Rover 2000 TC -
Volvo 144 S
Zwei Autos - ein Gedanke:
Sicherheit
Was machte Rover in aller Welt
bekannt: der geländegängige Land Rover oder die erste echte Limousine mit
Turbinenantrieb? Wir meinen, beides. Der solide Land Rover und das beispielhafte
Experiment mit dem Turbinenauto prägten das Image von Qualität und Fortschritt.
Freilich war bei den 3-Liter-Limousinen von Rover mehr Qualität und weniger
Fortschritt zu spüren, aber das änderte sich in dem Augenblick, als Peter Wilks,
Chefkonstrukteur und Nachkomme der Gründerfamilie, grünes Licht für die Aufgabe
erhielt, einen modernen Zweiliter zu konstruieren, der die Fesseln
britisch-konservativer Automobilbautechnik gründlich sprengen sollte. In diesem
Status wurden im Herbst 1963 der Rover 2000 und im Frühjahr 1966 der Rover 2000
TC vorgestellt.
Volvo in Göteborg baut
seit Jahr und Tag die ´schnellsten Traktoren der Welt´. Autos, die sich
eher durch Qualität, Langlebigkeit und gute Fahreigenschaften denn durch
fortschrittliche Ideen auszeichneten. Alle zehn Jahre einmal, so pflegt
man bei Volvo zu sagen, lege man ein neues Automobil auf Kiel. Nun, 1966
ist solch ein Jahr und unserer Meinung nach sogar ein ganz besonderes,
denn der Typ 144 übertrifft alles, was jemals in Göteborg konstruiert
und produziert wurde.
Unser Idealauto ist das
sichere Auto. Bislang waren wir leider genötigt, als Beispiel für das in
vielen Sicherheitselementen perfekte Auto den Mercedes zu nennen, was
uns oft als Lokalpatriotismus angelastet wurde. Nun haben wir endlich
drei Autos, die wir hinsichtlich ihrer Sicherheit für ebenbürtig und
damit in aller Welt führend halten, und wir sind glücklich, daß neben
dem Stuttgarter Fabrikat noch je ein Auto aus England und Schweden
darunter sind.
Sicherheitskarosserien erstes Gebot!
Beginnen wir bei der Gestaltung der
Karosserie mit Rover, so ist zu sagen, dass Chefkonstrukteur Peter Wilks
ein Auto nach den neuesten Erkenntnissen der Technik schuf, das überall
anders ist als die bisherigen 3-Liter-Rover. Er fing mit einem
Stahlskelett für die selbsttragende Karosserie an, das bereits ohne
aufgeplankte Außenbleche, die sonst eine erhebliche mittragende Aufgabe
zu bewältigen haben, den Rover 2000 fahrtüchtig macht. Das bedeutet
zwangsläufig, daß das Skelett zwischen den Achsen so stark wie nur
möglich gemacht werden muss, und das ist eben der Teil des
Karosseriekörpers, der den Personenraum einschließt. Peter Wilks mag
hier nicht ausschließlich an Sicherheit gedacht haben, denn das Skelett
bringt auch auch große fertigungstechnische Vorteile, weil nicht mehr
die komplette Karosserie in die Farbbäder kommt. Die Karosserieteile,
die die Außenhaut bilden, sind bei der Montage fertig lackiert und
können auf das fertige Fahrwerk aufgeschraubt werden. Eine solche
Montage bringt auch Vorteile für den Kunden, weil beim Rover 2000 nicht
nur, wie sonst, bestenfalls die Seitenteile, sondern alle Teile im
Schraubverfahren ausgetauscht werden können.
Die Karosserie des Volvo 144 wird zwar in
konventioneller Weise vor dem Grundieren und Lackieren zusammengesetzt,
doch ist der Personenraum ungewöhnlich steif angelegt. Starke
Balkenprofile längs und quer, Längsbalken aus einem Stück und
schließlich die Ausrichtung der Mittelpfosten mit Anschluß an die
Dachquerverstrebung in der Art eines Überrollbügels schützen die
Insassen gegen Zusammenstöße von vorn und hinten, von den Seiten und
noch beim Überrollen des Autos über das Dach. Hinzu kommt beim Volvo die
bekannte Verarbeitungs- und Material-Qualität.
Beiden Autos gemeinsam ist der Rostschutz:
Beim Volvo sind die Bodenstreben verzinkt, und auch andere
rostgefährdete Teile sowie der Boden sind serienmäßig mit einem Schutz
versehen. Auch der Rover besitzt den Unterbodenschutz; darüber hinaus
sind alle Karosserieteile bis zu einer Höhe von 38 cm mit einem
Zinkspachtelbelag geschützt.
Rover-Fahrwerk mit Pfiff
Peter Wilks wollte den Rover 2000 nicht nur
anders im Fahrwerk auslegen, als es üblich ist, sondern auch
besser. Auch er federt die Vorderachse mit Schraubenfedern ab, doch
baut er sie nicht senkrecht, sondern waagerecht ein, wobei die Federn
weg von der Vorderachse unter den vorderen Kotflügeln wandern. Die Ein-
und Ausfederung erfolgt über Winkelhebel, die auf einer gemeinsamen
Achse liegen, die gleichzeitig als Querstabilisator wirkt. Vorteil: Der
gewonnene Raum dient einem besseren Einschlag der Vorderräder, die
ungefederten Massen sind kleiner und die Hebel sind so angeordnet, dass
sie beim Bremsen ein Tauchen des vorderen Wagenteils verhindern.
Hinten verwendet Wilks eine stark
abgewandelte De-Dion-Achse mit einem fest mit der Karosserie
verschraubten Achsantrieb. Zwei Längslenker nach vorn und ein
Wattgestänge nach hinten geben eine vorbildliche Radführung. Günstig für
die ungefederten Massen auch der Hinterräder ist die Anordnung der
hinteren Scheibenbremsen am Differential. Schraubenfedern mit
innenliegenden Stoßdämpfern vollenden die Hinterachskonstruktion.
Beim Volvo 144 blieb man bei bewährten
Konstruktionselementen der bisherigen Modelle: Vorn Trapezlenker mit
Schraubenfedern und Querstabilisator und hinten Starrachse mit
Längsschubstreben, Panhardstab und Querstabilisator. Dazu
Schraubenfedern und Teleskopstoßdämpfer. Noch mehr als Rover legt Volvo
Wert auf ein optimal sicheres Bremssystem. Bei Rover Schreibenbremsen an
allen Rädern und Bremsverstärker, dazu Warnlichter für angezogene
Handbremse und Bremsflüssigkeisstand. Volvo verfügt darüber hinaus noch
über ein tadellos wirksames Zweikreisbremssystem. Tadellos deshalb, weil
beim Ausfall eines Bremskreises der andere Bremskreis immer die beiden
Vorderräder und je ein Hinterrad umfasst, so dass ein Schleudern nach
besten Kräften verhindert werden kann. Für dieses Bremssystem rechnen
wir Volvo einen dicken Sicherheits-Pluspunkt an!
Volvo und Rover mit Sicherheitslenkung
Einfacher und wirkungsvoller kann man eine
Lenksäule kaum entschärfen, wie es Volvo beim Typ 144 vorgenommen hat:
Die Lenksäule führt nicht in einem Stück zum Lenkgetriebe, sondern sie
ist geteilt, und an der Teilstelle führen die Enden der Lenksäulenstücke
aneinander vorbei. Die Verbindung ist eine Art Sollbruchstelle, die bei
einem schweren Auffahrunfall die Lenksäulenenden trennt. Die Lenkradnabe
ist gepolstert.
Der Rover hat, wie der Volvo, eine
Schnecken-Rollenlenkung, die Lenksäule ist durch Abwinkelung entschärft.
Das Lenkrad besitzt außer dem fehlenden Hupenring keine besonderen
Sicherheitsmaßnahmen. Es ist lediglich in der Höhe verstellbar. Auf
jeden Fall ist aber sichergestellt, dass der Rover-Fahrer bei einem
Zusammenstoß nicht aufgespießt wird.
Beide Autos besitzen Hochleistungsmotoren
von 110 (Rover 2000 TC) und 100 PS (Volvo 144 S). Der um rund 100 kg
schwerere Rover setzt einen Zweilitermotor mit 16,5 mkg an maximalem
Drehmoment ein, während der Volvo als Achtzehnhunderter nur 14,5 mkg zu
bieten hat. Wir beschleunigten den Rover 2000 TC in 13,5 Sekunden von 0
- 100 km/h. Der Volvo 144 S braucht auf diese Distanz 3/10 Sekunden
länger. Das sind in jedem Fall echte Sportwagen-Zeiten, an denen uns
Sportlichkeit und Sicherheit im gleichen Maße interessieren. Mit seiner
obenliegenden Nockenwelle ist der Rover sportlicher ausgelegt, doch
beide Wagen besitzen als Vierzylinder eine fünffach gelagerte
Kurbelwelle, die für Nenndrehzahlen von 5500 und 5600 U/min gut ist. Der
Rover zeigt ein quadratisches Bohrung/Hub-Verhältnis, der Volvo ist ein
Kurzhuber. Beide Autos sind mit je zwei SU-Vergasern bestückt.
Beinahe gleich sind die Getriebeabstufungen,
lediglich die Achsuntersetzung ist beim Rover mit 3,5 gegenüber 4,1:1
beim Volvo ´schneller´. Dennoch ist die Höchstgeschwindigkeit von 175
km/h bei beiden Autos gleich bei annähernd gleichen Drehzahlen, weil der
Volvo die größeren Räder (15" gegenüber 14" beim Rover) besitzt. In der
Reifengröße macht man bei Volvo keine Konzessionen an den
Publikumsgeschmack, und so bleiben die großen Räder beim neuen Modell
eine Reminiszenz an die ´schnellsten Traktoren der Welt´. Nun, Schweden
ist groß, und man weiß auch, wozu große Räder gut sind.
Die Volvo-Sitze sind als die besten der Welt
bekannt. Hier haben die Schweden Vorbildliches an Untersuchung, aber
noch mehr an Schlußfolgerungen aus den Untersuchungen geleistet. Und
wenn schon ein Superlativ, so soll der zweite gleich folgen: Keine
Autofirma der Welt hat sich im gleichen Maße so gründlich um die besten
und dazu noch serienmäßigen Sicherheitsgurte gekümmert! Der
Dreipunktgurt des Volvo wird um den Körper gelegt und durchlaufend in je
ein Schloß gesteckt, das sich zwischen den Vordersitzen befindet. Beim
Aussteigen oder bei Gefahr zieht man nur an einem roten Hebel und ist
vom Gurt befreit. Wir sind gewiß, dass man derart praktische Gurte gern
anlegt, und das ist psychologisch genauso wichtig wie die Anbringung von
Gurten überhaupt.
Auch der Rover hat einigen Sitzkomfort zu
bieten, doch ist hier der größere Wert auf die Verarbeitung mit echtem
Leder gelegt. Für die Fondpassagiere bringt der Volvo mehr Beinfreiheit.
Trotz des größeren Radstands zeigt der Rover weniger Außenlänge als der
Volvo, und so drückt der Kofferraum, bildlich gesprochen, die
Fondrückenlehne nach vorn und lässt den Fondraum zusammenschrumpfen.
Dafür sitzt aber jeder im bestgefederten Raum zwischen den Achsen.
Sicherheitsgurte gibt es beim Rover nur gegen Aufpreis.
Im Innenraum holt der Volvo eine ganze Reihe
von Punkten mit einem Armaturenbrett, das man mit seiner Polsterung als
sicher bezeichnen möchte. Knöpfe für Scheibenwischer, Choke,
Beleuchtung, Ventilator, Zigarrenanzünder und Aschenbecher sind immer
noch vorhanden, doch die Heizungshebel sind gegen praktische
Drehscheiben vertauscht.
Beim Rover wäre am Armaturenbrett noch
einiges zu korrigieren, um hier den Ausdruck Sicherheit verwenden zu
können. Wohl ist eine Polsterung oben und unten vorhanden, doch gibt es
noch unsympathische Griffe und Hebel. Horizontaltachos haben beide,
organisch eingeordnet beim Volvo, weniger beim Rover. Die TC-Ausführung
hat als Extra einen Drehzahlmesser (von VDO) im Blechkasten und eine
freihängende Zeituhr. Rechts von den Armaturen ist das Mittelteil als
Ablage ausgebildet. Die Deckel der Handschuhkästen vor dem Fahrer und
Beifahrer sind gepolstert und wirken als Knieschutz. Nach französischer
Art wird beim Rover Frischluft aus dem Armaturenbrett geblasen, während
beim Volvo der Pluspunkt auf ein für tiefe Temperaturen ausgeklügeltes
Entfroster-System für sämtliche Fenster entfällt. Gäbe es einen Preis
für den bestgesicherten Innenraum: Mercedes und Volvo hätten ihn sicher!
Was nützen alle Sicherheitselemente im Auto,
wenn die Straßenlage zu wünschen lässt? Nun, der Volvo hat sich in
seinem Fahrwerk im Vergleich zu seinem Vorgänger nicht verändert, so
dass wir ihm eine ausgezeichnete Straßen- und Kurvenlage bescheinigen
können. Zwar ist der 144 gegenüber dem 122 S 19 cm länger, 14 cm breiter
und 8 cm niedriger geworden, dafür wurde auch die Spur verbreitert.
Selbst dann, wenn man den immensen Kofferraum von über 650 Litern Inhalt
vollpacken sollte, dürfte das die überaus exakt geführte Hinterachse
verkraften, ohne dass sich das Kurvenverhalten verschlechtern sollte.
Wir stellten fest, dass der Volvo 144 hinsichtlich seiner Straßenlage
zur Spitzengruppe der gehobenen Mittelklasse zählt!
Beim Rover 2000 TC haben wir uns die
Eindrücke über seine Fahreigenschaften von der Autobahn bis zur
Serpentinenstraße eingehend ´erfahren´: Das aufwendige Fahrwerk hält,
was es verspricht! Besonders beeindruckt die Harmonie zwischen
Federungskomfort und exakter Radführung. Das Kurvenverhalten ist so gut
wie neutral und wird durch die serienmäßigen Pirelli Cinturato
unterstützt. Gürtelreifen übrigens, die gleichzeitig noch komfortabel
sind.
Mit fast vier Umdrehungen von Anschlag zu
Anschlag ist die Rover-Lenkung zu hoch übersetzt, hier fehlt die
Servolenkung. Und noch etwas vermissten wir beim Rover: eine zusätzliche
Trommel für die Handbremse an den hinteren Scheibenbremsen, um den Wagen
am Hang wirklich festzuhalten. Der Volvo besitzt diese Zusatzbremse
hinten und außerdem noch Bremskraftbegrenzer, die ein Blockieren der
beim Bremsen entlasteten Hinterräder verhindern. Bis auf die geringe
Handbremswirkung ist gegen die Funktion der Rover-Bremsen sonst nichts
einzuwenden.
Was sie kosten ...
Autos dieser Leistungs- und Größenklasse
sind nicht billig. Rover 2000 TC und Volvo 144 S sollten gerechterweise
mit Autos wie BMW 2000 TI, Mercedes 230, Citroen DS 21 und der Giulia
Super verglichen werden, die gleichfalls 170 bis 175 km/h schnell sind
und um die 13 Sekunden von 0 bis 100 km/h beschleunigen und die
gleichfalls hinsichtlich Komfort und technischer Ausrüstung einen
Vergleich aushalten. In diesem interessanten internationalen Feld sind
gleich vier Sicherheitsautos vertreten, wenn wir neben Volvo und Rover
noch den Mercedes und den Citroen dazurechnen. Den Citroen freilich
unter Vorbehalt, weil sein Tür- und Dachtrakt noch nicht den
Anforderungen nach einem sicheren Personenraum entspricht. Ansonsten
besitzt der DS 21 die meisten jener Elemente für innere und äußere
Sicherheit, die wir bei den drei anderen Autos zu rühmen wissen.
Mercedes, BMW und Volvo kosten um die 12.000 Mark, einen
Tausendmarkschein mehr muss man für den DS 21 berappen und drei
Tausender mehr für den Rover 2000 TC, der damit in die unmittelbare
Konkurrenz mit dem Mercedes 250 S einrückt.
In Österreich dagegen ist der Rover etwas
billiger als Mercedes und weit billiger als der Citroen; nur der Volvo,
dessen Schillingpreis noch nicht festgelegt ist, dürfte den Rover
preislich unterbieten.
Das gleiche Bild bietet sich auch in der
Schweiz, und hier zeigt sich wieder einmal ganz deutlich das Handicap
der hobby-Autoredaktion, wenn sie auf europäischer Basis Autos aus
England werten will: Wir haben nichts gegen englische Autos, doch wie
sollen wir für unsere Leser in Deutschland eine Differenz von 3000 Mark
zwischen dem Rover 2000 TC und dem Mercedes 230 im Gegenwert des Rover
plausibel darstellen? Schon unsere Freundschaft zu unseren Lesern in
Österreich und der Schweiz wegen warten wir ungeduldig auf Englands
Aufnahme in die EWG, damit wir mit normalen Preisen argumentieren
können. Volvo verkauft in Deutschland pro Monat etwas über 100 Autos,
Rover lebt von Land Rover-Verkäufen und wäre wahrscheinlich mit 10
verkauften Rover 2000 im Monat zufrieden. Es ist natürlich möglich, dass
die beiden neuen Modelle so gut einschlagen, dass sich die
Verkaufsziffern noch erhöhen. Wir würden das durchaus begrüßen, denn je
mehr sichere und gute Autos die Straßen bevölkern, umso besser und
reibungsloser läuft der Verkehr ab. Wenn wir hier und immer die
Sicherheit ganz groß herausstellen, so verfolgen wir letzten Endes den
Zweck, die Automobilfabriken von dem leicht abgewandelten Slogan
´Sicherheit verkauft sich gut´ zu überzeugen!
hobby / Deutschland 24/1966
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