Rover 2000 TC
Feines Auto vom
Hoflieferanten
Fahreigenschaften große Klasse, aber
hinten wenig Platz
Mehr Sicherheit durch das Stahlskelett
Wer es darauf anlegt, für sein Geld möglichst viel Auto zu bekommen, der
ist mit dem Rover 2000 TC schlecht bedient. Für den Preis des schlichten
britischen Wagens bekommt man zweieinhalb Opel Kadett, ebenso viele Ford
12 M oder drei VW. Mindestens 12 M und Kadett bieten den gleichen
Innenraum. Der 12 M ist mindestens genauso groß, und alle drei sind gute,
leistungsfähige Wagen. Mit dem Rover kauft man für viel Geld wenig Auto,
jedoch ein Auto mit einem Höchstmaß an Fahrkomfort und Sicherheit.
Er
gehört zu jener Fahrzeugklasse, in der man Hubraum, Leistung und
Größenmaße nicht nach Heller und Pfennig berechnen kann. Hier gelten
andere Maßstäbe. Die Alfas, die BMW und die großen Glas-Modelle sind
Mitglieder und Konkurrenten in dieser erlauchten Runde. Einige sind
schneller und spritziger als der Rover, aber in den Fahreigenschaften, so
behaupte ich, sticht er sie alle aus.
Er
läuft selbstverständlich freihändig geradeaus, unbeirrt von Autobahnfugen
oder Seitenwind. Auch bei Tempo 170, das er mühelos durchhalten kann,
braucht er kaum eine Korrektur am Lenkrad. Hohe Geschwindigkeiten nimmt er
ebenso gelassen hin wie schlechtes Pflaster. Auf der Bundesstraße 75
zwischen Ahrensburg und Bad Oldesloe merken die Insassen höchstens an den
Straßenbäumen, wie schnell die Reise geht.
Die
wirkliche Qualität des Fahrwerks zeigt sich in den Kurven. Der Rover legt
sich nur wenig auf die Seite, die Reifen geben keinen Laut, und jedesmal
macht der Fahrer hinterher verblüfft die Entdeckung, daß er an dieser
Stelle noch wesentlich schneller hätte fahren können. Die Grenze der
Kurvenfestigkeit zu ertasten dauert deshalb im Rover ziemlich lange Zeit.
Bei den meisten Autos spürt man sie sofort.
Besseres läßt sich nicht sagen: Auf normaler Bahn bei schnellster
Fahrweise hält das Auto immer Spur. In kritischen Situationen driftet es
dann schließlich etwas mit dem Heck, aber man hat es mit Gegenruder sofort
wieder auf Kurs.
Die
italienischen Gürtelreifen - Pirelli Cinturato - sind ein Teil des
Erfolgsrezeptes. Sie behalten ihre Eigenschaften auch auf nasser Straße,
aber der Übergang zwischen Haftung und Gleiten kommt dann ziemlich
unvermittelt. Bei Regen ist Vorsicht geboten.
Der
Rover hat ein konventionelles Fahrwerk mit Stahlfedern. Aber es ist eines
der interessantesten und aufwendigsten. Die Konstrukteure brauchten nicht
zu sparen. Für die Hinterachse verwendeten sie das DeDion-Prinzip, das aus
einem starren Achsrohr zur Führung der Räder und unabhängigen Gelenkwellen
besteht. Die im Rennwagenbau oft verwendete und sehr teure Konstruktion
kombiniert die Vorteile der Starrachse mit denen einer Pendelachse. Für
die Vorderradführung entwickelte man Kniehebel-Gelenke, die es
ermöglichen, die platzraubenden Federpakete aus dem Motorenraum zu
entfernen. Die langhubigen, sehr weichen Schraubenfedern liegen waagerecht
oben an der Spritzwand - etwas kompliziert, aber wirkungsvoll. Der Gewinn
sind geringe ungefederte Massen und großer Radeinschlag. Der Wendekreis
des viereinhalb Meter langen Wagens beträgt nur 10,5 Meter. Rangieren
macht Spaß.
Als
Beigabe erhält man außerdem eine sehr leichtgängige Lenkung, wie man sie
sonst nur in servobedienten Wagen findet. Sie ist so direkt und zielgenau,
daß man sich wie in einem Sportwagen fühlt.
Der
konstruktive Aufwand macht sich durch Qualitäten bezahlt, die man sonst
nur von luftgefederten Wagen kennt. Weich schwingt der Rover über
Hoppelpflaster und Wellen, ohne zu schaukeln oder zu schlingern. Es ist
eine der besten Wagenfederungen, die der Markt bietet.
Der
Motor, ein fünffach gelagerter Vierzylinder mit obenliegender Nockenwelle,
hat ursprünglich Kummer gemacht. Er war im Rover 2000 nicht vollgasfest.
Man hatte in England wohl nicht bedacht, welch hohe Dauergeschwindigkeiten
das gute Fahrwerk speziell auf deutschen Autobahnen erlauben würde. Heute
gibt Chefkonstrukteur Peter Wilks offen zu, daß es viele Reklamationen gab
und man sich deshalb mit dem "TC" (es heißt twin carburettor, gleich:
Doppelvergaser) besondere Mühe gegeben habe. Schließlich hat Rover einen
guten Ruf zu verlieren. In England gilt die Marke wegen ihrer
Motorenqualität als "Rolls-Royce aus der Westentasche". Rover ist
Hoflieferant.
Ich
kann bestätigen, daß der TC auch Schnellfahrroutine gewachsen ist. Wenn
man ihn zwischen Hannover und Hamburg voll aufdreht, geht er zwar bergab
über 180, aber der Tourenzähler bleibt dabei noch weit unter der roten
Marke von 6000 Umdrehungen. Die erlaubten 6500 erreicht man nur in den
Gängen. Sie entsprechen im 3. knapp 145 km/h. Der Rover läuft mit langen
Schritten. Das Getriebe ist weit gestuft. Man hat es mehr mit einem
Tourenwagen als mit einer Rakete zu tun.
Mir
gefällt das. Ich will keine Rennen fahren. Kurz gestufte Getriebe zwingen
einen doch nur zu ewiger Schalterei. Allerdings, es macht im Rover Spaß.
Ein winziger Knüppel sitzt griffgerecht auf der Mittelkonsole. Die Gänge
rasten sauber ein. Manchmal braucht man etwas Kraft.
Innenausstattung und Verarbeitung entschädigen jeden, dem die unterkühlte
Außenansicht zuwenig ist. Der Wagen hat Leder-Einzelsitze vorn wie hinten
mit einer idealen Sitzposition für den Fahrer. Die Türen schließen lautlos
wie bei einem Geldschrank.
Tragendes Element des Wagens ist ein Stahlskelett, das Verwindungsfreiheit
und hohe Kollisionsfestigkeit vereint. Die fertig lackierten
Karosserieteile sind an dieses Skelett einfach angeschraubt. Sie lassen
sich entsprechend leicht auswechseln. Eine stählerne Trennwand zwischen
Motor und Fahrgastraum und eine nur 30 cm lange Lenksäule sind neben den
vier kräftigen Scheibenbremsen Sicherheitsmerkmale, von denen man in
anderen gleichgroßen Wagen nur träumen kann. Der Rover erfüllt alle
Forderungen, die auf diesem Gebiet zu stellen sind.
Zu
bemängeln ist, daß der viertürige Wagen wegen seines kurzen Innenraumes
kein echter Viersitzer ist. Bei einem langen Fahrer bleiben hinten knapp
acht Zentimeter für die Knie. Wenn man den Rover jedoch nicht als
Limousine, sondern mehr als zweisitziges Coupé betrachtet, kommt man gut
mit ihm zurecht.
Der
Testwagen hatte schwergängige Türschlösser und Schwierigkeiten beim
Anlassen. Auch die Erwärmung des Motors nahm eine lange Zeit in Anspruch,
in der man ständig den Choke benutzen mußte, um nicht an jeder Kreuzung zu
verhungern. Sollten diese Dinge serienmäßig sein, würde ich Herrn Wilks
empfehlen, sie möglichst bald abzustellen.
Hans
W. Bruckmann
Hamburger Abendblatt 12./13.11.1966
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