriöse Ausstattung.
Zum
Schutz der Fond-Passagiere haben die Rückenlehnen der Vordersitze einen
zusätzlichen Polsterwulst. Je ein großes Ablagefach vor Fahrer- und
Beifahrersitz mit abgepolstertem Deckel schützen die Knie bei
Auffahrunfällen. Die nur 30 cm lange Lenksäule ist direkt an der
Spritzwand befestigt. Sie kann nicht als "Spieß" im Fahrgastraum wirken.
Das Lenkrad ist in der Höhe verstellbar (!). So kann der Fahrer seine
Armhaltung nach Belieben einrichten. Selbstverständlich ist die Nabe
versenkt. Gepolsterte Sonnenblenden, Rückspiegel mit weichem Rahmen,
Montagehaken für Sicherheitsgurte, vom Heizsystem unabhängige
Frischluftzufuhr in Gesichtshöhe des Fahrers sind weitere Attribute
wohldurchdachter Unfallfolgen-Verhütung. Nicht befürworten können wir die
Schalter. Zwar sind sie durch Form und Symbole selbst bei Dunkelheit
unverwechselbar, jedoch ragen sie gefährlich weit aus dem Armaturenbrett
heraus und sind aus einem zu harten Werkstoff, um der inneren Sicherheit
Rechnung zu tragen. Auch die Türgriffe und Fensterkurbeln sind nicht ideal
ausgeführt. Hier möchten wir Änderungswünsche anmelden. Dagegen sind die
Kindersicherungen an den hinteren Türen, die sich im Notfall dennoch
öffnen lassen, sehr zu begrüßen.
Leistungsstarker Motor
Der
wassergekühlte 1978 ccm-Vierzylinder-Viertaktmotor des Rover 2000 TC
leistet 107 PS bei 5500 U/min. Sein max. Drehmoment von 16,5 mkg wird bei
3250 U/min erreicht. Verdichtung 9:1; Zündfolge 1-3-4-2. Die fünffach
gelagerte Kurbelwelle mit Schwingungsdämpfern ist mitbestimmend für seine
Laufruhe. Obenliegende Nockenwelle, Steuerkette hydraulisch gespannt,
Druckumlaufschmierung, Ölkühler, Ölfilter im Hauptstrom, Bohrung 85,7 mm,
Hub 85,7 mm, also genau quadratisch. Die Kolben haben konkave Böden und
bilden im OT mit dem modifizierten Leichtmetall-Zylinderkopf einen günstig
geformten Verbrennungsraum. Zwei SU HD 8-Horizontal-Vergaser (daher TC =
Twin Carburettors) sorgen für gute Gemischaufbereitung. Mechanische
Kraftstoffpumpe. Der separate Ansaugkrümmer mit Warmwasser-Vorheizung und
Ausgleichkanal garantiert eine gleichmäßige Füllung aller Zylinder. Zwei
Abgasleitungen führen die Abgase unter dem Wagen in das am Heck endende
Auspuffrohr. Insgesamt eine sehr durchdachte Motorenkonstruktion von hoher
Laufruhe. Wir werden im Fahrbericht noch darüber sprechen.
Kraftübertragung,
Achsen, Bremsen
Die
hydraulisch betätigte Einscheiben-Trockenkupplung ist leichtgängig,
arbeitet rupffrei und überträgt die Kraft des Motors ohne Tadel. Das
vollsynchronisierte Vierganggetriebe mit Knüppelschaltung konnte
allerdings an dem von uns gefahrenen Wagen keinen ungeteilten Beifall
finden. Zwar sind die Schaltwege kurz, jedoch ließ sich der erste Gang nur
schwer einlegen und beim Zurückschalten vom dritten in den zweiten Gang
kamen wir ohne Zwischengas nicht aus. Auch das Einlegen des
Rückwärtsganges ging selten ohne leichtes Kratzen. Die Abstufung der Gänge
ist bis auf den dritten Gang gut. Dieser sollte etwas näher am zweiten
Gang liegen. Damit ließe sich das Durchzugsvermögen - mit diesem Fahrzeug
überholt man oft - noch spürbar steigern. Vom Getriebe aus gesehen ist der
2000 TC ein Wagen für "harte Männer".
Vorbildlich dagegen die Achsen. Vorn führen breite Quer- und Längslenker,
waagerecht liegende Schraubenfedern, Stabilisator und Teleskopstoßdämpfer
die Räder exakt. Sämtliche Drehpunkte sind wartungsfrei. Unsere
ursprüngliche Befürchtung, die etwas weich anmutende Federung könnte eine
starke Kurvenneigung bewirken, bestätigte sich nicht. Die
De-Dion-Hinterachse mit Einzelradaufhängung und Spurausgleich ist
hervorragend. Das Differential und die innen liegenden Bremsen werden vom
Stahlskelett getragen. Schräge Längslenker, kurzer Panhardstab,
Schraubenfedern und Teleskopstoßdämpfer entsprechen dem höchsten, heute
erreichbaren Stand der Technik. Vier Girling-Scheibenbremsen mit
Lockheed-Bremsverstärker und reichlich bemessener Bremsfläche sind auf die
Fahrleistungen dieses Wagens ausgelegt. Handbremse auf die Hinterräder
wirkend.
Schaltpult des Fahrers
Bevor
wir die Fahreigenschaften des 2000 TC unter die Lupe nehmen, wollen wir
uns mit seiner Instrumentierung vertraut machen. In einer gut im Blickfeld
des Fahrers liegenden Leiste sind das Walzentachometer mit
Skaleneinteilung für Kilometer und Meilen pro Stunde, Tageskilometer- und
Kilometerzähler, Kühlwasserthermometer und Kraftstoffanzeige angebracht.
Darüber die Kontrolleuchten für Choke, Öldruck, Blinker, Fernlicht,
Handbremse und Bremsflüssigkeitsstand. Rechts daneben Uhr und
Drehzahlmesser als Rundinstrumente. Über die in Wagenmitte auf einer
Leiste unter dem Armaturenbrett befindlichen Schalter haben wir in
Zusammenhang mit der inneren Sicherheit schon gesprochen. Unter diesen
Schaltern eine Mittelkonsole für Radio mit Lautsprecheranschluß zur
Rückfensterablage. Daneben die Hebel für Heizung und Frischluftzufuhr, die
in Richtung und Stärke sehr gut regulierbar sind. Darunter die Zughebel
für Kraftstoffreserve und Choke. Links an der geteilten Lenksäule der
kombinierte Abblendschalter und Lichthupe, rechts der Betätigungshebel für
Blinker und Signalhorn. Im ersten Moment mutet der "Leitstand" etwas
kompliziert an; man gewöhnt sich jedoch schnell daran.
Für
hohe Reisedurchschnitte gebaut
Nachdem wir mit der Bedienung vertraut sind, wollen wir die bei uns
übliche 2.000 km-Teststrecke über Landstraßen, Bergstrecken und Autobahnen
angehen. Die ideale Sitzposition ist schnell gefunden. Obwohl die
Motorhaube nach vorn stark abfällt, ist man mit den Dimensionen des Wagens
schnell vertraut. Der Motor springt sofort an und kommt schnell auf
Betriebstemperatur. Angenehm die beheizte Heckscheibe, die sofort den
Blick nach hinten freigibt. Die Schneckenumlauflenkung vermittelt einen
guten Kontakt mit der Fahrbahn. Mit einer Übersetzung von 20,3:1 ergeben
sich von Anschlag zu Anschlag 3 3/4 Lenkradumdrehungen. Fahrbahnstöße
kommen nur auf grobem Kopfsteinpflaster schwach wahrnehmbar durch. In
S-Kurven dürfte die Lenkung bei hoher Geschwindigkeit etwas präziser sein,
jedoch ist sie im Interesse der Leichtgängigkeit durchaus akzeptabel.
Erste
Bremsproben zeigten, dass die Vierrad-Scheibenbremsen sehr schnell fassen,
progressiv wirken und verblüffend exakt auch auf sonst heiklen
Straßenoberflächen Spur halten. Kein Fading.
Ganz
ausgezeichnet auch die Federung. Ob mit einer oder vier Personen besetzt,
sie lässt keine nennenswerten Stöße durch und dürfte in Konstruktion und
Abstimmung ein Optimum in dieser Wagenklasse darstellen. Der Wagen
"schwebt" bei hoher wie auch bei geringer Geschwindigkeit über
Schlaglöcher und "dauergewellte" Straßen. Dabei hatten die Räder stets
Kontakt mit der Straße. Geräusche kommen nicht zum Fahrgastraum durch.
Unsere Versuche, die Federung zum "Aufschaukeln" zu bringen, mussten wir
erfolglos aufgeben. Auch im Wedeltest benahm sich der 2000 TC sehr
manierlich. Bevor er ausbricht, muss man ihn schon arg strapazieren.
Allerdings tut er es dann ohne Vorwarnung mit dem Heck und in solchen
Momenten wünscht man sich die Lenkung etwas direkter. Kurvenfahrten, auch
wenn sie extrem gekrümmt sind, bereiten ungeteilte Freude. Es gibt wenig
Fahrzeuge in dieser Klasse, die sich so neutral verhalten wie der Rover.
Wenn auch die Reifen (Pirelli Cinturato 165 SR 14) mit ihrer hohen
Seitenführungskraft ihren Anteil an dem vorzüglichen Fahrverhalten des
Wagens haben, ist es doch erstaunlich, mit welcher Sicherheit sich
Haarnadelkurven mit hoher Geschwindigkeit durchfahren lassen. Zwar neigt
sich die Karosserie spürbar, bleibt dabei aber gutmütig und lässt sich mit
einem zusätzlichen Schuss Gas sofort am Untersteuern hindern.
Eindrucksvoll auch der Autobahntest. Auf ebener Fahrbahn erreicht der von
uns gefahrene Wagen eine mittlere Höchstgeschwindigkeit von 178,4 km/h (8
Messungen; beste Messung 182 km/h). Beschleunigung: 0-50 = 3,9 Sek., 0-80
= 8,2 Sek., 0-100 = 12,9 Sek., 0-120 = 18,6 Sek., 0-140 = 27,5 Sek., 0-160
= 46 Sek. Stundenlange Fahrten mit Höchstgeschwindigkeit entlockten dem
bereits beschriebenen Motor nur ein zufriedenes Brummen. Dabei waren die
Windgeräusche erstaunlich gering. Seitenwinde beeindruckten das Fahrzeug
kaum und bei Totalbremsungen aus hoher Geschwindigkeit "tauchte" es zwar,
blieb aber völlig beherrschbar.
Zusammenfassend bescheinigen wir dem Rover 2000 TC, dass er ein schnelles,
sehr sicheres und für seine Größe äusserst komfortables Fahrzeug ist, das
in seiner technischen Konstruktion beispielgebend für den Automobilbau
wirken kann.
Krafthand / Deutschland 17/1967
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